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E-Diotie
Treffpunkt: Kritik Das Pantheon in Rom ist inzwischen über 1900 Jahre alt, die Akropolis in Athen sogar 2500 Jahre. Wie alt die Pyramiden sind, darüber streiten sich immer noch die Gelehrten. Selbst die Mona Lisa hat schon über 500 Jahre der Weltgeschichte belächelt, und sie wird sich mit Sicherheit fragen, was denn unsere moderne Zeit der Weltgeschichte hinterlassen wird.
Kunst, Dichtung, Sprache, Architektur, Staatsformen, all dies ist überliefert und erhalten geblieben, über Tausende von Jahren. Doch schaffender Art und Weise scheinen die wenigsten Gesellschaften heutzutage mehr zugegen zu sein, und dabei braucht man nicht auf das übliche Klischee der Atombombe anspielen. Immerhin hat uns die Technik ermöglicht, mit weniger Kohlekraftwerken rund um den Globus elektrischen Strom bereit zu stellen, auch wenn sie missbraucht wurde. Vielmehr scheinen Teile unserer Gesellschaft stets darum bemüht, es den anderen möglichst schwer zu machen. Das allein ist nichts Neues, doch mit welchem Erfolg dies mitunter geschieht, ist in der Tat überraschend.
Da nehme man sich doch beispielsweise den internationalen Aktienmärkten an, die nach wie vor in schöner Regelmäßigkeit neue Jahrestiefs ausloten. Nach den anfänglichen Kursverlusten vor ein paar Wochen, sind es nun insbesondere die Kleinanleger, die versuchen zu retten, was zu retten ist, und ihr Erspartes aus Fonds und Anlagen herausziehen. Dass sie damit aber den Kursverfall nur beschleunigen, scheint ihnen nicht einzuleuchten. Es helfen in diesem Fall auch alle Zusagen der Regierung nichts, den Banken Kredite in schwindelerregender Höhe in Aussicht zu stellen, wenn von Seiten der Anleger einfach kein Vertrauen in ein System mehr besteht, das sich ohnehin lediglich als Luftgebilde herausgestellt hat. Über die Irrsinnigkeit, 500 Milliarden Euro bereitzustellen (die die Steuerzahler wie immer aufbringen müssen), sich aber monatelang zu echauffieren, wenn trotz der rasanten Inflation die Bezüge der Hartz IV-Empfänger um 2,50 Euro im Monat angehoben werden sollen, sei an dieser Stelle gar nichts gesagt.
Eine Zeitung titelt heute "Geht die Ära Aktie zu Ende?". An sich eine schöne Formulierung, beinhaltet sie doch gleich zwei Dinge: 1. da die Herrschaft des Aktientums als Ära bezeichnet wird, war es also Etwas, dessen Ende absehbar gewesen ist, auch wenn der letzte Termin noch nicht feststand. 2. beschreibt es auch die Aussicht, dass sich nach den Aktien etwas anderes etablieren wird, immerhin ist das Ende einer Ära auch immer der Beginn einer neuen.

Auf selbiges hatte man bei der Deutschen Bahn ja mit dem Börsengang auch gehofft und dürfte sich angesichts der erneuten (und nicht überraschenden) Achsenprobleme mit den einhergehenden Zugverspätungen und –ausfällen glücklich schätzen, dass die Aktie noch nicht gehandelt wird. So schnell, wie der Kurs eingebrochen wäre, hätte man bei der Bahn nicht einmal die Verspätungstafeln aktualisieren können.
Hinzu kommt nun ein vermeintlicher Skandal um zu leistende Bonuszahlungen an Manager, sollte die Bahn erfolgreich an die Börse gehen. Dass hiervon die bekanntesten Vertreter der Bahn, beziehungsweise der Regierung wieder einmal nichts wussten, sollte einen nicht verwundern – es scheint ja schon ein Einstellungkriterium in gehobenen Positionen zu sein, von nichts eine Ahnung zu haben.

Ähnlich unwissend stellten sich auch Arzthelferinnen einer schwäbischen HNO-Ärztin, die nun angeklagt wird, über einen langen Zeitraum verunreinigte Spritzen und nicht sterilisierte Instrumente verwendet, sowie nicht sanktionierte Behandlungen durchgeführt zu haben.
Wer der Meinung ist, dass so etwas in unserer heutigen Zeit an sich nicht vorkommen kann, muss sich leider eines besseren belehren lassen. Dass eine Sprechstundenhilfe immerhin den Mut aufbrachte, sich bei den Behörden zu melden, sollte man hoch anrechnen – dass es den anderen aber nicht gelang, ist an sich beschämend. Das übliche Paradoxon an unserer Rechtssprechung ist allerdings, dass die Ärztin immer noch praktizieren darf, nur nicht mehr an Kassenpatienten.

Angesichts solcher Meldungen gehen beliebte Themen der letzten Woche, wie beispielsweise der in der EU zum Einsatz geplante Nacktscanner an Flughäfen, beinahe unter.
Selbstverständlich stellt er eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar, und ein Eingriff in die Privat- und Intimsphäre. Ebenso wie das automatisierte Durchforsten von Emails, das Mithören bei Telefonaten, oder das Durchleuchten vom Gepäck bei den Flughäfen. Auch die Stichproben der Ermittler bei Bahnfahrten fallen darunter, bei denen das Gepäck durchsucht wird. Oder das Erstellen von Kaufprofilen bei den Einkaufszentren, wo man immer häufiger nach der Postleitzahl gefragt wird.
Eingriffe in das persönlichste Reich gibt es zuhauf und dies ist auch nicht neu. Daraus jetzt ein Wahlkampfthema zu machen, mag durchaus für die Politik interessant sein, doch der "Nacktscanner" würde nicht nur die Abfertigung an den Flughäfen beschleunigen, sondern irgendwann ebenso automatisiert stattfinden, wie die Suche mit den Metalldetektoren. Nur muss man der Technik in dem Sinne auch eine Chance geben. Wo man gerade in Deutschland mit den immer weiter ausgebauten Überwachungskameras an jeder Straßenecke seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, wittern Politiker gern ein Thema, das es sich auszuschlachten lohnt. Sollte der Beschluss der EU kommen, wird man sich ohnehin nicht dagegen wehren können. Ein Austritt aus der Union kommt ja schließlich nicht in Frage.

Wer sich durch das kommende Raucherschutzgesetz angegriffen fühlt, dem sei an dieser Stelle eine Neuheit empfohlen, die mit Sicherheit genauso darauf abzielt, den Käufern das Geld aus der Tasche zu ziehen, wie die Tabakindustrie, dabei aber mit Sicherheit für einen amüsierten Freundeskreis sorgt: die e-Zigarette.
"Frei von schädlichem Teer", "Nicht entflammbar" und man darf damit sogar in rauchfreien Zonen "rauchen". Selbst Nichtraucher können angesichts solcher Marketingideen nur den Kopf schütteln.
Vielleicht ist es ja das, was wir den kommenden Generationen hinterlassen. Eine Ansammlung an Erfindungen und gesellschaftlichen Tiefschlägen, die man in den Geschichtsbüchern lieber schwärzen wird, als sie tatsächlich abzudrucken. Wenn schon nichts anderes, sollte man daraus wenigstens Lehren ziehen.
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