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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.
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Das Ende wird schon vorbereitet
Treffpunkt: Kritik Neues Jahr – und doch kein Glück?
Es scheint beinahe so, als wolle einem die Unterhaltungsindustrie das neue Jahr schon vermiesen, ehe es überhaupt angefangen hat. Bereits Ende des letzten Jahres gab es einige Sendungen, bei denen Wahrsager, selbst ernannte Medien und Propheten ihre Weisheiten und Visionen zu 2009 (gegen Gage) zum Besten gaben. Und auch in den ersten Tagen des frischen Jahres fanden sich "Seher" und "Seherinnen" im Radio, die schon vor 10 Jahren angekündigt hatten, dass eine Finanzkrise die Welt heimsuchen würde (aber dennoch nicht dagegen gewappnet waren), dass letztes Jahr nicht George W. Bush wiedergewählt würde (wer das US-Wahlrecht kennt wird feststellen, dass das auch keine Kunst ist) und die uns allerhand Böses vorhersagen für die "nächsten 3 oder 4 Jahre".
Da möchte man 2009 am liebsten überspringen und 2015 wieder einsteigen. Doch so einfach macht es Mutter Natur uns nicht. Wir müssen ernten, was wir gesät haben. Auch dann, wenn wir es lieber im Boden verfaulen lassen wollen.
Dies soll sich noch nicht einmal darauf beziehen, dass passend zu Weihnachten (auch Terroristen brauchen Geschenke) ein weiterer RAF-Verurteilter vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Über die (Un-)Sinnigkeit eines solchen Vorgehens mag die Öffentlichkeit den Kopf schütteln, doch wie die Financial Times Deutschland treffend meint, der "Rechtsstaat übt keine Rache". Das ist sicherlich richtig und einer der Gründe, weswegen wir froh und stolz sein dürfen, in einem Rechtsstaat zu leben. Aber sollte sich der Rechtsstaat nicht darum bemühen, seine Bürger zu beschützen? Oder in dem Sinne auch für 'Gerechtigkeit' sorgen?
Das ist für sich genommen ein sehr schönes Wort, dem aber nicht wirklich Genüge getan wird, wenn man inzwischen so viele RAF-Mitglieder wieder frei gelassen hat, dass es sich für sie lohnen könnte, ein Revival-Treffen zu organisieren und dabei Ballkönig und –königin zu küren. Zumindest ist es ein Vorgehen, das einem hierzulande nicht wirklich einleuchtet.

In einem Land wie Russland, in dem in einer landesweiten Umfrage kürzlich kein Geringerer als Josef Stalin (!) als beliebtester Russe gewählt wurde, mag man also manche derzeitige politische Entscheidungen als gestörte Realitätswahrnehmung basierend auf irregeleitetem, verblendetem Heldentum entschuldigen.
Aber was ist unsere Ausrede?

Ob man denn das Gesetz derart unerbittlich auslegen muss, wie jüngst in China geschehen, wo ein Mann für verbotenes Rauchen an Bord eines Schnellzuges drei Tage inhaftiert wurde, sei dahingestellt. Weswegen aber einheimische Terroristen und Mörder mit Samthandschuhen angefasst werden, während die übrige Bevölkerung pauschal der Verschwörung und des Gesetzesbruches bezichtigt wird, und es auch notwendig scheint, alle Bürger mit Internetanschluss fortan konstant überwachen zu müssen, verstehe wer will.
Dabei, und das sollte man nicht vergessen, alle Terroristen, die heute in Haft sitzen, wurden gefasst, ohne dass eine heimliche Onlinedurchsuchung notwendig wurde. Sorgfältige Polizeiarbeit und Recherchen haben diese Verhaftungen ermöglicht – wieso sollte man auf eine solche Sorgfalt und handfeste Beweisführung also in Zukunft verzichten?

Vielleicht ist der aktuelle Slogan des Wick-Konzerns symptomatisch für das derzeitige Verhalten in unserem Land. Dort heißt es so schön: "Wick - Wir beginnen mit der Lösung, nicht dem Problem".
In der Tat, statt den Kern der Erkrankung zu kennen wird erst ins Blaue hinein kuriert, später kann man sich dann ja immer noch um die Ursache kümmern. Meist scheint auch das 'Problem' gar nicht mehr zu interessieren, sondern nur noch die Lösung, mit der sich ja auch deutlich mehr Geld verdienen lässt. (Nur ein kranker Patient ist ein zahlender Patient.)
Wie erfolgreich man mit einem solchen Motto umgehen kann, beweist Procter & Gamble, dem Wick gehört, sehr eindrucksvoll mit einem Jahresumsatz 2008 von mehr als 80 Milliarden US-Dollar, beinahe doppelt so viel wie 2003.
Auch dieses Jahr wird man dort darum bemüht sein, dem Verbrauchen Lösungen vorzuschlagen, von deren Problemen er im Vorfeld noch nicht einmal wusste. Neue Präparate werden auf den Markt kommen, deren Nebenwirkungen den Verkauf von weiteren Präparaten begünstigen – bis man irgendwann beim Apotheker nicht mehr gefragt wird, "welches Produkt hätten Sie denn gern", sondern vielmehr "welche Krankheit wäre Ihnen denn lieber?"
"Am liebsten die mit den wenigsten Zusatztabletten."

Auch im neuen Jahr werden wir somit wieder vielen alten Bekannten begegnen, die wir 2008 hinter uns zu lassen gehofft hatten. Nicht nur, dass die Politik wieder einmal vom "Superwahljahr" spricht – dabei verhalten sich alle Parteien so versprechungsfreudig und entscheidungslahm, als stünden sie im ständigen Wahlkampf – im Fernsehen wird demnächst wieder der nächste Superstar aus dem Reagenz-TV gezeugt und wem das noch nicht reicht, der darf mit Uri Geller "The Next Schwafelmeister" orakeln oder noch schlimmer, gefühltes lebenslänglich im Dschungelcamp absolvieren.
Insofern, wenn der Januar schon so beginnt, wie soll das Jahr dann erst enden?
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