Zodiac - Die Spur des Killers [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. Juni 2007
Genre: Thriller

Originaltitel: Zodiac
Laufzeit: 158 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: David Fincher
Musik: David Shire
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Anthony Edwards, Robert Downey Jr., Brian Cox, John Carroll Lynch, Ed Setrakian, John Getz, John Terry, Candy Clark, Elias Koteas, Dermot Mulroney, Donal Logue, Philip Baker Hall, Zach Grenier


Kurzinhalt:
Als am 31. Juli 1969 ein handgeschriebener Brief beim San Francisco Chronicle eintrifft, ahnen die Journalisten, darunter Paul Avery (Robert Downey Jr.) und Karikaturist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal) nicht, dass sich ihr Leben für immer verändern wird. Der Autor des Briefes, der sich mit dem Folgenden "Zodiac" nennen wird, beschreibt, wie er schon mehrere ungeklärte Morde begangen hat und fordert die Polizei auf, ihn zu fassen, da er ansonsten weiter töten wird.
Für Inspector David Toschi (Mark Ruffalo) und seinen Partner William Armstrong (Anthony Edwards) beginnt der zermürbendste Fall ihrer Karriere. Nur wenige Opfer überleben die Angriffe des Zodiac und können auch dann den maskierten Täter nicht beschreiben.
Der Druck, auch durch die Öffentlichkeit, wird immer größer, und während Zodiac den Journalisten Avery sogar in einem seiner Briefe bedroht, wird Graysmith immer mehr von der Sogkraft der mystischen Zeichen erfasst, die Zodiac seinen Briefen beilegt. Darin liege der Schlüssel, behauptet er – doch mit jedem neuen Beweis, den die Ermittler sammeln, schrumpft die Zahl der Verdächtigen zusammen und mit neuen, ungeklärten Morden, schmückt sich der Täter, obwohl er sie zweifelsfrei nicht begangen haben kann. So hält Zodiac San Francisco in Angst und Schrecken, während Graysmith alle Fakten zu dessen Taten zusammen trägt, in der Hoffnung, so seine Identität aufzudecken ...


Kritik:
Dirty Harry [1971] gilt als einer der ersten Filme, die das Thema des in der Bay-Area um San Francisco aktiven Serienmörders Zodiac aufgriffen und auf Film bannten. Gleichwohl Ähnlichkeiten vorhanden sind, bietet der Klassiker mit Clint Eastwood einen richtigen Abschluss – für die Beteiligten, die Familien und Hinterbliebene der Opfer, für die Polizisten und Reporter, die an den Zodiac-Morden ermittelten, oder von ihnen betroffen waren, gab es keine solch Erlösung. Bis heute ist der Täter nicht gefasst, gleichwohl man davon ausgehen darf, dass er inzwischen gestorben wäre.
Dennoch bleiben die zahlreichen Morde, die in den 1960er und 1970er Jahren geschahen, ein Rätsel – zusammen mit den verhöhnenden Briefen, die Zodiac an die Presse schrieb, umso mehr. Ob es nun ein Täter war, oder mehrere, wie viele Morde tatsächlich von Zodiac verübt wurden, darüber gibt es ebenfalls keine definitiven Aussagen. Zusammen getragen von Karikaturist Robert Graysmith, erschien mit dem Buch Zodiac [1986] das umfassendste Sammelwerk zum Fall, und auch wenn der Autor zahlreiche Schlussfolgerungen zieht, Hypothesen aufstellt und Verdächtige präsentiert, bis heute gibt es nicht genügend Beweise, um eine Person für die Verbrechen verantwortlich zu machen. Wie allerdings die Ermittlungen damals aussahen, dies schildert Graysmith so gekonnt wie detailliert, und eben jene Authentizität kommt auch den Machern von Zodiac zugute.

Bemerkenswert ist dabei, wie es Drehbuchautor James Vanderbilt gelingt, die zahlreichen Storylines, die unzähligen Hinweise und die Ermittlungen, ja die schiere Geschichte, die weit über zwanzig Jahre umspannt, in etwas mehr als zweieinhalb Stunden zu erzählen.
Er destilliert die wichtigsten Handlungsstränge heraus, ohne die dafür notwendigen Informationen zu unterschlagen, bindet eine Vielzahl von Figuren und Schauplätzen ein, ohne dass die einzelnen Charaktere dabei zu kurz kommen würden. Zwar liegt das Hauptaugenmerk des Skripts nicht auf den privaten Problemen der Figuren, doch blitzt auch immer wieder durch, wie sehr die Familien der Beteiligten Ermittler von der Arbeitslast erdrückt werden. Gekonnt manövriert Vanderbilt dabei das Hauptaugenmerk des Skripts zuerst von den Taten selbst, über die Ermittlungen, bis hin zu Graysmiths Bestreben, die verschiedenen Ansatzpunkte in einen Kontext zu bringen.
Dass dem Zuschauer dabei manche Zusammenhänge erst genau in dem Moment erscheinen, zu dem sie auch für die Figuren im Film ersichtlich werden, ist ebenso ein Verdienst, wie die durchweg exzellent gelungenen Dialoge, die den Figuren nicht nur jeweils eine eigene Persönlichkeit verleihen, sondern auch merklich natürlicher wirken, als in manch anderer Adaption des Themas. Das Drehbuch nimmt sich erfreulich viel Zeit, den Zuschauer in die Thematik einzuführen, ohne gewisse Kenntnisse vorauszusetzen – dass es dennoch nicht durchweg spannend geraten ist, liegt an der Natur dieser Chronologie.

Die Besetzung liest sich wie ein Stelldichein Hollywoods mit namhaften Beteiligten bis in die kleinsten Nebenrollen – dabei haben die vier Hauptakteure sicherlich am meisten zu tun, was aber nicht heißt, dass die Gastdarsteller unterfordert wären, ganz im Gegenteil.
Jake Gyllenhaal, der gekonnt den Spagat zwischen anspruchsvollem und leicht zugängigem Kino meistert, macht seine Sache wie gewohnt sehr gut, kommt allerdings erst in der zweiten Filmhälfte voll zur Geltung. Seine Besessenheit bezüglich der Zodiac-Morde wird für den Zuschauer beinahe spürbar, und zu sehen, wie er sich immer mehr zurückzieht, fest davon überzeugt, er könne den Täter entlarven, ist ebenso faszinierend, wie erschreckend.
Dahingegen gehören Mark Ruffalo und Anthony Edwards die erste Filmhälfte; beiden Akteuren kann man nur gratulieren, sie verkörpern ihre Rollen mit einer Überzeugungskraft, die mitreißt, selbst wenn die Ermittlungen auf der Leinwand sich in einer Sackgasse befinden. Auch Robert Downey Jr., der im wahren Leben ebenso große Probleme mit Alkohol und Drogen hatte, macht seine Sache außerordentlich gut; leider ist von seinem privaten Hintergrund kaum etwas zu sehen.
Brian Cox und John Carroll Lynch spielen wie gewohnt tadellos, und auch Elias Koteas macht seine Sache gut. Erfreulich ist auch, dass Donal Logue wieder etwas mehr zu tun bekommt.
Ein mutiger Schachzug der Filmemacher ist es, die Rolle des Zodiac-Mörders je nach Zeuge oder Mordfall von einem anderen Darsteller spielen zu lassen. Eine handvoll verschiedener Darsteller verkörpern die Figur, um so auch zu verdeutlichen, wie stark die Beschreibungen des Täters abweichen – und dass man sich schließlich nicht auf eine Täterfigur einigen konnte.

Etwas, worauf man als Zuschauer bei allen Filmen David Finchers gespannt sein darf, ist die visuelle Umsetzung des Stoffes. Der ehemalige Werbe- und Musikclipfilmer ist einer der wenigen, die sein Gespür für einzigartige Optik nach Hollywood retten konnten, ohne aber im Zehntelsekundentakt seine Szenen zu schneiden – wie etwa Michael Bay.
Mit Kameramann Harris Savides arbeitete Fincher bereits bei The Game - Das Geschenk seines Lebens [1997] zusammen, und auch hier zeigen sich bereits in den ersten Momenten die Qualitäten des eingespielten Duos. Unnachahmliche Perspektiven, einfallreiche Bildkompositionen, in denen jede Bewegung, jeder Einsatz von Handkamera oder Zeitlupe im Vorfeld detailliert geplant und choreographiert scheinen, hüllen bereits die ersten Momente und den Teaser des Films hervor. Dass sich auch scheinbar einfache Szenen so gekonnt umsetzen lassen, sieht man an der Szene, in der der Taxifahrer Paul Lee Stine den Tod findet; hier verfolgt die Kamera das Taxi aus der Vogelperspektive, während man als Zuschauer gespannt den tatsächlichen Radiobeiträgen aus jener Zeit lauscht.
Cutter Angus Wall, der sowohl an Panic Room [2002], als auch an Fight Club [1999] beteiligt war, tut sein Übriges, um den Zuschauer in die jeweilige Szene zu fesseln, und dem Zuschauer nur so viel zu zeigen, wie ihn interessiert hält, ehe man bei den Tötungsszenen durch die Schonungslosigkeit der Taten selbst, und der Darstellung derselben, schockiert wird.
Handwerklich gibt es an Zodiac nichts zu bemängeln, im Gegenteil: ohne auf aufdringliche Kameraartistik zu setzen, oder mit Zeitlupen die schrecklichen Momente in die Länge zu ziehen, erzählt der Filmemacher seine Geschichte mit wohl durchdachten Bildern, die sich ebenso gut in den Kontext jener Epoche einfügen, wie untereinander.

Es überrascht ein wenig, weswegen David Fincher bei der musikalischen Untermalung nicht erneut auf Howard Shore setzte, mit dem er unter anderem Sieben [1995] realisierte, und der für Der Herr der Ringe [2001-2003] mehrfach ausgezeichnet wurde.
Stattdessen klingen die Melodien aus der Feder von David Shire aus den Lautsprechern, der seinen Score aber so unaufdringlich hält, dass man ihn überhaupt nicht wahrnimmt. Die gesungenen Songs tragen ohne Zweifel zum authentischen Ambiente des Films bei und wirken auch nie aufgesetzt, aber auch wenn Shires Kompositionen in dem Sinne gelungen sind, eine etwas markantere Musik, die im Gedächtnis haften bleibt, wäre sicher wünschenswert gewesen.
Nichtsdestotrotz ist der Soundtrack nicht schlecht, immerhin unterstützen die düsteren Klänge gekonnt die Szenen im Film. Mit nicht einmal 40 Minuten Spielzeit ist der erschienene Score allerdings hoffnungslos überteuert.

Die Darsteller sind es, die letztlich den Zuschauer an die Charaktere binden, und es ist den außergewöhnlichen Leistungen sämtlicher Beteiligter zu verdanken, dass den Film eine Glaubhaftigkeit umgibt, wie man sie selten gesehen hat.
So, wie die Ermittlungen selbst, scheint aber auch die Erzählung von Regisseur Fincher mitunter festzusitzen. Auch wenn das Schicksal der Figuren weiterhin interessant bleibt, fehlt dem Film als Krimi oder Thriller doch das Quäntchen durchgehender Dramaturgie, und auch wenn keine Szene wirklich überflüssig ist, scheint Zodiac mit über zweieinhalb Stunden deutlich zu lang geraten. Dass der Regisseur dabei viel Material auf dem Boden des Schneideraums zurücklassen musste, weswegen er sich einmal mehr mit dem Studio verkrachte, verwundert nicht, immerhin umspannt die Geschichte vier Jahrzehnte – gemessen daran sind 158 Minuten geradezu flüchtig.


Fazit:
Künstlerisch anspruchsvoll und mit einem kaum vorstellbaren Faible fürs Detail setzt David Fincher die Erzählung der Zodiac-Morde in Szene, portraitiert die Ermittlungen mit allen Pannen und Ungereimtheiten, mit denen die Behörden damals zu kämpfen hatten und paralysiert angesichts der Authentizität dabei heute so, wie es vor mehr als dreißig Jahren in San Francisco und Umgebung gewesen sein muss.
Was storybedingt dabei eher gemächlich ausfällt, ist das Erzähltempo, das den Zuschauer durch die ständigen Szenenwechsel und die zahlreichen Schauplätze zwar zur Aufmerksamkeit ermahnt, gleichzeitig aber abgesehen von den Morden selbst, an Zugkraft vermissen lässt. Einzig im letzten Drittel, wenn sich die Ermittlungen zuspitzen und die Verdächtigen eingegrenzt werden, nimmt Fincher die Spannungszügel in die Hand. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg und wem die zahlreichen, herausragenden Charakterzeichnungen nicht genügen, der wird sich vermutlich daran stören, dass der Film – wie auch der Fall selbst – letztlich keinen Abschluss bietet. So hinterlässt Zodiac ein ungutes Gefühl in der Magengrube, was die Macher ohne Zweifel beabsichtigt hatten.
Akribisch, aber nur selten schweißtreibend spannend umgesetzt, ist der Film die genaue Rekonstruktion des chronologischen Romans. Dank toller Darstellerleistungen überzeugen auch die Figuren, wenn die Geschichte scheinbar ins Stocken geraten ist.