Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels [1985]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Juni 2023
Genre: Krimi

Originaltitel: Young Sherlock Holmes
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1985
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Barry Levinson
Musik: Bruce Broughton
Besetzung: Nicholas Rowe, Alan Cox, Sophie Ward, Anthony Higgins, Susan Fleetwood, Freddie Jones, Nigel Stock, Roger Ashton-Griffiths, Earl Rhodes, Brian Oulton, Patrick Newell, Donald Eccles, Nadim Sawalha, Roger Brierley, Vivienne Chandler, Walter Sparrow, John Scott Martin, Willoughby Goddard


Kurzinhalt:

Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein junger John Watson (Alan Cox) wird von seiner ländlichen Schule an die Brompton Academy in London versetzt. Dort trifft er auf den etwas seltsamen, aber mit einem brillanten Verstand gesegneten Sherlock Holmes (Nicholas Rowe), der sich sofort mit ihm anfreundet. An der Schule ist Holmes durch seine herausragenden Leistungen sehr angesehen. Sein Dozent Rathe (Anthony Higgins) schätzt seine Fechtkunst, im ehemaligen Lehrer Rupert Waxflatter (Nigel Stock) findet Holmes einen Mentor. Dessen Nichte Elizabeth (Sophie Ward) lebt bei Waxflatter und ist ebenso in Holmes verliebt, wie er in sie. Doch dann wird Sherlock auf eine Reihe seltsamer Todesfälle aufmerksam, deren Opfer Waxflatter allesamt bekannt waren. Doch von Holmes’ Vermutung, dass es eine Verbindung geben muss, will Polizist Lestrade (Roger Ashton-Griffiths) nichts wissen. Als Holmes hereingelegt und der Schule verwiesen wird, ist er umso mehr überzeugt, dass er etwas Größerem auf der Spur ist. Zusammen mit Elizabeths und Watsons Hilfe muss er die Verantwortlichen aufhalten, ehe weitere Morde begangen werden …


Kritik:
Sir Arthur Conan Doyles Romanfigur Sherlock Holmes ermittelte seit ihrer Premiere im Jahr 1886 in lediglich vier Romanen und 56 offiziellen Kurzgeschichten. Dennoch ist der analytische, britische Privatdetektiv, dessen Schlussfolgerungen zu seinem Markenzeichen gehören, nicht nur weltbekannt. Er wurde zigfach interpretiert, manchmal überaus, mitunter weniger erfolgreich. Aber auch wenn Barry Levinsons Kriminalabenteuer Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels nicht auf Werken Doyles beruht und nicht zum offiziellen Kanon des meisterhaften Ermittlers gehört, kaum eine Verfilmung fängt den Charme und das Flair jener Zeit besser ein.

Die Geschichte wird, wie die späteren ebenfalls, erzählt durch Holmes’ Assistenten und Chronisten John Watson. Der wechselt als Jugendlicher in der Mitte des 19. Jahrhunderts an eine Knabenschule in London, wo er auf den beinahe gleichaltrigen Sherlock Holmes trifft. Während Watson als der „neue Schüler“ von den übrigen ausgegrenzt wird, nimmt Holmes ihn als Gefährten an. Holmes, selbst ein brillanter Schüler, zeichnet sich durch sein analytisches Denken aus, seine Konzentrationsfähigkeit und seine Neugier. Die Charakteristika des künftigen Meisterdetektivs zu erkennen, fällt nicht schwer, selbst wenn er weniger arrogant und sozial isoliert erscheint. Das liegt auch an der Waise Elizabeth, die bei ihrem Onkel aufwächst, einem ehemaligen Dozenten. Sie und Holmes sind ineinander verliebt, aber noch kein wirkliches Paar. Doch dann fallen Holmes mehrere mysteriöse Todesfälle auf und Elizabeths Onkel scheint mit den Männern in Verbindung zu stehen, die diese tödlichen Zwischenfälle erleiden. Die Vermutungen des jungen Holmes prallen bei dem aufstrebenden Polizisten Lestrade auf taube Ohren und so müssen er und Watson selbst ermitteln.

Das klingt im Grunde wie eine ganz normale Kriminalgeschichte und tatsächlich könnte Das Geheimnis des verborgenen Tempels hinsichtlich der Story selbst ebenso gut aus Conan Doyles Fundus stammen. Der hat zwar das erste Aufeinandertreffen zwischen Holmes und Watson in deren Erwachsenenalter verortet, doch sind sich die Verantwortlichen der sensiblen Thematik in Anbetracht der großen Fangemeinde wohl bewusst. Sowohl eingangs als auch beim Abspann erläutern Texttafeln die genommenen künstlerischen Freiheiten und klingen dabei fast wie eine Entschuldigung. Die wäre jedoch nicht nötig. Young Sherlock Holmes, wie der Jugendkrimi inzwischen betitelt wird, erzählt mehr als eine gelungene Kriminalgeschichte. Filmemacher Barry Levinson würzt diese, was die Stimmung anbelangt, mit Elementen, die Indiana Jones und der Tempel des Todes [1984] zu entspringen scheinen. Hinzu kommt ein spürbar actionreiches Finale, das das Zielpublikum fesseln sollte, ohne jedoch von den Gepflogenheiten jener Zeit abzuweichen.

Im Verlauf ihrer Ermittlungen stoßen Holmes und Watson auf einen ägyptischen Geheimbund, Morde an jungen Frauen und eine Pyramide mitten in London. Was beinahe wahllos klingt, verwebt Drehbuchautor Chris Columbus, der unter anderem für Kevin allein zu Haus [1990], Mrs. Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen [1993] sowie Harry Potter und der Stein der Weisen [2001] verantwortlich zeichnet, zu einem stimmigen Gesamtbild, das nicht nur der Atmosphäre des viktorianischen Englands, sondern auch den Figuren selbst durchweg treu bleibt. Wie in solchen Ursprungsgeschichten üblich, werden sie mit ihren Markenzeichen ausgestattet (im Falle von Holmes seine Pfeife und die Kleidung) und auch ihre späteren Verhaltensweisen finden sich hier wieder. Doch erweitert das Drehbuch die Charaktere auf gelungene Weise oder lässt durchscheinen, dass dies noch nicht diejenigen Personen sind, die man später kennenlernt. Wird Holmes selbst vorgestellt als jemand, der nie allein sein möchte, scheint dies in Anbetracht seiner späteren Isolation geradezu tragisch und auch Watson hat noch einen weiten Weg vor sich.

So gelungen diese Aspekte, so absehbar ist, wer hier im Hintergrund die Fäden spinnt, selbst wenn das „Warum“ lange im Dunkeln gehalten wird. Manche der Szenen, in denen die Opfer der Angriffe Halluzinationen erleiden, sind überaus beeindruckend – der gläserne Ritter war nicht nur eine Premiere, sondern sieht erstklassig aus und die Trickeffekte sind Oscar nominiert –, andere jedoch erinnern ein wenig an Gremlins - Kleine Monster [1984]. Hier trifft der Film nicht durchweg einen stimmigen Ton, was dem Charme insgesamt jedoch nicht schadet. Den verdankt Das Geheimnis des verborgenen Tempels einerseits einer durchweg fabelhaften Inszenierung, die in den richtigen Momenten mit Licht und Schatten arbeitet, die Charaktere ins Zentrum rückt, oder das London jener Zeit heraufbeschwört. Andererseits jedoch auch der Besetzung, die von Nicholas Rowe solide angeführt wird. Seine unterkühlte, etwas distanzierte Erscheinung passt tadellos zur Figur Sherlock Holmes, während Alan Cox die Tugenden des späteren Assistenten heraufbeschwört. Hervorzuheben ist auch Anthony Higgins als Holmes’ Dozent Rathe, selbst wenn sein Auftritt ein erfahrenes Publikum schnell zu bestimmten Schlussfolgerungen führen wird.

Lange Zeit nur in TV-Ausstrahlungen oder auf DVD erhältlich, ist Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels kürzlich bei Paramount Pictures Home Entertainment erstmals auf Blu-ray erschienen. Die Disc selbst weist bedauerlicherweise kein Bonusmaterial auf (das Case selbst bietet immerhin ein Wendecover ohne FSK-Logo) und lediglich die englische Tonspur liegt in Dolby TrueHD 5.1 Surround vor. Die deutsche Sprachspur ist in Dolby Digital 2.0 Surround enthalten, bei welcher der Soundtrack etwas laut eingespielt erscheint. Die Bildqualität hingegen ist so erfreulich wie erstaunlich gut geraten. Das inzwischen beinahe 40 Jahre alte Bildmaterial wird laufruhig und mit einer natürlichen Farbgebung präsentiert. Fehler und Artefakte sucht mach vergebens und gerade die dunklen Szenen profitieren von einer erfreulichen Tiefe und Plastizität. Dies ist zweifellos die beste Fassung, die Fans des Films im Heimvideobereich je zur Verfügung stand und man kann nur hoffen, dass nicht nur diejenigen, die mit den Abenteuern des jungen Sherlock Holmes Jugenderinnerungen verbinden, sondern auch ein neues Publikum sich auf diesen ersten Fall des Gespanns Holmes/Watson einlässt. Es ist trotz weniger Schwächen eine kleine Jugendkrimiperle aus den 1980er-Jahren.


Fazit:
Anstatt lediglich zu fragen, was wäre, wenn sich Sherlock Holmes und John Watson bereits als Jugendliche das erste Mal getroffen hätten und wie hätte ihr erstes gemeinsames Kriminalabenteuer wohl ausgesehen, widmet sich Filmemacher Barry Levinson auch den Figuren selbst, die hier über das Bekannte hinaus definiert werden. Das Drehbuch gewährt einen kleinen Einblick in Holmes’ Kindheit und erläutert, wie aus ihm ein so distanzierter, in sich gekehrter Mann wurde, der die Menschen emotional nicht an sich heranlässt. Gleichzeitig zeigt es seine deduktiven Fähigkeiten, seinen analytischen Verstand und präsentiert einen Kriminalfall, bei dem es sich lohnt, mitzurätseln. Die vielen Anleihen an die etablierten Figuren von Conan Doyle oder bekannte Werke des Produzenten Steven Spielberg runden das Filmerlebnis für Fans hier ab und machen einerseits deutlich, wie wichtig den Verantwortlichen ein respektvoller Umgang mit den Charakteren ist, sowie, dass sie sich mit ihnen und der Story eingehend beschäftigt haben. Was die Geschichte anbelangt, mag es hier Schwächen geben und im Mittelteil hat die Spannung ein wenig das Nachsehen. Dennoch ist Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels ein tadellos präsentierter, gut gespielter und mit einer fantastischen Atmosphäre versehener Krimi, der sich für ein jugendliches wie erwachsenes Publikum gleichermaßen eignet. Das Flair ist toll getroffen, die Figuren ebenso – und nicht erst bei der Szene nach dem Abspann möchte man sagen, „das Spiel hat begonnen!“.



Die Blu-ray-Disc-Veröffentlichung von Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels

Wertung der Disc: 4.5 von 6 Punkten

Features der Blu-ray
Tonspuren Deutsch 2.0 Dolby Digital, Englisch 5.1 Dolby TrueHD, Spanisch (Spanien) 2.0 Dolby Digital, Spanisch (Lateinamerika) Mono Dolby Digital, Französisch 2.0 Dolby Digital, Italienisch 2.0 Dolby Digital, Japanisch Mono Dolby Digital
Untertitel Englisch, Englisch für Hörgeschädigte, Deutsch, Spanisch (Spanien sowie Lateinamerika), Französisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Niederländisch, Norwegisch, Portugiesisch (Brasilien), Finnisch, Schwedisch
Extras keine

Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels-Packshot Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels
ist seit 1. Juni 2023 erstmals als
Blu-ray sowie zum Download
von Paramount Home Entertainment erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
Paramount Home Entertainment / Paramount Pictures.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.