X‑Men: Dark Phoenix [2019]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. Februar 2020
Genre: Fantasy / Action / Thriller

Originaltitel: Dark Phoenix
Laufzeit: 113 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Simon Kinberg
Musik: Hans Zimmer
Besetzung: James McAvoy, Sophie Turner, Nicholas Hoult, Jennifer Lawrence, Tye Sheridan, Michael Fassbender, Alexandra Shipp, Jessica Chastain, Evan Peters, Kodi Smit-McPhee, Scott Shepherd, Ato Essandoh


Kurzinhalt:

Als sie erst acht Jahre alt war, nahm Professor Charles Xavier (James McAvoy) die über unvorstellbare Kräfte verfügende Mutanten Jean Grey (Sophie Turner) bei seiner Schule für begabte Kinder auf. Durch Xaviers Einfluss und ihr Training, kann Jean ihre Fähigkeiten gut beherrschen. Bis sie zusammen mit den übrigen X‑Men Hank McCoy (Nicholas Hoult), Raven (Jennifer Lawrence), Storm (Alexandra Shipp), Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee) und Jeans Freund Scott Summers (Tye Sheridan) zu einem Einsatz aufbricht, der sie auf ein Space Shuttle im Orbit führt. Dort kommt Jean mit einer kosmischen Macht in Berührung, die ungeahnte Fähigkeiten in ihr entfesselt. Zurück auf der Erde werden die Spannungen zwischen Charles und den X‑Men nicht nur immer größer, Jean spürt, dass er sie damals darum belogen hat, was mit ihren Eltern geschehen ist. So reißt Jean aus und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Auf der Suche nach ihr, treffen Charles und Magneto (Michael Fassbender) erneut auf unterschiedlichen Seiten aufeinander – und mit dem Wesen Vuk (Jessica Chastain) ist eine Kraft hinter Jeans Stärke her, die nicht von dieser Welt stammt …


Kritik:
Der Schlamassel, den XMen: Dark Phoenix darstellt, ist umso unbegreiflicher, wenn man bedenkt, dass Autor und Regisseur Simon Kinberg nicht nur seit X‑Men: Erste Entscheidung [2011] als Produzent der Filmreihe an Bord war, sondern auch einige Filme davon geschrieben hatte. Darunter auch den bei vielen Fans unbeliebten, aber kurzweiligen X‑Men: Der letzte Widerstand [2006], der die Story um Jean Grey als „Dark Phoenix“ bereits erzählt hat – mit Famke Janssen in der Rolle. Dass das Publikum Kinbergs Spielfilmregiedebüt Dark Phoenix gemieden hat, mag auch daran liegen, dass dieser halbgare Reboot der Superhelden-Reihe weder im Kontext mit den übrigen Filmen, noch für sich genommen großen Sinn ergibt.

Nach XMen: Apocalypse [2016] entschloss das produzierende Studio, dass es Zeit wäre die Reihe neu zu beleben und dafür mit der Geschichte der Figuren, wie man sie bereits seit dem ursprünglichen XMen [2000] kannte, gebrochen werden müsse. Selbst wenn der Großteil der Geschichte hier im Jahr 1992 spielt und damit vor den Ereignissen des Mutanten-Films, der vor nunmehr 20 Jahren die Reihe überhaupt erst begonnen hat, verhalten sich die Figuren darum weder so, wie man es erwarten würde, noch sind am Ende dieses Teils alle Figuren noch am Leben, die es in den nachfolgenden Ereignissen geben müsste. Wen das verwirrt, sei beruhigt, dies geht vielen Menschen im Publikum so. Die Geschichte selbst dreht sich, wie der Titel bereits verrät, um die selbst für Mutanten unvorstellbar begabte Jean Grey, deren Kraft auch den Leiter der Begabtenschule, Charles Xavier, in den Schatten stellt. Nur mit seiner Hilfe hatte sie das unbändige Potential kontrollieren können, selbst wenn beim Finale von Apocalypse bereits Andeutungen ihrer Gestalt als Phoenix zu sehen sind. Doch als sie bei einem Einsatz der inzwischen von den Menschen akzeptierten X‑Men mit einem außerirdischen Wesen in Verbindung kommt, wird Jeans Potential entfesselt.

Das führt bereits im ersten Drittel nicht nur zu Verwerfungen mit Xavier und ihren übrigen Mitstreitern und Mitstreiterinnen, sondern auch dazu, dass weitere Außerirdische auf die Erde kommen, um das Wesen, das sich mit Jean verschmolzen hat, zu finden. Klingt abstrus und ergibt im Verlauf der Geschichte auch keinen großen Sinn. Parallel erzählt Kinberg die Geschichte, wie die X‑Men selbst zerbrechen … an niemand anderem als Charles Xavier und seinem Geltungsbedürfnis. Der ist hier von der uneigennützigen Besonnenheit und dem beruhigenden Charisma eines Patrick Stewart in X‑Men meilenweit entfernt ist. Obwohl er erneut von James McAvoy gespielt wird, erkennt man auch dessen Charakteristika der vorigen Filme nicht wieder. Dark Phoenix ist so verkrampft darum bemüht, Konflikte zwischen den etablierten Figuren zu erzeugen, dass das Drehbuch nicht davor zurückschreckt, sie nicht nach vorn, sondern zurück und entgegen ihrer Natur zu entwickeln. Gleichzeitig sollen aber alle bekannten Mutanten wieder mit an Bord sein, darunter auch der von Michael Fassbender gespielte, verjüngte Magneto.

Filmemacher Simon Kinberg wird zitiert, dass, hätte er vier Stunden Zeit, die Geschichte zu erzählen, Jean Greys Story an sich auf zwei Filme hätte aufgeteilt werden sollen. Das scheint schon aus dem Grund absurd, da sich die zwei Stunden hier anfühlen, als wären sie dreimal so lang. Erinnert man sich an Famke Janssens, ebenfalls von Kinberg geschriebenen Storybogen um Dark Phoenix zurück, wehrte sie sich gegen diese Verwandlung und schien dann doch wie entfesselt. Hier mag Sophie Turner in der Titelrolle zwar zusammengekauert auf dem Boden sitzen und was sie sich fragt laut aussprechen, damit das Publikum sich keine eigenen Gedanken machen muss. Doch man sieht ihr diese Zerrissenheit angesichts ihrer Kraft und Stärke nie an. Dies wird auch dann nicht verständlicher, wenn in Form einer vollkommen verschenkten Jessica Chastain eine Bösewichtin eingeführt wird, deren namenlose Schergen beim Finale zuhauf auf die Helden einstürmen, ohne Nennenswertes zu erreichen. Die gesamte Nebenhandlung um Außerirdische, die als Menschen getarnt finstere Pläne verfolgen, scheint so wenig zum Rest zu passen, dass man nur den Kopf schütteln kann.
Das gilt am Ende auch für den Film ingesamt, dem es nie gelingt, greifbare Figuren zu erschaffen, oder eine mitreißende Geschichte zu erzählen. Wenn überhaupt, sollte er Skeptiker von Der letzte Widerstand belehren, dass dies ein besserer Film war, als ihm gemeinhin zugestanden wird.


Fazit:
Wenn sich selbst Hans Zimmers Musik, die nicht zuletzt bei Superhelden-Filmen oftmals exzessiv bombastisch ausfällt, nur auf vor sich hinbrodelnde Themen beschränkt, die kaum wirklich zum Zug kommen, verdeutlicht das, dass Filmemacher Simon Kinberg eine bestenfalls ungünstige Herangehensweise wählt. Dass der Film sehr dunkel gehalten ist, macht die unbeholfen und wenig dynamisch inszenierten Actionmomente nicht mitreißender. Figuren, die bislang durch ihre Integrität und ihre Überzeugung das Herzstück der Reihe waren, hier als Egoisten zu porträtieren, um Konflikte zu schüren, sorgt nicht nur für Verwunderung, sondern dafür, dass sich das Publikum nicht mehr auskennt. Hinzu kommen Entscheidungen, die kommende Ereignisse der Filmreihe ad absurdum führen. XMen: Dark Phoenix ist ein Film, der weder seinen Platz innerhalb dieser Reihe kennt, noch willens scheint, eine neue zu beginnen. Das Ergebnis ist ein so dröger und trister Comic-Film, dass man sich kaum vorstellen mag, ob die ursprünglich von Kinberg angedachte Version, die für den letztlichen Film auch im letzten Akt stark verändert wurde, besser gewesen wäre. Hier jedenfalls, steigt nichts und niemand wie Phönix aus der Asche.