Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen [2005]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 07. Januar 2006
Genre: Animation / KomödieOriginaltitel: Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit
Laufzeit: 85 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Steve Box, Nick Park
Musik: Julian Nott
Originalstimmen: Peter Sallis, Ralph Fiennes, Helena Bonham Carter, Peter Kay, Nicholas Smith, Liz Smith, John Thomson, Mark Gatiss, Vincent Ebrahim, Geraldine McEwan, Edward Kelsey
Kurzinhalt:
In wenigen Tagen ist es soweit, der jährliche Riesengemüse-Wettbewerb wird ausgetragen, eine Tradition, die von Lady Tottingtons (Helena Bonham Carter) Familie ins Leben gerufen und durch sie weitergeführt wird. Doch scheint das ansässige Ungeziefer entschlossen, den Bewohnern das Gemüse aus dem Garten zu klauen, ehe der Wettbewerb stattfinden kann – nur gut, dass der Erfinder Wallace (Peter Sallis) und sein treuer Hund Gromit mit "Anti-Pesto" eine Firma gegründet haben, die sich auf humane Weise um die gemüsefressenden Kaninchen kümmert.
So sollen sie auch die Kaninchenplage von Lady Tottington in den Griff bekommen, obgleich ihr offenherziger Verehrer Victor Quartermaine (Ralph Fiennes) die Situation lieber mit der Schrotflinte lösen würde. Der sieht in Wallace außerdem einen ernsthaften Rivalen und sieht seine Möglichkeit, sich Tottingtons Herz ein für allemal zu sichern gekommen, als ein schreckliches Riesenkaninchen die Gärten der Anwohner heimsucht.
Wallace und Gromit scheinen dabei nicht in der Lage, der Situation Herr zu werden – auch wenn sie mit ihr weit stärker verbunden sind, als sie zunächst dachten ...
Kritik:
Ansich war es für die 250 am Dreh beteiligten Personen der Wallace & Gromit-Crew ein Grund, zu Feiern, als der Film (nach einigen Vorführungen bei Festivals und einem großen internationalen Start in der ersten Oktoberwoche 2005) mit durchgehend ausgezeichneten Kritiken das Publikum begeisterte – doch am 10. Oktober traf die Knetschmiede Aardman Animations, die neben den Figuren Wallace und Gromit den Film Chicken Run - Hennen rennen [2000] und zuvor bereits zahlreiche Kurzfilme, Werbeclips, Musikvideos (darunter Peter Gabriels "Sledgehammer" und "Viva Forever" der Spice Girls) gemacht hatten, ein schwerer Schlag. Die meisten Figuren und Kulissen der Firma, die in seit ihrer Gründung 1972 in einem Lagerhaus aufbewahrt wurden, wurden bei einem Brand vollkommen zerstört – lediglich die Originalfiguren von Wallace und Gromit (die mit ihrem ersten halbstündigen Abenteuer Wallace & Gromit - Alles Käse [1989] die Karriere von Aardman Animations weltweit ins Rollen brachten), sowie Kulissen von Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen befanden sich in jenem Moment auf Ausstellungen und wurden von der Brandkatastrophe verschont. Die Arbeit von Jahrzehnten, die die Künstler in jenem Lagerhaus aufbewahrten, ist jedoch unwiederbringlich verloren.
Da ist es nur ein kleiner Trost, dass ihnen mit dem ersten abendfüllenden Spielfilm ihrer inzwischen zu Firmenikonen erhobenen Hauptfiguren ein wirklich außergewöhnliches Abenteuer gelungen ist, das nicht nur durch eine beeindruckende Technik verblüfft, sondern tatsächlich mit einer leichtfüßigen Geschichte Unterhaltung für die ganze Familie bietet.
Das schwächste Element des Films, insofern man dies überhaupt so nennen möchte, ist die Vorlage, verfasst von Ko-Regisseur Steve Box, sowie Bob Baker und Mark Burton, die jeweils an vorherigen Kurzfilmen der Hauptfiguren, beziehungsweise dem ersten abendfüllenden Spielfilm der Aardman Animations, Chicken Run, beteiligt waren.
Für Kenner des Erfinderduos war ansich schon bei den Kurzfilmen klar, dass der wahre Held der Geschichte nie ein Wort sagen darf, und letztlich auch nicht die Anerkennung bekommt, die er verdient – sein eher trotteliges Herrchen sorgte dabei zwar durchgehend für Lacher, konnte mit seiner Schwerfälligkeit bisweilen aber auch auf die Nerven gehen.
Diese Problematik hatten die Autoren wohl auch erkannt und darum eine Geschichte erdacht, die Wallace grundsätzlich und in anderer Art und Weise einbindet. Was ihnen dabei gelingt, ist insbesondere in der ersten Hälfte ein Gag-Feuerwerk, bei dem man mitunter kaum zum Luftholen kommt, und das immer wieder für Lachtränen sorgt. Subtile Witze wie passende gesungene Musik im Hintergrund wechseln sich dabei mit offensichtlichen Scherzen ab, so dass erwachsene Zuschauer bisweilen über andere Dinge lachen können, als die jungen Kinobesucher – doch ist die Katze (in diesem Fall das Riesenkaninchen) erst einmal aus dem Sack, wandelt sich das Geschehen ein wenig und erinnert mitunter an die bekannten Geschichten um die knuffigen Hauptcharaktere. So lässt auch die Häufigkeit der Scherze nach, die erst während des Finales erneut zum Zuge kommen.
Dies mag man als Zuseher schon aus dem Grund gern verzeihen, weil die Figuren und die Sets nachwievor begeistern und Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenenkaninchen nie langweilig wird, was aber etwas trotz der familiengerechten Geschichte enttäuscht ist das Ausbleiben einer richtigen Aussage des Films (sowie handfester Überraschungen), was Chicken Run von der brillianten Ausgangslage grundsätzlich von diesem Film abhebt. Die Parodien auf die Monsterfilme sind in Wallace & Gromit wirklich gut gelungen, nur dienen sie lediglich dem Zweck, zu unterhalten, ohne aber eine Botschaft zu vermitteln.
Denkt man an die wirklich herausragenden Szenen in Chicken Run, die auch in Bezug auf die Figuren und ihren Hintergrund überzeugen konnte, vermisst man hier eine weitere Erforschung von Wallace oder Gromit, die nicht aus ihren bekannten Bahnen ausbrechen dürfen – ein wenig mehr Einfallsreichtum oder Innovation gerade in Bezug auf die Hauptcharaktere hätte man sich für das erste Leinwandabenteuer der Kultfiguren durchaus gewünscht.
Dass Aardman Animations auf die Bitte des produzierenden Studios DreamWorks SKG nicht einging, den etablierten Sprecher von Wallace, Peter Sallis, durch einen bekannteren Akteur zu ersetzen, ist ein Segen für die Produktion – Sallis leistet, wie die übrige Besetzung sehr gut Arbeit, wenn es darum geht, die Plastilinfigur zum Leben zu erwecken.
Einen hervorragenden Eindruck hinterlässt der Brite Ralph Fiennes, der als Victor Quartermaine, der mit seiner ausgeprägten Darbietung auch die routinierte Helena Bonham Carter übertrumpft.
Von den übrigen Sprechern fällt Nicholas Smith als Pater Hedges auf, der seine Sache ebenfalls sehr gut macht.
Es ist der gesamten Besetzung zu verdanken, dass Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen nicht nur überzeugend und natürlich erscheint, sondern trotz der witzigen, stellenweise überdrehten Geschichte nicht zu ulkig gerät. Den ausgeprägten Dialekten beizuwohnen ist ein Vergnügen und macht die Originalversion des Films zu einem Genuss für Fans.
Da das letzte Abenteuer von Wallace und Gromit, Wallace & Gromit unter Schafen [1995], immerhin schon einige Jahre zurücklag, entschlossen sich die Aardman Künstler, ein Aufwärmtraining für ihre Animateure zu entwickeln: Zusammengefasst als Wallace & Gromit's Cracking Contraptions [2002] sind zehn Kurzfilme veröffentlicht worden, die den Künstlern helfen sollten, die Animationen der Figuren in Fleisch und Blut übergehen zu lassen.
Für die Produktion selbst mussten schließlich über zwei Tonnen Plastilin verarbeitet werden, die Hintergründe der 30 Miniatursets waren alle handbemalt und um die verschiedenen Gefühlsregungen der Figuren zum Ausdruck zu bringen, mussten von jedem Charakter mehrere Figuren angefertigt werden – so gab es über 40 Versionen vom Gromit, über 30 von Wallace, und jeweils über ein Dutzend von Victor Quartermaine oder Lady Tottington. Um Nebelschwaden oder fliegende Kaninchen umzusetzen, musste verständlicherweise auf Computertechnik ausgewichen werden, wofür eine spezielle Software geschrieben wurde, die auch kleine Makel an den Figuren, sowie die Fingerabdrücke der Animateure simulieren konnte.
So gelingt es den Machern, mehr noch als in Chicken Run mit butterweichen Animationen zu überzeugen, dabei aber dennoch halsbrecherische Kamerafahrten und verspielte Perspektiven auszuwählen, und in den großen Sets wahren die Künstler eine Detailtreue, die kaum in Worte zu fassen ist. So darf man sich als Zuschauer von stellenweise photorealistischen Eindrücken überwältigen lassen, die dennoch in einer warmen, charmanten Umgebung eingefangen wurden, mit denen den Künstlern der Aardman Animations so knuffige Figuren gelingen, wie man es vom ansich eher sterilen Plastilin kaum erwarten würde.
Und spätestens, wenn sich Dutzende Kaninchen in scheinbarer Schwerelosigkeit gegenseitig umkreisen, sind auch die letzten Zweifel wie verflogen und dank der liebenswerten Umsetzung nimmt man die Charaktere in Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen nicht weniger real wahr, als bei einem normalen Animations- oder Zeichentrickfilm. Mit welch scheinbarer Leichtigkeit die Künstler um die Regisseure Nick Park und Steve Box jene Magie versprühen, den leblosen Charakteren Charme und Witz einzuhauchen, ist nicht nur atemberaubend, sondern auch dafür verantwortlich, dass der Film durchweg (neben der exzellenten Optik) auch eine überzeugende und durchgehende Atmosphäre besitzt, in der man sich nicht nur gern verliert, sondern die so natürlich erscheint, wie sie auch lange Zeit vermisst wurde.
Sein Übriges zur gelungenen Stimmung des Films, die trotz der vielen ulkigen Szenen doch nie zu albern gerät und an zahlreiche Filmklassiker erinnert, steuert Komponist Julian Nott bei, der früher bereist für die Vertonung der Abenteuer des Erfinderduos verantwortlich war, und auch hier das bekannte Thema um Wallace & Gromit zum besten gibt.
Abgesehen davon gibt es einen sehr verspielten, vielseitigen und leichten Score zu hören, der immer exzellent zu den Szenen passt (man denke an den ersten Einsatz des "Bun-Vac" oder generell den ersten Auftritt der gemüsevernichtenden Kaninchen), erstaunlich voluminös klingt und viele eingängige Themen bietet, ohne aber auf das Flair der Hauptfiguren zu verzichten.
Nott gelingt ein sehr einfallsreicher Soundtrack, der sich für Fans auch sehr gut zum Hören ohne den Film eignet, aber in Kombination mit den Bildern erst seine volle Wirkung entfaltet.
Es ist ein regelrechtes Fest für die Sinne, wenn man mit ansieht, was die Künstler in jahrelanger Arbeit hier zustande gebracht haben – einmal mehr gelingt es den Animateuren der Aardman Animations, vermeintlich leblosen Figuren durch eine warmherzige Geschichte und durchweg exzellente Animationen Leben und Charisma einzuhauchen.
Auf Grund der niedlichen Kaninchen, der harmlosen und stets witzigen Story, sowie der großartigen Gags ist das für alle Altersgruppen geeignet und beweist eindrucksvoll, dass der klassische Animationsfilm auch in Zeiten von Findet Nemo [2003] und Shrek – Der tollkühne Held [2001] noch lange nicht zur alten Knetmasse gehört. Zwar hätte man sich in Bezug auf die epische Story etwas Größeres für die Flag-Figuren der Aardman Animations gewünscht, doch fühlt man sich als Kenner der beiden Erfinder ebenso in der Welt von Wallace & Gromit heimelig, wie als Zuschauer ohne Vorkenntnisse.
Wer sich dieses herrlich leichte und durchweg unterhaltsame Abenteuer entgehen lässt, ist selbst schuld.
Fazit:
Spätestens, wenn man bei den zahlreichen Großaufnahmen der knuffigen Figuren die Fingerabdrücke der Künstler sieht, welche die Knetmännchen von Hand animiert haben, wird deutlich, welch ungeheurer Aufwand hinter der Produktion steckt. Knapp drei Sekunden brauchbaren Materials schaffte das Team pro Tag – das resultiert bei einem 80 Minuten langen Film in 1600 Drehtagen, oder beinahe viereinhalb Jahre harte Arbeit mit einer Liebe zum Detail, die mitunter schon verschwenderisch anmutet.
Und doch bestätigen sich die Vorahnungen all jener Kenner der Abenteuer von Wallace & Gromit, die befürchteten, dass eine Story um die beiden liebenswerten Erfinder keinen vollständigen Film tragen würde – die Geschichte von Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen ist, zugegebenermaßen, eher dürftig und auch bei weitem nicht so überraschungsreich, wie man vermuten würde. Auffällig ist trotz der vielen gelungen, teils gut versteckten, teils exzellent herausgearbeiteten Gags aber, dass der Film im Gegensatz zu Chicken Run keine richtige Aussage besitzt.
Das schmälert zwar nicht den Unterhaltungswert und mindert auch nicht die Mühe, die die Macher sichtlich in das Projekt gesteckt haben, enttäuscht aber ein wenig insofern, als dass man den beiden größten Helden der Aardman Animations einen etwas einprägsameren Leinwandeinstand gegönnt hätte – aber vielleicht wollten sich das die Macher auch für ein weiteres Abenteuer aufbewahren? Leider wird man auch darauf mindestens fünf Jahre warten müssen, eine Wartezeit, die sich (wie man an Nick Parks Regiearbeit sehen kann) aber in jedem Fall lohnt.