Unternehmen Capricorn [1978]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Februar 2006
Genre: Thriller / Science Fiction

Originaltitel: Capricorn One
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 1978
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Peter Hyams
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Elliott Gould, James Brolin, Brenda Vaccaro, Sam Waterston, O.J. Simpson, Hal Holbrook, Karen Black, Telly Savalas, David Huddleston, David Doyle, Lee Bryant, Denise Nicholas, Robert Walden


Kurzinhalt:
Nachdem das Interesse der Öffentlichkeit am Raumfahrtprogramm nach den ersten Mondlandungen radikal nachgelassen hat, erhofft sich die NASA vom anstehenden bemannten Flug zum Mars inklusive Landung sehr viel. Insofern ist die Verwunderung der drei Astronauten Charles Brubaker (James Brolin), Peter Willis (Sam Waterston) und John Walker (O.J. Simpson) dementsprechend groß, als sie Minuten vor aus der Kapsel geholt werden und die Rakete ohne sie zum Mars startet.
Der Mission Control-Leiter Dr. James Kelloway (Hal Holbrook) erklärt ihnen, dass ein Fehler der Raumfähre dazu geführt hätte, dass sie alle während der Reise gestorben wären – die Blamage und den Skandal hätte dem Raumfahrtprogramm jedoch das finanzielle Genick gebrochen. Deswegen soll die Marslandung in einem Studio im Nirgendwo von Texas nachgestellt werden. Unfreiwillig beugen sich die drei Astronauten Kelloways Anweisungen, doch als Monate später die Raumfähre beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglüht, gelten die drei Astronauten offiziell als tot, und sollten sie lebend gesehen werden, würde der Betrug auffliegen.
So treten Brubaker, Willis und Walker die Flucht an, während der Reporter Robert Caulfield (Elliott Gould) von einem Bekannten bei der NASA über ungewöhnliche Messwerte während des Marsfluges unterrichtet wird. Als jener Mitarbeiter der Raumfahrtbehörde spurlos verschwindet und selbst seine Vergangenheit ausradiert scheint, ermittelt Caulfield weiter – und gerät dabei ebenso ins Fadenkreuz sehr mächtiger und entschlossener Menschen, wie die drei Astronauten, die nach wie vor um ihr Leben fürchten müssen ...


Kritik:
Mit den Worten "Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit" wurde der Astronaut Neil Armstrong am 20. Juli 1969 unsterblich. Als erster Mensch auf dem Mond verewigte er sich in den Geschichtsbüchern und lebte jenen Traum, den unzählige Menschen vor und nach ihm täglich träumen. Aber: was, wenn die Mondlandung nur gestellt war? In den 1950er Jahren schätzten die optimistischsten Forscher, dass frühestens um die Jahrtausendwende ein Mensch den Mond betreten würde. Der unerbittliche Wettkampf mit der Sowjetunion um die Hoheit in den Sternen setzte die USA unter Druck, und seit die ersten Bilder der Mondlandung zu einem Medienereignis der ganzen Welt wurden, ranken sich Stimmen, die behaupten es wäre inszeniert gewesen. Die Skeptiker führen dabei Details wie der fehlende Mondstaub auf den Landstützen der Mondfähre an, das völlige Fehlen von Sternen, obgleich diese deutlicher zu sehen sein müssten, Schatten, die angesichts der Sonnenentfernung nicht parallel genug verlaufen würden und noch zahlreiche andere "Beweise". Von Seiten der NASA gibt es keinen Kommentar zu vielen der Vorwürfe, und der Bitte, das Hubble Teleskop auf die Mondlandestelle zu richten und heute ein Bild der US-Flagge zu fotografieren, die ja bei der Mondlandung gesteckt wurde, wird strikt abgelehnt. Ganz egal, welchen der beiden Lager man Gehör schenkt, es gibt – abgesehen von den überzeugenden Fernsehbildern – keinen handfesten Beweis, dass im Sommer vor 37 Jahren ein Mensch auf der Mondoberfläche stand.
Wie ein solcher, vermeintlicher Betrug zustande kommen könnte, wie er aufgebaut und überspitzt kulminieren könnte, ist in Peter Hyams Unternehmen Capricorn so unterhaltsam wie stellenweise zynisch dargebracht. Nicht von ungefähr zählt der kontroverse Science-Fiction-Thriller zu den Klassikern des Genres, überträgt er die Theorien der Mondlandeskeptiker doch sehr anschaulich auf die erste bemannte Mars-Mission der NASA.

Überraschend ist dabei, dass Hyams die Vorlage für seinen Thriller selbst lieferte, ebenso wie er die Vorlagen zu seinen weiteren Filmen 2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen [1984] (basierend auf Arthur C. Clarkes Roman) und Narrow Margin - 12 Stunden Angst [1990] verfasste; aber während es ihm zu Beginn gelingt, den Zuschauer an die Seite der Astronauten zu versetzen, die Geschichte in einem gelungenen Monolog zusammen zu fassen und damit zu verdeutlichen, was auf dem Spiel steht, fehlt dem Skript jene Vielschichtigkeit bei manchen Charakteren erstaunlicherweise völlig. Es genügt eben nicht, aufzuzeigen, dass die drei Protagonisten Familien besitzen, um sie sympathisch zu gestalten und die Zuschauer mit ihnen mitfiebern zu lassen, vielmehr wird man als Zuseher enttäuscht, da nicht mehr über die Figuren zu erfahren ist.
Man bekommt dahingehend das Gefühl, als wären Hyams die Ideen ausgegangen, was er mit den drei Astronauten anstellen sollte, und verlagert die Geschichte daher auf den ermittlerischen Aspekt des Reporters. Bisweilen ergeben sich auch hier wirklich einfallsreiche Situationen und das ruhig aufgebaute, mit prägnanten Einstellungen gespickte Finale zeigt, dass Hyams durchaus in der Lage ist, dramaturgisch alle notwendigen Stränge zu ziehen, doch hätte man sich ein eben solches Tempo, eine solche Bedrohung auch im mittleren Drittel des Films gewünscht.
Die Ausgangslage bleibt damit provokativ und vor allem überzeugend dargebracht, die Ideen innerhalb der Geschichte überzeugen tadellos, doch während der erste und der dritte Akt von Capricorn One, so der Originaltitel des Films, kaum Wünsche offen lassen, sieht es im Mittelteil leider nicht ganz so gut aus, was sich insbesondere an den Charakteren abzeichnet, die trotz einiger einprägsamer Dialoge zu eindimensional erscheinen.

Dass das Drehbuch hier unschätzbar viel Potential ungenutzt lässt, sieht man auch daran, dass nur wenige Darsteller ihre Rollen so prägnant zu gestalten wissen, dass man ihre Figuren in Erinnerung behält. Dies gelingt Elliott Gould sehr gut, obgleich er ansich nur eine Nebenrolle bekleidet. Dank seiner natürlichen, charmanten und wortgewandten Szenen dominiert er jedoch jeden seiner Momente und man hätte sich gewünscht, dass er noch stärker eingebunden worden wäre.
Von James Brolin ist dahingehen überraschend wenig zu sehen, auch wenn er gute Arbeit leistet und im letzten Drittel des Films stärker gefordert wird. Er und Gould waren überdies beide mit Barbra Streisand verheiratet, beziehungsweise Brolin ist es noch.
Brenda Vaccaro ist zwar häufig zu sehen, bekommt vom Drehbuch her dennoch überraschend wenig zu tun, wohingegen Sam Waterston und O.J. Simpson nicht viel mehr als wortkarge Nebenfiguren mimen.
Charismatisch erscheint hingegen einmal mehr Hal Holbrook, der inzwischen hauptsächlich in Fernsehproduktionen zu sehen ist, dem hier allerdings das Kunststück gelingt, in seinem Monolog zu Beginn so prägnant wie komprimiert die gesamte Ausgangslage des Films darzubringen, ohne die Zuseher zu überfordern oder zu langweilen.
Amüsant, wenngleich etwas kurz ist auch der Auftritt von David Huddleston, dem es hier gelingt, eine stärkere Präsenz zu beweisen, als die drei Astronauten – für Fans ein Muss ist allerdings der Kurzauftritt von Telly Savalas, der im Gegensatz zu seiner Filmfigur das Fliegen hasste.
So überzeugt der Cast zwar mit bekannten Namen, von denen aber nur wenige zu glänzen verstehen, überraschenderweise können gerade die Darsteller der drei Astronauten keine Akzente setzen und bleiben damit hinter ihren Möglichkeiten zurück, die ihre Kollegen stellenweise zu nutzen in der Lage sind.

Was Hyams ab seiner Regiearbeit zu 2010 dazu bewog, selbst für die Optik seiner Filme verantwortlich zu zeichnen, ist nicht bekannt, doch zählt er damit zu einer aussterbenden Zunft in Hollywood. Tatsache ist, dass Unternehmen Capricorn trotz der inhaltlichen Finessen und der soliden Darsteller an der etwas unbeholfenen Kameraführung leidet, die selbst bei Gesprächen der drei Astronauten immer Distanz hält, so dass man kaum ihre Gesichter erkennen kann. Dadurch wirken die drei Protagonisten ungewöhnlich distanziert, wohingegen die Perspektiven beim Mission Control Center der NASA außergewöhnlich dicht erscheinen und die Figuren in Großaufnahme zu sehen sind. Ob das beabsichtigt ist, sei dahingestellt, es wirkt allerdings insofern störend, als dass man keine rechte Beziehung zu ansich tragischen Hauptfiguren aufbauen kann, wenn man nicht einmal ihre Lippen sich bewegen sieht.
Davon abgesehen überzeugen Kamera und Schnitt mit Bildern, die das WideScreen-Format merklich auskosten und den Zuseher wie die Protagonisten dahingehend gängeln, was man zu sehen bekommt. Dadurch bleibt gerade beim Finale ein unschätzbarer dramatischer Effekt erhalten, der länger in Erinnerung bleibt, als die etwas plump wirkende Zeitlupe als Schlusseinstellung des Films.
So hinterlässt die Optik des Films einen zwiespältigen Eindruck, überzeugt einerseits mit wirklich einfallsreichen Perspektiven und gut ausgewählten Bildern, wirkt andererseits stellenweise altbacken und zu sehr der Zeit entsprungen, aus der sie stammt – was jedoch nicht als Kompliment gedacht ist. Dieser Spagat zwischen 1970er-Jahre-Look und ansich klassischer Kameraführung steht Capricorn One nicht gut zu Gesicht.

Dass eine Symbiose aus zeitloser Ästhetik und zeitgemäßer Darbietung möglich ist, veranschaulicht der packende und überaus rhythmische Score von Altmeister Jerry Goldsmith, der den Film mit einem sehr instrumentalen Score unterlegt und dabei schon bei der Fanfare zu Beginn eine Dynamik erzeugt, die der Geschichte stellenweise fehlt.
Die Musik ist dabei weit harmonischer gelungen, als bei Goldsmiths Meisterwerken Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979] oder Planet der Affen [1968], und leidet (wenn man dies überhaupt so nennen möchte) am ehesten unter dem wenig filigran aufgelösten Orchester, das hier wie bei Das Omen [1976] etwas dumpf klingt. Das ändert jedoch nichts an der temporeichen und dramatischen Untermalung der Bilder, die dennoch nie stört oder aufgesetzt erscheint.
Für Fans zählt Goldsmiths Score zu Unternehmen Capricorn zu einen seiner vielen Klassiker und würde viele andere Filme noch weit mehr veredeln, als dies bei Peter Hyams' Thriller bereits der Fall ist.

Ob die Mondlandung tatsächlich so stattfand, wie man es heute aus den Geschichtsbüchern kennt, wird wohl auch in Zukunft ein Streitthema für die Überzeugten und die Skeptiker bleiben. Peter Hyams spann die Idee nur neun Jahre nach Armstrongs weltberühmten Worten auf unkonventionelle Weise weiter, nutzt die Gelegenheit allerdings nicht dazu, ausschließlich die Weltraumbehörde NASA anzuprangern, sondern verpackt in seinen intelligenten Science Fiction-Thriller zahlreiche offene Anschuldigungen. So wird ohne Zweifel der NASA zum Vorwurf gemacht, ihre Ideale zu verraten, um den Fortbestand ihrer Forschungen zu sichern, gleichzeitig richtet sich der Regisseur und Autor aber auch an die Öffentlichkeit, deren Desinteresse nach den ersten erfolgreichen Mondlandungen so rapide zunahm, dass einem der größten und gewagtesten Unterfangen der Menschheit die finanziellen Mittel ausgingen. Und zu guter letzt zeigt Capricorn One auch diejenigen Teile der US-Regierung auf, die an einem Raumfahrtprogramm nur so lange interessiert sind, wie es prestigeträchtig und erfolgreich ist.
Ohne Zweifel haftet dem Film dabei ein Flair seiner Zeit an, und inhaltlich würde man aus heutiger Sicht Vieles anders machen, dennoch bleibt die Aussage von Peter Hyams Skript unbestritten und unangetastet, bewahrt sich trotz der Thrillerelemente einen Science Fiction-Anteil und verleitet den Zuschauer angesichts einer überzeugend gestellten Marslandung zu Überlegungen, was man denn 1969 tatsächlich auf den kleinen, unscharfen schwarz-weiß-Fernsehern zu sehen bekam.


Fazit:
Dass Unternehmen Capricorn zu den Klassikern des Genres zählt, ist unbestritten, ein Meisterwerk ist es aber – aus heutiger Sicht zumindest – insofern nicht, als dass der Film nach einem starken Auftakt an Tempo erstaunlich nachlässt und erst beim Finale wieder anzieht. Wenn Regisseur und Autor Peter Hyams die Erzählebenen radikal verlagert, reißt er die Zuseher unnötig von Figuren los, mit denen man bislang noch keine Beziehung aufbauen konnte und löst sich ebenso schnell wieder von den Charakteren, denen er sich im Mittelteil widmet.
Die Optik scheint stellenweise regelrecht komponiert, wahrt allerdings zu den drei Protagonisten eine Distanz, die stört und die eigentlichen Sympathieträger unnahbar erscheinen lässt. Dafür entschädigt allerdings der sehr gute und temporeich-atmosphärische Score, der die provokative und einfallsreiche Story gekonnt untermalt. Für Skeptiker der Mondlandung eignet sich Capricorn One dabei ebenso wie für diejenigen, die ohne Zweifel daran glauben, auch wenn die gewählten Perspektiven bei der vorgetäuschten Marslandung frappierende Ähnlichkeiten aufweisen.