The North Sea [2021]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. März 2022
Genre: Drama / Action

Originaltitel: Nordsjøen
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: Norwegen
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: John Andreas Andersen
Musik: Johannes Ringen, Johan Söderqvist
Besetzung: Kristine Kujath Thorp, Henrik Bjelland, Rolf Kristian Larsen, Anders Baasmo Christiansen, Bjørn Floberg, Nils Elias Olsen, Anneke von der Lippe, Christoffer Staib, Ane Skumsvoll, Cengiz Al


Kurzinhalt:

Nachdem eine Bohrinsel unter Firmenleiter William Lie (Bjørn Floberg) in unvorstellbar kurzer Zeit gesunken ist und mehrere Arbeiter vermisst werden, bittet Lie die beiden Forschenden Sofia (Kristine Kujath Thorp) und Arthur (Rolf Kristian Larsen), mit ihren speziellen Unterwasserrobotern nach Überlebenden zu suchen. Was Sofia entdeckt, deutet auf eine noch größere Katastrophe hin. Wenig später geschieht das Undenkbare und eine ganze Reihe an Bohrplattformen wird von einer riesigen Absenkung des Meeresbodens bedroht. Bei der Evakuierungsmaßnahme bleibt Sofias Freund Stian (Henrik Bjelland), selbst Arbeiter auf einer Bohrinsel, dort zurück, um die Anlage zu sichern. Als sich der Boden absenkt, wird Stian eingeschlossen und in Anbetracht einer riesigen Ölpest, wird entschieden, eine radikale Maßnahme einzuleiten. Um Stian zu retten, findet Sofia mit Arthur einen Weg auf die Plattform, doch selbst wenn es ihnen gelingt, Stian ausfindig zu machen, sie werden die Bohrinsel nicht rechtzeitig verlassen können, ehe ein unvorstellbares Inferno über ihnen hereinbricht …


Kritik:
Das norwegische Katastrophendrama The North Sea setzt auf dieselben Elemente, die auch Hollywoodproduktionen von einst – wie in geringerem Umfang auch heute – zu packenden Erlebnissen haben werden lassen. Dass das Undenkbare hier vor Europas Haustüre geschieht, macht das Gezeigte nur greifbarer. Doch so gelungen Vieles ist und so sehenswert das Ergebnis, hätten sich die Verantwortlichen etwas mehr Zeit genommen, das Unglück für das Publikum nachvollziehbar aufzubauen, würde das Gezeigte mehr mitreißen.

Dass Filmemacher John Andreas Andersen (The Quake - Das große Beben [2018]) in seiner Geschichte auf Zufälle setzt, sei ihm verziehen. Sie sorgen, wie in zahlreichen anderen Storys auch dafür, dass diese jeweils funktionieren. Hier ist es der Zufall, dass die beiden Hauptfiguren Sofia und Stian in Berufen arbeiten, die sie jeweils dafür prädestinieren, dass sie im Lauf der Geschichte zusammenfinden müssen. Zu Beginn wird der alleinerziehende Vater Stian lediglich als Freund von Sofia vorgestellt, die in einem Forschungslabor an Unterwasserrobotern arbeitet. Zusammen mit ihrem Forschungskollegen Arthur wird sie von dem Leiter des Erdölkonzerns Saga nach Unterschreiben einer Verschwiegenheitserklärung angeheuert, ihren Roboter bei einer Rettungsmission einzusetzen. Eine Bohrplattform des Konzerns ist in der Nordsee versunken – innerhalb von etwas mehr als zweieinhalb Minuten. Sofia soll nach Überlebenden suchen, doch was sie findet, sind die Anzeichen einer viel größeren Katastrophe. Die tritt kurz darauf ein, nachdem Stian zum Dienst berufen wurden, auf einer Bohrinsel. So kommt es, wie es kommen muss und Stian befindet sich noch an Bord der Plattform, als die Katastrophe geschieht und es liegt an Sofia, ihn zu retten.

Soweit bewegt sich The North Sea im Fahrwasser von anderen Desasterfilmen, wobei das Szenario hier etwas beängstigend Erschreckendes besitzt. Dass etwas so großes und kompliziertes wie eine Bohrinsel innerhalb von Minuten versinken kann, ist bereits beunruhigend genug. Doch der Umstand, dass die Verantwortlichen des Konzerns bereits Erfahrungen mit solchen Absenkungen des Meeresbodens gemacht haben, die derart katastrophale Folgen haben, macht einen regelrecht sprachlos. Andersens Schreckensszenario geht dies nur einen Schritt weiter und stellt die Frage, was geschehen würde, würde sich der Meeresboden entlang eines Gebietes beinahe gleichzeitig absenken. Dass der Meeresboden in Bewegung ist, ist dabei keine Überraschung und die unzähligen Bohrungen (hier sind es „nur“ 350 Bohrlöcher, die verschlossen werden müssen, als sich das Unglück abzeichnet) haben sicherlich nicht geholfen, die Oberfläche stabiler werden zu lassen. Was also, wenn Jahrzehnte der Ausbeutung von Ressourcen entlang einer geografisch nicht unbedingt stabilen Formation zu dem führen, was hier geschieht?

Die Antwort, die die Verantwortlichen darauf finden, klingt schlüssig und ist in ihrer Dimension doch nur schwer greifbar. Umso wichtiger wäre es, eine Figur vorzustellen, die dass Undenkbare entsprechend in Worte zu fassen vermag. In The North Sea gibt es einen solchen Moment, in dem sich die Konzernleitung mit einem führenden Politiker trifft, um das schlimmste anzunehmende Szenario zu erörtern. Doch die Art, wie dies präsentiert wird, erscheint knapp angebunden und entfaltet daher nicht die Wirkung, die die Szene haben könnte. Auch die Evakuierung der Bohrinseln lässt einen gewissen Maßstab vermissen. Um wie viele Personen handelt es sich insgesamt? Was ist zu tun, um die Bohrlöcher vor der Katastrophe abzuriegeln? Filmemacher John Andreas Andersen vermisst es, das Publikum bei solchen Fragen mitzunehmen. Er konzentriert sich stattdessen darauf, das Geschehen aus Sicht seiner drei Hauptfiguren zu zeigen, Sofia, Stian und Arthur. Während die Konzernleitung und die politischen Entscheidungsträger im Grunde alle das Richtige tun, gelangen Sofia und Arthur auf die Bohrinsel, nur um sich einer noch viel größeren Gefahr gegenüber zu sehen.

Dabei ist Sofia nicht nur eine starke Frauenfigur, sondern diejenige, die die Geschichte voranbringt und die Entscheidungen trifft. Ihr ist es zum großen Teil zu verdanken, dass die Story packt, obwohl man über die Charaktere nur wenig erfährt. Arthur wird gar nicht beleuchtet und außer, dass Stian im jungen Odin einen Sohn hat, weiß man am Ende über ihn so gut wie nichts. Es ist ein weiterer Aspekt, bei dem The North Sea viel Potential ungenutzt lässt. Dafür gelingt es dem Katastrophendrama eindringlich, das verheerende Szenario in Szene zu setzen. Die Bilder des sich ausbreitenden Infernos sind aktuellen Hollywoodproduktionen mindestens ebenbürtig und zusammen mit einer bedauerlicherweise nicht abwegigen Ausgangslage ist dies ein sehenswerter Genrebeitrag, der nicht zu aufdringlich, aber doch bestimmt, seinem Publikum eine Botschaft mit auf den Weg gibt.


Fazit:
Während viele solcher Genrefilme zahlreiche Figuren vorstellen und diese entweder während der Katastrophe begleiten, oder aber ihre Wege sich überschneiden lassen, ist John Andreas Andersens Film spürbar geradliniger erzählt. Das führt jedoch dazu, dass es in den einzelnen Szenen kaum wirkliche Überraschungen gibt. Die kurze Laufzeit rührt auch daher, dass die eigentliche Rettungsmission ohne Haken und Wendungen geschildert wird, ungeachtet von tollen Einfällen wie dem wurmartigen Roboter, den Sofia und Arthur bedienen. Tadellos gefilmt und bemerkenswert gut gemacht, überzeugen auch der Umstand, dass es keinen menschlichen Bösewicht gibt, sowie die eindringliche Aussage am Schluss. Dass sich viele Elemente anderer Katastrophenfilme wiederfinden, ist kein wirklicher Kritikpunkt. Spannend erzählt und packend in Szene gesetzt, überzeugt The North Sea durch ein Schreckensszenario, das so abwegig nicht scheint und das mit alptraumhaften Eindrücken aufwartet. Erschreckend – und gelungen.


The North Sea-Packshot The North Sea ist seit
10. März 2022 als Video-on-Demand
und ab 24. März 2022 als 4K Ultra-HD, Blu-ray und DVD
im Verleih von Koch Films GmbH erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
Koch Films.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.