Thank You for Smoking [2005]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Juni 2006
Genre: Unterhaltung / Komödie

Originaltitel: Thank You for Smoking
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jason Reitman
Musik: Rolfe Kent
Darsteller: Aaron Eckhart, Maria Bello, Cameron Bright, Adam Brody, Sam Elliott, Katie Holmes, David Koechner, Rob Lowe, William H. Macy, J.K. Simmons, Robert Duvall, Kim Dickens


Kurzinhalt:
Als Sprecher für Big Tobacco steht Nick Naylor (Aaron Eckhart) im Rampenlicht der Öffentlichkeit und im Kreuzfeuer der verschiedensten Gruppen – denn immerhin verteidigt er seine Arbeitgeber. Dabei ist er als Rhetoriker derart überzeugend, dass er selbst einen 15-jährigen, krebskranken, ehemaligen Raucher davon überzeugen kann, dass es nicht im Interesse seines Arbeitgebers liegt, dass er an Krebs stirbt; immerhin verlieren sie dadurch einen Kunden.
So bewegt sich Naylor stets an der Schwelle des moralischen Abgrunds würde beinahe übersehen, dass sein Sohn Joey (Cameron Bright), der seinen Vater abgöttisch verehrt, eben dieses Talent von ihm geerbt hat. Aber als Nick von seinem Arbeitgeber BR (J.K. Simmons) den Auftrag bekommt, Zigaretten wieder populär zu machen, sieht er sich einer kaum zu bewältigenden Aufgabe gegenüber. Dass er sich außerdem mit der karriereorientierten Reporterin Heather Holloway (Katie Holmes) einlässt gestaltet seinen Tagesablauf nicht einfacher.
So findet sich Nick nach einer Morddrohung nicht nur auf ungewohntem Terrain wieder, sondern alsbald allein an der Front, als ihm ein fataler Fehler unterläuft ...


Kritik:
Dass Das Rauchen (und Passivrauchen) von Zigaretten gesundheitsschädlich und mitunter sogar tödlich ist, weiß man auch hierzulande nicht erst, seitdem die Warnhinweise in breiten Lettern auf den Schachteln aufgedruckt sind. An sich sind die Auswirkungen des Tabakkonsums schon seit Jahrzehnten bekannt, und viele Studien hat die Tabakindustrie selbst in Auftrag gegeben – schon allein, um die Ergebnisse steuern zu können.
Und doch ist es erstaunlich, wie viele Raucher, die jährlich an Krebs erkranken immer wieder behaupten, sie hätten über die Risiken ihrer Sucht nichts gewusst. Wer nun damit rechnet, dass Thank You for Smoking jene Gruppe verteidigen würde, und die Tabakindustrie als Teufelsmaschinerie anprangert, der liegt glücklicherweise falsch. Zwar bekommen die Tabakkonglomerate ihr Fett weg – aber als Satire richtet sich die Romanverfilmung an viele Gruppen, wenn nicht gar an alle.

Es dauerte über zehn Jahre, ehe das satirische Buch Danke, dass Sie hier rauchen von Autor Christopher Buckley fürs Kino adaptiert wurde, und auch wenn Regisseur und Drehbuchautor Reitman die Geschichte angesichts der Technik durchaus in die heutige Zeit transportiert, bleibt doch ein Flair der 1990er Jahre erhalten, in denen die Vorlage angesiedelt ist.
Wovon das Drehbuch allerdings lebt, sind die ausgezeichneten und immens unterhaltsamen Dialoge, die in den Monologen Naylors ebenso ihre Höhepunkte finden, wie in den regelmäßigen Zusammenkünften mit den Sprechern der Alkohol- und Waffenlobby. Wenn sich diese drei prinzipiell unbeliebten Teile der Gesellschaft versammeln, um darüber zu diskutieren, wer täglich mehr Menschen unter die Erde bringt, bleibt kaum ein Auge trocken – ebenso wenig, wie wenn Naylor selbst das Opfer einer Nikotin-Pflaster-Attacke wird.
Zwar mutet der Erzählrhythmus mit den verschiedenen Zeit- und Ortswechseln zu Beginn etwas seltsam an, doch gelingt Autor Reitman dadurch ein passender Einstand für das Leben, das seine Hauptfigur zu meistern versucht. Die präzisen Charakterisierungen, angefangen von Naylor über dessen Sohn Joey, bis hin zu Lorne Lutch, Heather Holloway und Senator Finistirre unterhalten ebenso, wie die immer wieder eingebrachte Vorbereitung auf eine Kongressanhörung, die das Finale des Films bildet.
Zwar gibt es nur wenige Spannungsmomente im klassischen Sinne, und wenn Naylor in die Ecke gedrängt wird fesselt das hauptsächlich, weil man sehen möchte, wie er sich aus der Situation herausredet und nicht, weil er dem Publikum sympathisch wäre, doch verliert Thank You for Smoking nie an Tempo oder gerät gar langweilig. Dafür sorgt das unvorhersehbare Skript ebenso, wie wie durchweg gut gelaunten Darsteller.

Ihnen ist es auch zu verdanken, dass der etwas versöhnliche Schluss nicht so sehr ins Gewicht fällt, denn einen besseren Cast hätte man sich kaum vorstellen können. In der Rolle des redegewandten und charmanten Nick Naylor hat Aaron Eckhart (Paycheck - Die Abrechnung [2003], The Core - Der innere Kern [2003], Erin Brockovich [2000]) vielleicht seine bislang beste Rolle gefunden und balanciert gekonnt zwischen zynischem und moralfreiem Lobbyisten und Vater, der sich Gedanken über die Zukunft seines Sohnes macht. Dass er die drängendsten Fragen über sich nicht beantwortet, sondern derart geschickt argumentiert, dass er sich selbst fremd bleibt, gehört zu den vielen Facetten der Rolle, die ihn für die Zuschauer so interessant erscheinen lassen.
Überraschend reif erscheint auch die Darbietung des erst 12-jährigen Cameron Bright, der im Laufe der 90 Minuten eine beinahe schon unheimliche Präsenz bei seinen Dialogen entwickelt und Eckhart erstklassig ergänzt. Einen bemerkenswerten (und im Vergleich zu Batman Begins [2005] außerordentlich gut gespielten) Auftritt genießt Katie Holmes, die mit ihrer ungewöhnlichen Filmfigur beweist, dass sie zu mehr im Stande ist, als lediglich die Ehefrau von Tom Cruise zu sein, und man kann nur hoffen, dass sie in Zukunft mehrere dieser Angebote wahrnehmen wird.
Die Auftritte von Maria Bello, Adam Brody und Sam Elliott sind ebenso gelungen, wie die wenigen Minuten von Robert Duvall.
In Erinnerung bleiben allerdings hauptsächlich Rob Lowe, der einmal mehr herausragend spielende William H. Macy und J.K. Simmons, die ihre Szenen mit einer Leichtigkeit zum besten geben, die viele ihre Kollegen vor Neid erblassen lassen sollte.
Eine bessere Besetzung hätte man sich gar nicht vorstellen können.

Handwerklich versucht sich Regisseur Reitman an einer Mischung zwischen Real- und Dokumentationsfilm; so finden sich nach dem sehr einfallsreichen und witzigen Vorspann immer wieder Szenen im Film, in denen der Off-Erzähler Naylor seine Gedankengänge veranschaulicht, was durch Einblendungen und andere Gimmicks im Film erreicht wird. Auch die Collage-artigen Szenenübergänge erinnern eher an eine Dokumentation, als an einen normalen Film.
Doch gerade dieser Mix verleiht Thank You for Smoking jenes Quäntchen Glaubwürdigkeit, das die Brücke schlägt zu den realen Hintergründen der Geschichte. Handwerklich gibt es nichts zu bemängeln, die hin und wieder eingebrachten Handkamera-Aufnahmen sind wie die übrigen Szenen ordentlich gefilmt und dank der ungewöhnlichen Perspektiven und des pointierten Schnitts kommt trotz der an sich nicht wirklich spannenden, aber immer interessanten Geschichte nie Langeweile auf.

Die musikalische Untermalung von Komponist Rolfe Kent, der schon seit den 1990ern immer wieder im Komödienfach zugegen ist, und zuletzt in Mord und Margaritas [2005] zu hören war, überzeugt durch eine gelungene Kombination orchestraler Musik mit eingängigen, verspielten Themen, in Verbindung mit den zahlreichen, aber nie aufgesetzten gesungenen Liedern, die gerade mit den Off-Erzählungen ein beinahe schon dokumentarisches Flair erzeugen.
So zurückhaltend der Score ist, er passt hervorragend zu den gebotenen Bildern und verdeutlicht allein durch die Wahl der Instrumente und der das Tempo den satirischen Charakter der einzelnen Szenen.

So passen bei Jason Reitmans siebter Regiearbeit alle Zutaten erstklassig zusammen, angefangen von dem von ihm selbst verfassten Skript, über die von ihm persönlich per Brief für den Film eingeladenen Hauptdarsteller, bis hin zur Inszenierung und der Musik; herausgekommen ist eine mitunter bitterböse Gesellschaftskritik, die sich nicht hauptsächlich gegen die Tabakindustrie richtet, sondern gegen die Konsumenten und diejenigen, die sich durch die aufgeblasenen, aber an sich inhaltsleeren Argumentationen jener Konzerne ins Boxhorn jagen lassen, anstatt mit eben denselben Mitteln zu kontern – mit rationellen Diskussionen kann hier seit Jahrzehnten offensichtlich keine Schlacht gewonnen werden, auch wenn der Tabakkonsum offensichtlich zurück gegangen ist.
So liest man als aufmerksamer Zuschauer sogar so etwas wie eine Bewunderung des Filmemachers für Menschen wie Nick Naylor heraus, denen es mittels ihrer Gesprächstaktik gelingt, sogar verloren geglaubte Debatten noch zu gewinnen und auch den Großkonzernen muss man die Kaltschnäuzigkeit zugute halten, mit der sie ihre Ziele erreichen wollen. Welche Stellung der Regisseur mit seinem Film allerdings letztlich bezieht, sieht man schon daran, dass man keine einzige Figur in den eineinhalb Stunden tatsächlich beim Rauchen beobachten kann.


Fazit:
Was den militanten Verfechtern des Nichtrauchertums mit Sicherheit nicht in vollem Umfang gefallen wird, ist die Tatsache, dass Thank You for Smoking nicht die Tabak-Industrie als den Alleinschuldigen bloßstellt, sondern die Konzerne als das darstellt, was sie sind: Kapitalistische Großfirmen, die um Profit und Kundschaft bemüht sind. Vielmehr verlagert die Satire das Augenmerk darauf, wie leicht die Menschen durch fadenscheinige Diskussionen zu beeinflussen sind, wie schnell sich ihr Fokus vom Thema ablenken lässt, je eloquenter und aggressiver man argumentiert. Im Endeffekt, so die treffende, wie nicht gern gehörte Aussage des Films, liegt die Verantwortung bei den Menschen selbst, die sich als überwiegend dämlich genug entpuppen, trotz der bekannten Risiken und der (tödlichen) Folgen zum Glimmstengel zu greifen.
Damit deckt Jason Reitmans Werk mehr ab als viele andere Filme seiner Art und lässt bei dem Rundumschlag kaum jemanden ungetroffen. Wer sich aber aufgeschlossen darauf einlässt, wird blendend unterhalten und stellenweise mit so subtilen, bösartigen und sarkastischen Aussagen konfrontiert, dass einem angesichts der öffentlichen Akzeptanz der Droge Nikotin das Lachen eigentlich im Halse stecken bleiben sollte. Das ist pädagogisch wertvoll, aber in Hinblick auf die Kurzsichtigkeit der Zigaretten-Konsumenten vermutlich für die angesprochene Gruppe ebenso wertlos.