Pocahontas [1995]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 28. November 2014
Genre: Animationsfilm / Liebesfilm / FantasyOriginaltitel: Pocahontas
Laufzeit: 81 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1995
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Mike Gabriel, Eric Goldberg
Musik: Alan Menken
Stimmen: Irene Bedard (Alexandra Wilcke), Mel Gibson (Sigmar Solbach), David Ogden Stiers (Joachim Kemmer, Wilfried Herbst), John Kassir, Russell Means (Gerd Holtenau), Christian Bale (Gunnar Helm), Linda Hunt (Hildegard Knef), Danny Mann, Judy Kuhn
Kurzinhalt:
Auf der Suche nach Gold und Reichtum führt der englische Governor Ratcliffe (David Ogden Stiers / Joachim Kemmer) eine Expedition nach Amerika an. Sollten sie auf Indianer stoßen, sei es die Aufgabe des sagenumwobenen John Smith (Mel Gibson / Sigmar Solbach), sie zu vertreiben. Doch als dieser in der neuen Welt auf die Einwohnerin Pocahontas (Irene Bedard / Alexandra Wilcke) trifft und sie ihm von dem Verständnis ihres Volkes für die Natur erzählt, kommen Smith Zweifel, ob Ratcliffes Vorgehen, das Land zu roden und umzugraben, der richtige Weg ist.
Als die Siedler den ersten Indianer verwunden, scheint ein Kampf unausweichlich. Während Pocahontas' Vater Powhatan (Russell Means / Gerd Holtenau) die anderen Stämme um Hilfe bittet, rüstet Ratcliffe das Fort auf und schürt unter den mitgereisten Siedlern die Angst vor den Indianern. Einzig Pocahontas scheint davon überzeugt, dass eine friedliche Lösung möglich ist, auch wenn sich beide Seiten gegenseitig als die Wilden bezeichnen ...
Kritik:
Es gehört durchaus Mut dazu, in einem Kinderfilm von europäischen Siedlern zu erzählen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in die neue Welt aufgebrochen sind, um sich dort die vermeintlichen Schätze zu Eigen zu machen. Sieht man, mit welcher Selbstverständlichkeit die Eindringlinge das Land für sich beanspruchen und die dortigen Einwohner ihrer Heimat berauben, dann wird deutlich, dass sich die selbst ernannten Zivilisierten der alten Welt als die eigentlichen Barbaren herausstellen. Dank den Filmemachern Mike Gabriel und Eric Goldberg bringt Pocahontas die Botschaft der Akzeptanz und Toleranz auch dem jungen Publikum näher, ohne zu düster zu sein. Gerade im Vergleich zu Der König der Löwen [1994] macht die Geschichte einen erwachseneren Eindruck, bietet aber genügend leichte Momente.
Sie erzählt von dem Briten Governor Ratcliffe, der aufbricht, um in dem noch recht unerschlossenen Land Amerika Gold und Reichtum zu finden. Die Spanier haben es zuvor angeblich ebenfalls getan und er hofft, damit seinen Platz in der Gesellschaft behaupten zu können. Zusammen mit einer Mannschaft, angeführt vom legendären John Smith, macht er sich auf und tauft die erste dauerhafte, englische Siedlung nach dem Anlegen Jamestown.
Doch die Engländer sind nicht allein. Es ist das Gebiet von Indianerhäuptling Powhatan, dessen Tochter Pocahontas auf John Smith trifft. Abseits ihrer Begegnung entbrennen die ersten Kämpfe zwischen den Indianern und den neuen Siedlern. Ratcliffe beansprucht das Land mit den Bodenschätzen für sich selbst, wohingegen Smith der jungen Indianerin erklärt, dass sie ihnen beibringen können, das Land viel effizienter zu nutzen und sie aus ihrer Rückständigkeit befreien würden. Die grenzenlose Arroganz der Siedler, die in den Ureinwohnern "Wilde" sehen, ist in Pocahontas klar zu sehen und der Film bezieht wie kaum ein anderer Disney-Film eine klare Position in diesem Thema.
Mit Pocahontas' Solo "Das Farbenspiel des Winds", in dem sie erzählt, wie nach ihrem Verständnis der Natur alles zusammenhängt und Smith, der behauptet, so zivilisiert zu sein, doch so wenig versteht, fassen die Geschichtenerzähler den Kern der naturverbundenen Völker auf eine malerische Art und Weise zusammen. In den Bildern findet sich derart viel Symbolik, dass man sich darin verlieren kann und dank der umwerfenden musikalischen Begleitung, ist der Song das Herzstück der Geschichte um Toleranz und Verständnis.
Dies ist die eine Säule des Films, bei der die Eindringlinge erstaunlich schlecht wegkommen. Habgier und Neid machen sie blind für die Schönheit der Natur. Sieht man sich den Disney-Film aus heutiger Sicht an, wird deutlich, wie viel James Cameron für Avatar - Aufbruch nach Pandora [2009] hiervon übernommen hat. Es ist, als hätte er dieselbe Geschichte in moderner Aufmachung nacherzählt, bis hin zu den Geistern im Wald und Wind.
Pocahontas ist im Kern aber auch eine Liebesgeschichte, die jedoch im besten Fall halbgar dargebracht wird. Dass sich die Regisseure genötigt sahen, nach Testvorführungen das Lied "If I Never Knew You" aus dem Film zu streichen, ist sehr bedauernswert und sieht man sich die Sequenz heute an, würde sie der Lovestory so viel mehr Gewicht verleihen. Schade, dass die aktuelle Blu-ray-Veröffentlichung den Song nur als Extra anbietet, ihn aber nicht wahlweise in den Film integriert.
Trotz des ernsten Themas ist Pocahontas kindgerecht, wobei eine Altersfreigabe ab 6 Jahren thematisch geeigneter wäre als die vorliegende Freigabe ohne Altersbeschränkung. Die Sidekicks in Form des Waschbären Meeko und des Kolibris Flit, die Pocahontas auf Schritt und Tritt begleiten, sorgen für genügend lustige Momente und auch Ratcliffes Hund Percy trägt schließlich zur Völkerverständigung bei. Schade ist allerdings, dass die Menschen auf beiden Seiten nur spärlich beleuchtet sind.
Nach heutigen Erkenntnissen gab es die amerikanische Ureinwohnerin Pocahontas wirklich und den Überlieferungen nach hat sie sich schützend über einen weißen Mann geworfen, der von ihrem Stamm getötet werden sollte. Der Disney-Zeichentrickfilm erzählt von ihr und John Smith, doch statt die Geschichte mit historischer Genauigkeit zu betrachten, sollte man sie als das sehen, was sie ist: Ein Aufruf zur Toleranz, der Verständigung und dem gemeinsamen Miteinander, den auch das junge Publikum versteht. Als das funktioniert das erwachsenste Disney-Animationsmärchen tadellos.
Fazit:
Ob all das in Wirklichkeit so romantisch stattgefunden hat, wie hier gezeigt, darf bezweifelt werden. Auch schweigt sich der Film über Pocahontas' Zukunft aus, die ein frühes Ende fand. Es ist, als wollten die Filmemacher nicht das Leben er legendären Ureinwohnerin nacherzählen, sondern einen Moment herauspicken, um eine universell gültige Botschaft zum Ausdruck zu bringen. Das ist ihnen auch für die jungen Zuschauer durchweg gut gelungen, nicht zuletzt dank der heiteren Einlagen.
Stilistisch wirken die kantigen Figuren und die pastellfarbenen Zeichnungen weniger warmherzig, passen jedoch zum kulturellen Hintergrund ebenso wie die Musik, die hier selbst in den Songs nie aufdringlich erscheint. Die Aussage, die Pocahontas trifft, findet in dem berührenden, tiefgehenden Titellied ihren Höhepunkt und nach den knapp 80 Minuten fragt man sich nur, weshalb sich die Filmemacher nicht mehr Zeit genommen haben, ihre Geschichte zu erzählen. So kommen insbesondere die Figuren und die Beziehung zwischen Pocahontas und Smith sehr kurz.