Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat [2008]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Januar 2009
Genre: Drama / Thriller

Originaltitel: Valkyrie
Laufzeit: 121 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Bryan Singer
Musik: John Ottman
Darsteller: Tom Cruise, Kenneth Branagh, Bill Nighy, Tom Wilkinson, Carice van Houten, Thomas Kretschmann, Terence Stamp, Eddie Izzard, Kevin McNally, Christian Berkel, Jamie Parker, David Bamber, Tom Hollander, David Schofield


Kurzinhalt:
Schon lange Zeit bereitet die Gruppe um Ludwig Beck (Terrence Stamp) einen Machtwechsel im Berlin des Dritten Reiches vor. Der Krieg ist wenn noch nicht auf dem Schlachtfeld, dann aber schon in den Köpfen der Strategen verloren und nur mit einem neuen Kanzler kann verhindert werden, dass Deutschland beim Sieg der Alliierten zerrissen wird.
Als Generalmajor Tresckow (Kenneth Branagh) und General Olbricht (Bill Nighy) den im Kampf verwundeten, offenen Kriegsgegner Oberst Claus von Stauffenberg (Tom Cruise) in ihren Bund aufnehmen, um Hitler (David Bamber) auszuschalten, erhält das Vorhaben eine neue Dynamik.
Von Stauffenberg schmiedet den Plan, mit Hilfe der "Operation Walküre" nach einem Anschlag auf Hitler die Regierung in Berlin zu stürzen und neue Männer an deren Stelle zu setzen. Dass sie dafür allerdings auf das Mitwirken von Gestalten wie General Fromm (Tom Wilkinson) angewiesen sind, der sich grundsätzlich auf diejenige Seite schlägt, die ihm am meisten Gewinn einbringt, ist ein Schwachpunkt in dem gefährlichen Plan.
Am 20. Juli 1944 ergibt sich für von Stauffenberg endlich die Möglichkeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch schon bei den Vorbereitungen für das Attentat läuft nicht alles nach Plan ...


Kritik:
Wenn sich Hollywood einer solch speziell deutschen Thematik annimmt, ist es nachvollziehbar, wenn Bedenken aufkeimen, ob dieser oft vergessene, aber doch wichtige und geschichtsträchtige Fall des Attentats durch Claus von Stauffenberg in angemessener Weise dargestellt wird. Weshalb allerdings noch vor Beginn der Dreharbeiten oder auch nur präsentierter fertiger Szenen aus Operation Walküre Proteste aufloderten, die behaupteten, der Film würde jenes Attentat auf Adolf Hitler zum Action-Film vermarkten, oder Tom Cruise würde gar das Vermächtnis von Claus von Stauffenberg beschmutzen, ist unverständlich. Für solche Vorwürfe sollte man den fertigen Film erst gesehen haben, der übrigens keines von beidem tut. Packend und historisch korrekt werden Schlüsselereignisse aus von Stauffenbergs Leben vor dem Anschlag und dem Tag selbst gezeigt, die sowohl die Hintergründe beleuchten, aber auch Schicksale derer aufzeigen, die mit dem Oberst jenen geschichtsträchtigen Tag bestritten und vorbereitet haben. Nur der eigentliche Wandel von Stauffenbergs, der einst ein überzeugter Befürworter des Diktators war, ehe er zum Kriegsgegner wurde, wird nur kurz angedeutet.

Regisseur Bryan Singer gelingt allerdings weitaus mehr, als es im ersten Moment scheint. Er schafft es, den Zuschauer von der ersten Minute an für die Geschichte und die Handlungen der Figuren zu interessieren. Er zeigt auf sehr subtile Weise, wie viele Funktionäre und Offiziere im inneren Kreis um den Reichskanzler den Krieg verurteilten, sich aber außer Stande sahen zu handeln, da es deutlich mehr Menschen gab, die sich an der Situation bereicherten. Gerade diejenigen Männer und Frauen, die wussten, wie die Lage 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie aussah, mussten ohnmächtig mitansehen, wie einem abwesenden und verwirrt paranoiden Führer Meldungen über die Kampfsituation zugestellt wurden, die nicht der Realität entsprachen. Dass die Propaganda-Maschinerie diese Fehlinformationen dann über das Radio weiterverbreiteten, während über die Verluste von Tausenden Soldaten hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, ist ebenfalls in Operation Walküre zu sehen. So wirft das Drehbuch ein authentisches Licht auf eine Zeit, in der die Bevölkerung ebenso eingeschüchtert wie zum Narren gehalten wurde. Mitzuerleben, wie sich eine Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten aufmacht, jene Schreckensherrschaft zu beenden, ist in der Tat beeindruckend, auch wenn hier Untertöne angesprochen werden, die klar machen, dass selbst diese Handlungen nicht immer uneigennützig gewesen sein müssen.
Als Zuschauer wird man so zum Mitwisser und zum Mittäter gemacht, wird an die Seite Claus von Stauffenbergs versetzt, der versucht, unter Einsatz seines eigenen Lebens Deutschland einen Neubeginn zu ermöglichen, solange das Land noch nicht in Schutt und Asche liegt. Mehr noch, man wird als Zuseher mit derselben Hoffnung wie die Aufständischen erfüllt, dass wenn schon der Anschlag nicht gelang, wenigstens der Putsch gelingen möge. Und man wird zum Zeugen dessen, was unwiderruflich in den Geschichtsbüchern steht. Nämlich dass der tragische Ausgang jenes Tages durch die wenigen Einzelpersonen entschieden wurde, die es zuvor immer unterließen, eine politische Position zu beziehen, um nicht auf der Verlierseite zu stehen. Dass dies im Fall vom durch Thomas Kretschmann erstklassig verkörperten Major Otto Ernst Remer auf Grund seiner Gesinnung geschieht, ist dabei nicht weniger tragisch, als bei den dargestellten Opportunisten wie General Fromm, dem Tom Wilkinson auf gespenstische Weise Leben einhaucht.

Er befindet sich diesbezüglich in guter Gesellschaft, bei der allerdings nicht Tom Cruise am meisten hervorsteht, auch wenn es ihm gekonnt gelingt, seine privaten öffentlichen Fehltritte durch eine glaubhafte und unumstößliche Leistung vergessen zu machen. Es ist vielmehr Bill Nighy, der als General Olbricht eine tragische Figur im fehlgeschlagenen Putsch vom 20. Juli 1944 mimt.
Mit Terence Stamp, Carice van Houten, Eddie Izzard oder dem beklemmenden David Bamber hat Regisseur Singer wie zu erwarten war eine gute Wahl getroffen, die durch exzellent besetzte Nebendarsteller wie Jamie Parker oder Kenneth Branagh nur unterstrichen wird.
Insgesamt hat man das Gefühl, als ob Filmemacher Bryan Singer hier entgegen der Vorabschelte alles richtig macht. Und trotz oder gerade aufgrund der unbegründeten Kritik ist Operation Walküre insbesondere in Deutschland überraschend erfolgreich. Nach Superman Returns [2006] verzichtet Singer glücklicherweise auf die Digitalkamera und setzt auf herkömmliches Filmmaterial, das bedeutend natürlicher aussieht. Er schafft zusammen mit Komponist John Ottman, Kameramann Newton Thomas Sigel und durch die authentischen Sets samt Originalschauplätzen eine Atmosphäre, die vom ersten Moment an packt und bei der man mit den Protagonisten mitfiebert. Wie sie glaubt man sich dem Erfolg so nahe, bis die Realität einen als Zuseher wieder einholt. Das mag zwar nicht so emotional ergreifend sein wie Schindlers Liste [1993], aber wichtig und bewegend ist es dennoch.

Wenn man, wie es heißt, sich der Geschichte erinnern soll, damit sie sich nicht wiederholt, dann sollte man sich auch solcher Taten erinnern, die, obwohl sie nicht erfolgreich waren, heute immer noch die Menschen ermutigen sollten, sich gegen Unterdrückung und Tyrannei aufzulehnen.
Hier sei auch die von Kenneth Branaghs verkörperte Figur Generalmajor Henning von Tresckow zitiert: "Wir müssen der Welt zeigen, dass wir nicht alle so sind wie Er." Wenn es Operation Walküre gelingt, dieses Bewusstsein weltweit zu schaffen, das Nazideutschland endlich von Deutschland selbst in den Köpfen der Menschen zu trennen, dann wäre den Machern ein großer Verdienst gelungen. Doch dafür muss man dem Drama erst einmal eine Chance geben.


Fazit:
Es ist frustrierend mitanzusehen, wie die geschmiedeten Attentatspläne immer wieder unbewusst sabotiert wurden. Das Glück war jenen Männern nicht zugetan, so scheint es. Ohnmächtig muss man miterleben, wie der Lauf der Geschichte beinahe hätte geändert werden können und wie der aus dem Bendlerblock initiierte Putsch in sich zusammenfällt.
Regisseur Bryan Singer schafft mit Tom Cruise als charismatischem Claus von Stauffenberg ein spannendes, authentisches und gerade deshalb deprimierendes Zeugnis einer Sternstunde des Widerstands zur Zeit des Dritten Reiches. Es mag nicht der beste Beitrag zum Thema sein, doch er ist unparteiisch und mehr auf die politischen Intrigen, als auf die Action-Elemente getrimmt. Operation Walküre wurde im Vorfeld durch Kritikerstimmen beinahe zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu den realen Hintergrundereignissen vor 65 Jahren ist er das glücklicherweise nicht.