Nur noch ein einziges Mal [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 12. August 2024
Genre: Drama / LiebesfilmOriginaltitel: It Ends with Us
Laufzeit: 130 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Justin Baldoni
Musik: Duncan Blickenstaff, Rob Simonsen
Besetzung: Blake Lively, Justin Baldoni, Brandon Sklenar, Jenny Slate, Hasan Minhaj, Amy Morton, Kevin McKidd, Isabela Ferrer, Alex Neustaedter
Kurzinhalt:
Keine Träne vergießt Lily Bloom (Blake Lively), als sie nach dem Tod ihres Vaters (Kevin McKidd) nach Hause zurückkehrt. Sie schafft es auch nicht, die Grabrede zu halten, wie ihre Mutter (Amy Morton) Lily bittet. Unvergessen sind die Erinnerungen, die sie mit der Beziehung ihrer Eltern verbindet. Zurück in Boston steht Lily kurz vor der Eröffnung ihres eigenen Blumengeschäfts, mit Allysa (Jenny Slate) als Mitarbeiterin. Allysas Bruder Ryle (Justin Baldoni) hat Lily bereits einige Zeit zuvor zufällig kennengelernt. Sie werden ein Paar und nichts könnte ihr Glück trüben, bis Lily an Ryle Eigenschaften auffallen, die sie an ihren Vater erinnern. Als sie dann zufällig Atlas (Brandon Sklenar) begegnet, ihre erste große Liebe, mit der sie mehr verbindet, als sie sich selbst eingestehen mag, kommen ihre Erinnerungen zunehmend wieder hoch. So muss sich Lily fragen, ob sie nicht Gefahr läuft, in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten …
Kritik:
Weshalb bleiben Menschen in missbräuchlichen Beziehungen, die von körperlicher Gewalt geprägt sind? Es ist eine Frage, die sich Außenstehende oft stellen und die in Nur noch ein einziges Mal, der Verfilmung von Colleen Hoovers gleichnamigem Roman aus dem Jahr 2016, zumindest am Rand beantwortet wird. Im Zentrum steht jedoch, wie man überhaupt in eine solche Beziehung hineingerät. Kommt die eingangs überaus schnulzige Erzählung schließlich dort an, entschädigt eine starke zweite Filmhälfte für viele Klischees, die zuvor kamen.
Dabei springt die Geschichte von Nur noch ein einziges Mal immer wieder in die Kindheit von Hauptfigur Lily Blossom Bloom, die anlässlich der Beerdigung ihres Vaters zu ihrem Zuhause nach Maine zurückkehrt. Ihre Mutter hat sie gebeten, die Grabrede für ihren Vater zu halten, doch Lily kann sich an keine gute Eigenschaft ihres Vaters erinnern. Zurück in Boston, wo Sie in Kürze ihren eigenen Blumenladen eröffnen will, trifft sie auf einem Hausdach auf den gutaussehenden Neurochirurgen Ryle Kincaid. Obwohl ihre gegenseitige Anziehung mit Händen zu greifen ist, endet der Abend verfrüht, aber wie sich herausstellt, ist Ryle der Bruder ihrer Angestellten Allysa. Nicht nur, dass es Lily schwerfällt, sich auf jemanden einzulassen, musste sie doch mitansehen, wie ihre Mutter in einer gewalttätigen Beziehung litt, auch Ryle gibt zu, sich mit Liebe und Beziehungen schwer zu tun. Schließlich kommen beide zusammen und könnten kaum glücklicher sein, bis Lily Verhaltensweisen an dem Mann an ihrer Seite entdeckt, die sie an früher erinnern. Da begegnet sie Atlas wieder, ihrer ersten großen Liebe, was Ryles Eifersucht zusätzlich anheizt.
Sieht man diesen nicht nur erschreckend greifbaren, sondern von Blake Lively auch authentisch und facettenreich zum Leben erweckten Aspekt, scheint die Ausgangslage beinahe, als wäre sie als Satire gedacht. Zwar ist von Beginn an zu erkennen, dass Lily seit jeher unter dem leidet, was sie in ihrem Elternhaus miterleben musste, doch wirkt all dies vor dem auf Hochglanz polierten Hintergrund so unwirklich wie realitätsfern. Sämtliche gezeigten Figuren sind durchweg geschminkt und gekleidet, als wären sie gerade eben einem Modemagazin entsprungen. Sie alle sind auf eine geradezu entrückte Art und Weise wohlhabend, wohnen entweder in riesigen, modern eingerichteten Apartments, oder Penthäusern, die über einen eigenen Fahrstuhl verfügen. Lilys Traum ist es, einen eigenen Blumenladen zu eröffnen, doch vermittelt Filmemacher Justin Baldoni seinem Publikum nicht, wie lange sie diesen Traum bereits verfolgt, oder was sie bisher in ihrem Leben unternommen hat. Aus dem während ihrer Jugend obdachlosen Atlas, in den sich Lily verliebte, ist der Besitzer des angesagtesten Restaurants der Stadt geworden und Ryle selbst sagt in aller Bescheidenheit, er sei nicht nur so gutaussehend, wie es Menschen außerhalb von Seifenopern nicht sein könnten, sondern auch reich.
Zusammen mit den drei Kollagen in der ersten Stunde, Szenen, bei denen verschiedene Momente im Schnelldurchlauf gezeigt werden, während im Hintergrund ein Chart-Hit das Gezeigte mit einer ansprechenden Stimmung unterlegt, erweckt Nur noch ein einziges Mal den Anschein einer idealisiert kitschigen, romantischen Komödie im Kreise der Reichen und Schönen. Eingefangen in Bildern, die sich allesamt für die Veröffentlichung in den Sozialen Medien eignen und mit den dunklen Geheimnissen und Makeln der Figuren, die sie für das geneigte Publikum interessant werden lassen. Man kann sogar den Unfall in der Küche, wenn Ryle Lily beiseite schubst, als er eine heiße Auflaufform aus dem Ofen nimmt und sich daran verbrennt, darunter fassen. In gewisser Hinsicht zeigt das Liebesdrama all dies aus Lilys Sicht, durch ihre rosarote Brille. Doch wirft Atlas als Außenstehender und in gewalttätigen Beziehungen leidgeprüft einen Blick auf Lily, erkennt er etwas, das das Drehbuch erst in der zweiten Hälfte Zug um Zug miteinander verknüpft.
Dann werden die kleinen Gesten, Kommentare und Verhaltensweisen, die Lily widerfahren, miteinander verbunden. Es ergibt sich ein Muster, das sich aus vielen einzelnen Situationen zusammensetzt, die für sich genommen isolierte Ereignisse sind, zusammen betrachtet aber nicht mehr von der Hand zu weisen. In diesen Momenten und insbesondere beim letzten Angriff auf Lily beweist Nur noch ein einziges Mal eine beängstigende Authentizität und eine Intensität, die unter die Haut gehen. Sieht man selbst zum ersten Mal das „andere Gesicht“ von Ryle, weiß man tatsächlich nicht, wie die Situation ausgehen wird.
Das ändert nichts daran, dass die Liebesgeschichte zu Beginn nicht nur zu lange und mit sich wiederholenden Momenten präsentiert wird, sondern der Epilog unnötig aufgesetzt erscheint. Dabei gäbe es einen perfekten Moment, Nur noch ein einziges Mal enden zu lassen, wenn Lily den Originaltitel ausspricht. Dass der deutsche Titel nicht nur in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergibt, sondern den tatsächlichen Sinn des Titels gewissermaßen umkehrt, sei zumindest erwähnt.
Lässt man sich auf die Story unvoreingenommen ein, kommt der Bruch darin durchaus überraschend. Inhaltlich ist das so wichtig, wie gut dargebracht, wenn auch vor einem Hintergrund, der ebenso künstlich erscheint, wie die zeitlichen Sprünge mitunter willkürlich. Wenn es jedoch hilft, ein größeres Publikum für die Anzeichen einer gewalttätigen Beziehung zu sensibilisieren, soll das alles Recht sein.
Fazit:
„Es wäre schwerer gewesen, zu gehen.“ Diese Antwort auf die Frage, weshalb eine Person in einer missbräuchlichen Beziehung geblieben ist, anstatt den ihr gegenüber gewalttätigen Partner zu verlassen, trifft ebenso, wie wenn Lilys Freunde ihr sagen, sie darf einen solchen Übergriff nie verzeihen. Die kompromisslose Klarheit der Aussage ist notwendig, doch finden zahlreiche andere Erzählungen den Mut dafür nicht. Hier macht Filmemacher Justin Baldoni Vieles richtig und entlockt dabei Hauptdarstellerin Blake Lively eine in manchen Momenten geradezu schmerzvoll wirkende Darbietung, die stellenweise unter die Haut geht. Das wiegt die kitschige Lovestory zu Beginn nicht auf, deren Dialoge für Augenrollen sorgen können, selbst wenn die Chemie stimmt. Die Liebesgeschichte ist auch merklich zu lang gezogen und die Figuren in Designerkleidung, edlen Restaurants und Apartments wirken merklich aufgesetzt. Doch verlagert Nur noch ein einziges Mal schließlich das Augenmerk darauf, die Verhaltensmuster missbräuchlicher Beziehungen aufzudecken, entwickelt die Erzählung ein emotionales wie inhaltliches Gewicht, das viele der zuvor genannten Kritikpunkte aufwiegt. Inhaltlich wichtig, wenn auch in vielerlei Hinsicht verklärt, rettet die zweite Hälfte die Erzählung nicht nur – sie macht daraus einen ganz anderen Film. Einen, über den man länger nachdenkt, als man auf den ersten Moment vermuten würde.