Moonfall [2022]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 4. Februar 2022
Genre: Science Fiction / Action

Originaltitel: Moonfall
Laufzeit: 126 min.
Produktionsland: Großbritannien / China / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Roland Emmerich
Musik: Harald Kloser, Thomas Wanker
Besetzung: Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Michael Peña, Charlie Plummer, Kelly Yu, Donald Sutherland, Eme Ikwuakor, Carolina Bartczak, Maxim Roy, Stephen Bogaert, Azriel Dalman


Kurzinhalt:

Mehr als 10 Jahre, nachdem NASA-Astronaut Brian Harper (Patrick Wilson) nach einem Skandal um ein Unglück bei einer Shuttle-Mission den Dienst quittierte, sucht ihn K. C. Houseman (John Bradley) auf, der eine weltverändernde Entdeckung gemacht hat. Seinen Berechnungen zufolge hat der Mond seine Umlaufbahn verlassen und könnte auf die Erde stürzen. Er hat auch eine Theorie, weshalb dies passieren konnte. Die NASA selbst, bei der Brians damalige Kollegin Jo Fowler (Halle Berry) inzwischen die stellvertretende Leitung innehat, hat die Abweichungen beim Mondorbit ebenfalls erkannt. Eine Mission, um die Ursache an der Oberfläche zu suchen, fördert einen riesigen Schwarm zu Tage, den Brian bei dem Unglück behauptete, gesehen zu haben, und dessen Existenz die NASA immer abstritt. Während Jo einen waghalsigen Plan ersinnt, eine weitere bemannte Mission zum Mond zu starten, mit Brian als Teil des Teams, wird deutlich, dass der Mond in wenigen Wochen bereits zu dicht an der Erde sein und in Stücke gerissen werden wird. Die Auswirkungen führen überall auf dem Planeten bereits zu nie dagewesenen Katastrophen. Womit es die Rettungsmission zu tun hat, übersteigt ihre kühnste Vorstellungskraft …


Kritik:
Roland Emmerichs Moonfall ist ein Film, der seinem Publikum ein Schleudertrauma zufügen kann, denn wer nicht bereits während des Vorspanns sämtliche Gehirnfunktionen bis auf die überlebensnotwendigen einstellt, wird aus dem Kopfschütteln nicht herauskommen. Der von Patrick Wilson gespielte Astronaut Brian Harper sagt in einem Moment, „Das ist eine neue Kategorie des Wahnsinns“. Er könnte sich auch auf das Drehbuch bezogen haben. Dass Emmerich aus einer so absurden Idee wie hier, da der Mond auf die Erde zu stürzen droht, einen unterhaltsamen Katastrophenfilm zu erzählen vermag, hat er mehrfach bereits bewiesen. Doch von seiner handwerklichen und erzählerischen Routine von einst, ganz zu schweigen von jeglicher Finesse, ist hier nichts zu sehen.

Die Geschichte beginnt nach einem kurzen Ausflug ins Jahr 1969 zur Apollo 11-Mission, die erstmals Menschen zum Mond gebracht hat, im Januar 2011, als die Astronautin Jocinda „Jo“ Fowler und die beiden Astronauten Brian und Marcus in der Erdumlaufbahn einen Satelliten reparieren sollen. Doch die Besatzung des Space Shuttles wird von einer Intelligenz angegriffen, einem schwarmähnlichen Wesen. Es ist eine Katastrophe, die vertuscht und auf menschliches Versagen zurückgeführt wird. Brian ist zu Beginn ein Held, doch als er öffentlich Antworten von der NASA verlangt, fällt er in Ungnade. Mehr als zehn Jahre später steht Brian, inzwischen geschieden, kurz davor, sein Haus zu verlieren. Jo hingegen ist Vizedirektorin der NASA. Doch dann sucht K. C. Brian mit einer Entdeckung auf, die seine Theorie unterstützt und er hofft, dass Brian ihn zur NASA durchstellen kann. Dort hat man inzwischen selbst herausgefunden, dass der Mond offenbar seine Umlaufbahn verlassen hat. Nach den aktuellen Berechnungen wird es nur drei Wochen dauern, ehe der Erdtrabant dem Planeten so nahe gekommen ist, dass er in Trümmer zerfallen wird, die auf die Erde regnen werden. Von den ganzen anderen Auswirkungen ganz zu schweigen, immerhin ist der Mond unter anderem für Ebbe und Flut verantwortlich.

Man mag sich anfangs fragen, welche irgendwie plausible klingende Erklärung die Verantwortlichen für das Gezeigte finden wollen, aber die viel entscheidendere Frage ist, ob die Erläuterungen, die Filmemacher Emmerich und seine beiden Ko-Autoren liefern – und sie liefern am Ende viel, viel mehr Erklärungen, als gut für Moonfall ist – absurder hätten ausfallen können. Es hat den Anschein, als hätten die Drehbuchautoren schlicht allerlei mögliche Trendbegriffe zusammengeworfen und dies mit Bildern eines sich auflösenden Mondes und einer in Katastrophen versinkenden Erde verbunden, in der Hoffnung, dass man bei der audiovisuellen Reizüberflutung nichts davon wahrnehmen wird. Das könnte auch durchaus funktionieren und man wäre bereit, viel Hanebüchenes zu akzeptieren, wenn es denn vernünftig dargebracht wäre. Aber nicht nur, dass der Film ein Dutzend Figuren vorstellt, die er immer wieder begleitet, er ist an den Charakteren selbst nicht interessiert. Sie sind gewissermaßen das notwendige Übel, um dem Publikum bestimmte Eindrücke präsentieren zu können. Das führt dann unter anderem dazu, dass zwei Figuren, die jeweils kein Dutzend Dialogzeilen zugeschrieben bekommen, offenbar einen persönlichen Konflikt miteinander ausfechten, der, nicht dass es eine Rolle spiele würde, mit einem Wortwechsel im Stile von „Können wir nett zu einander sein?“ „Ok.“ aufgelöst wird. Sind die Dialoge eingangs nur pseudowichtiges Geschwurbel, werden sie ab dem zweiten Drittel zunehmend hölzerner und abstruser. Bis hin zu unsäglich kitschigen und klischeebeladenen Einzeilern, bei denen man sich beinahe fremdschämend möchte.

Es lenkt gewissermaßen davon ab, dass die Figuren auf unverständliche plumpe Art und Weise hier zusammengeführt werden. Anstatt verschiedene Storyfäden zu beginnen, die Figuren für sich zu entwickeln, um sie dann miteinander zu verzahnen, werden Momente mit ihnen wild durcheinander gewürfelt, nur darauf aus, noch einen Schauwert zu zeigen. Wirklich mitfiebern kann man mit Brians Sohn hier nicht, oder mit Jos Au-pair. Ganz zu schweigen von Jos Sohn, oder ihrem Ex-Mann. Oder Brians Ex-Frau, geschweige denn ihrem neuen Mann, gespielt von Michael Peña in einer unvorstellbar nebensächlichen Rolle. Oder deren zwei Töchter, deren Namen nicht ansatzweise in Erinnerung bleiben. Es gibt viele Figuren, die keine nennenswerte Rolle spielen, schon allein, weil die Rettungsmission zum Mond nur von den drei Hauptfiguren bestritten wird – in einem Space Shuttle, das aus einem Museum offenbar in Tagen wieder flugtauglich gemacht wird.

Bei den geradezu aufdringlichen und unzählbar vielen Produktplatzierungen kann man beinahe übersehen, dass Emmerich an der eigenen Absurdität seiner Story keinen wirklichen Spaß zu haben scheint. So ist, wie bei vielen seiner Filme, am Ende bedeutend mehr Bauland verfügbar, als zu Beginn, aber die Szenen werden in einer Hektik präsentiert, dass man das zerstörerische Inferno gar nicht aufsaugen kann. Man denke an den langen Aufbau des ersten Alien-Angriffs bei Independence Day [1996], bei dem sich das Geschehen an mehreren Ortschaften gleichzeitig zuspitzt, oder den alles in Sekunden gefrierenden Supersturm in The Day After Tomorrow [2004]. Es sind Abschnitte, die auch beim wiederholten Ansehen packen, die ein Gefühl der Bedrohung und der Unausweichlichkeit suggerieren. Rollt hier eine riesige Flutwelle auf die Protagonisten zu, oder werden Autos und Züge in die Luft gerissen von der Anziehungskraft des Mondes, dann ist das ein Schauwert, ohne emotionale Zugkraft, weil die Figuren, die dies erleben, nichts beim Publikum auslösen. Es ist auch so schnell vorbei, wie es begonnen hat.

Mag sein, dass man Moonfall irgendwann als heiligen Gral der auf Film gebannten Pseudoalternativwissenschaften feiern wird. Immerhin erweist sich Emmerichs The Day After Tomorrow in beunruhigendem Maße wenigstens stellenweise als prophetisch und auch hier haben offenbar Spezialisten der NASA in beratender Funktion mitgewirkt. Aber ich lehne mich jetzt einfach mal ganz weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass eher der Himmel einstürzt, als dass sich die Kernidee des Drehbuchs hier als zutreffend erweist. Darum müsste der Rest (Präsentation, Unterhaltungswert etc.) für sich bestehen können. Doch das kann er leider nicht.


Fazit:
Ob selbst Emmerichs frühere Erfolge wie Independence Day mit ihrer überzogenen, naiven Erzählweise heute noch bestehen könnten, ist eine Frage für eine andere Diskussion. Nimmt man jenem Film aber beispielsweise die offenkundig kitschigen oder klischeehaften Momente, bleiben genügend Substanz, ausreichend einfallsreiche Ideen und eine mitreißende Umsetzung, um gefallen zu können. Genau diese Aspekte enttäuschen bei Moonfall durchgehend. Die einzelnen Szenen sind unbeholfen aneinander gereiht, was unter anderem beim Finale auffällt, das auf mehreren Ebenen stattfindet und ständig die Sicht wechselt, so dass keine Sequenz am Stück erzählt wird. Sie alle sind mit dem Spannungsbogen auseinandergerissen. Über den Inhalt sollte man den Mantel des Schweigens breiten, doch dann fällt umso mehr auf, dass die zahlreichen Trickeffekte im besten Fall nur mittelmäßig aussehen. Wenn nicht einmal Aufnahmen der Figuren vor einer Stadtkulisse echt sind, wie sollen dann sich auflösende Kontinente überzeugen können? Eine Autoverfolgungsjagd im letzten Drittel erinnert an die Grafik eines Videospiels vor 15 Jahren, bei dem man aber eine bessere Übersicht hatte, als in dieser Szene. Man könnte sagen, dass dies als vollkommen sinnfreie Unterhaltung für ein geneigtes Publikum amüsantes B-Film-Flair entfalten könnte, wäre die allgemeine Umsetzung nicht so unterdurchschnittlich. Umso bedauerlicher ist das, weil manche Ideen, so abstrus sie sein mögen, an sich nicht schlecht sind. Roland Emmerichs Moonfall ist inhaltlich vollkommen absurd, handwerklich erschreckend unterdurchschnittlich umgesetzt, dabei kitschig und klischeebeladen – aber, und das zählt auch etwas, nicht bösartig. Immerhin.