Mit Liebe und Entschlossenheit [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Juni 2023
Genre: Drama / Liebesfilm

Originaltitel: Avec amour et acharnement
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Claire Denis
Musik: Stuart Staples, Tindersticks
Besetzung: Juliette Binoche, Vincent Lindon, Grégoire Colin, Bulle Ogier, Issa Perica, Mati Diop, Hana Magimel, Alice Mesnard


Kurzinhalt:

Nach einem gemeinsamen Urlaub mit ihrem Lebensgefährten Jean (Vincent Lindon), mit dem sie seit beinahe 10 Jahren zusammen ist, sieht die Radiomoderatorin Sara (Juliette Binoche) auf dem Weg ins Studio ihren vorigen Partner François (Grégoire Colin). Der Anblick weckt Erinnerungen und Gefühle in ihr, die sie sich selbst nicht eingesteht. Jean erzählt sie von der Begegnung und redet sich selbst dabei ein, dass sie nichts zu bedeuten habe. Doch François, mit dem Jean früher befreundet war, wird eine größere Rolle in ihrem Leben spielen, da Jean, dem es nach einem Gefängnisaufenthalt schwerfällt, Arbeit zu finden, in eine Agentur einsteigen will, die François derzeit aufbaut. Während Sara immer stärker zwischen ihren Gefühlen für Jean und für François hin- und hergerissen wird, erkennt Jean, dass ihm die Frau an seiner Seite immer mehr entgleitet, während er bemüht ist, Anschluss zu seinem entfremdeten Sohn Marcus (Issa Perica) zu finden, der bei Jeans Mutter Nelly (Bulle Ogier) aufwächst …


Kritik:
Wovon Filmemacherin Claire Denis in Mit Liebe und Entschlossenheit erzählt, verrät sie bereits im Titel. Doch anstatt die Liebe als stärkste Emotion vorzustellen, die Ozeane überwinden kann, schildert sie sie als eine Kraft, die gleichermaßen entzweien kann, die Leben niederreißt und Glück zerstört. Mit Juliette Binoche und Vincent Lindon stark besetzt, ist das für das richtige Publikum sehenswert, selbst wenn das Drama zu lange im Dunkeln hält, worauf es am Ende aus ist und letzteres sicher vielen missfallen wird.

Es beginnt mit dem Einblick in die Beziehung zweier lebenserfahrener Menschen, die glücklich miteinander sind. Sie verbringen einen Urlaub am Strand, haben Spaß mit und Respekt voreinander. Zurück in ihrer Wohnung in Paris verständigen sie sich ohne viele Worte, so vertraut ist ihr Umgang. Dennoch berühren sie sich, lassen das Gegenüber spüren, das man da ist. In einem Alltag, der geprägt ist von Distanz, da die Menschen auf Grund der Coronavirus-Pandemie Masken tragen und Abstand wahren, ist dies ein Gegengewicht. Während Sara nach ihrer Rückkehr als Radiomoderatorin ins Studio zurückkehrt, ist Jean auf der Suche nach Arbeit. Doch als Sara das Studiogelände betritt, glaubt sie, jemanden gesehen zu haben. Es ist ein Gefühl, das sie nicht loslässt, das sie mehr beschäftigt, als sie sich selbst eingesteht. Bei der Person handelt es sich um ihren vorigen Partner François, den sie nach ihrer eigenen Aussage sehr geliebt hat. Jean lernte sie kennen, noch als sie mit François zusammen war. Tatsächlich tritt er wieder in ihr Leben, denn Jean, dem es auf Grund einer verbüßten Gefängnisstrafe schwerfällt, Arbeit zu finden, will in eine Vermittlungsagentur für Sportlerinnen und Sportler einsteigen, die François gerade gründet.

Bis Sara tatsächlich auf François trifft, vergeht viel Zeit. Und doch ist dieser Mann nach dem ersten, flüchtigen Blick ein Teil im Leben von ihr und Jean. Dabei versichert Sara Jean, dass er sich keine Sorgen machen soll. Seit zehn Jahren ist sie von François getrennt, doch als sie ihn tatsächlich sieht, als beide aufeinander treffen, ist es, als würde Sara nach Hause kommen. Ihr Blick ist voller Sehnsucht, eine innere Aufregung erfasst sie ebenso wie eine Vertrautheit, als wären alle Menschen um sie herum bedeutungslos. Sie verliert sich in seiner Präsenz, seinem Blick und seinem Begehren nach ihr. Und doch, das stellt Mit Liebe und Entschlossenheit heraus, sind ihre Gefühle für Jean nicht anders, als zuvor. Regisseurin Claire Denis versucht zu destillieren, wie es sich anfühlen muss, wenn man zwei Menschen gleichzeitig liebt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen heraus. Zwar erzählt Sara Jean, dass sie sich nicht nochmals auf François einlassen wird, dass sie sich nicht ohne Grund getrennt haben, doch wen sie damit beruhigen will, ist in diesem Momenten nicht klar.

Während die Geschichte die Auswirkungen dieser Situation sowohl auf Jean als auch auf Sara beleuchtet, bleibt der dritte im Bunde, François, gewissermaßen außen vor. Ob er Sara tatsächlich liebt, oder ob er ein Besitz ergreifender Narzisst ist, der sie lediglich manipuliert, wird nicht ganz deutlich. Beides könnte der Fall sein und Sara als Opfer einer toxischen Beziehung gleichzeitig Täterin gegenüber Jean, den sie ebenso belügt, wie sich selbst, wenn es um ihre Gefühle geht. Zwar reden er und Sara im Verlauf von Mit Liebe und Entschlossenheit viel miteinander, doch sie sagen sich nicht alles. So wie sie ausweicht, wenn es um François geht, um den sie früher oder später alle Gespräche kreisen lässt, so erzählt er kaum von seiner Arbeit, weicht aus, wenn zur Sprache kommt, wann er bezahlt wird. Das Drehbuch schweigt sich darüber aus, weshalb er im Gefängnis war und zudem belastet ihn das schwierige Verhältnis zu seinem 15jährigen Sohn Marcus, für denJeans Mutter Nelly das Sorgerecht hat.

Inwieweit diese Nebenhandlung entscheidend ist, sei dahingestellt, sie macht das Drama, das mit beinahe zwei Stunden spürbar länger ist, als es sein müsste, merklich zäher. Während die Geschichte überwiegend aus Saras Perspektive erzählt wird, die zwischen ihren Gefühlen zerrieben wird, ist letztlich Jean die interessantere Figur. Über Sara erfährt das Publikum kaum etwas, in Jeans Leben hingegen hat sich nichts so entwickelt, wie es sich der ehemalige Rugby-Spieler einst vorgestellt hatte. Diese unterschiedlichen Charaktere zu begleiten, wie die eine leugnet, was sie empfindet und es nicht einmal offen auszusprechen wagt, während der andere spürt, dass er die Frau, die er liebt, verliert, ist faszinierend, aber nicht packend. Auch, weil sie erst sehr spät offen miteinander sprechen. Das bedeutet nicht, dass Mit Liebe und Entschlossenheit nicht greifbar erzählt wäre, im Gegenteil. Viele Menschen verhalten sich eben so, wie hier dargestellt, erkennen das von Außen Offensichtliche nicht an und flüchten sich in ihre eigenen Blickwinkel. Aber so lebendig und nachvollziehbar sowohl Juliette Binoche als auch Vincent Lindon dies zum Leben erwecken, ihre Tour de Force nimmt emotional kaum mit. Lässt man sich darauf ein, steckt Claire Denis’ Film voller gelungener Beobachtungen des menschlichen Zusammenlebens. Herausfordernd ist es dennoch.


Fazit:
So glücklich die beiden Protagonisten zu Beginn sind, nachdem die Begegnung mit François Sara emotional aus der Bahn wirft, leben sie und Jean zwar noch miteinander, aber sie teilen nicht alles, was sie beschäftigt. Im Gegensatz dazu steht eine Vertrautheit mit ihrem ehemaligen Partner, dessen Wirkung Sara sich selbst nicht eingesteht. Wird sie offen von Jean darauf angesprochen, kehrt sie die Situation um und beschimpft ihn gar. Regisseurin Claire Denis erzählt eine Geschichte, in der ein Teenager der erwachsenste ist, weil er weiß, was er will – selbst wenn sein Vater ihm verbietet, dies zu tun. Die Dekonstruktion einer eingangs intakten Beziehung zu beobachten, ist interessant, die Authentizität des Dramas teilweise gar erschreckend. Vor allem ist Mit Liebe und Entschlossenheit, wenn am Ende in einem Streit alles aus den Figuren herausbricht, fantastisch gespielt, so dass einem beim Zusehen heiß und kalt wird. Juliette Binoche ist einmal mehr eine Naturgewalt, deren Auflösung zu begleiten, über das Ende hinaus fesselt. Ausdauernd inszeniert, ist dies bis zum letzten Drittel kaum spannend, für ein richtiges Publikum, das sich darauf einlässt, aber nichtsdestotrotz sehenswert. Selbst wenn die endgültige Auflösung, wie im wirklichen Leben, nur Verlierer kennt.