Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer [2019]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. April 2019
Genre: Animation / Komödie

Originaltitel: Missing Link
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Chris Butler
Musik: Carter Burwell
Stimmen: Zach Galifianakis (Bastian Pastewka), Hugh Jackman (Christoph Maria Herbst), Zoe Saldana (Collien Ulmen-Fernandes), Timothy Olyphant (David Nathan), Stephen Fry (Lutz Riedel), Emma Thompson, Amrita Acharia, Matt Lucas, David Walliams


Kurzinhalt:

Abenteurer und Entdecker Sir Lionel Frost (Hugh Jackman / Christoph Maria Herbst) will sich unbedingt in London und vor allem der elitären Gesellschaft um Lord Piggot-Dunceb (Stephen Fry / Lutz Riedel) beweisen. Doch der findet bereits Frosts moderne Ansichten der Evolution abstoßend und sieht die Männer an der Spitze der Welt. So geht der Lord mit Frost eine Wette ein: Wenn Sir Lionel einen unumstößlichen Beweis für die Existenz des Bigfoot erbringt, wird er in den ehrwürdigen Kreis aufgenommen. Daraufhin reist Frost nach Amerika und findet sogar das Wesen, das er Mister Link (Zach Galifianakis / Bastian Pastewka) nennt. Der kann nicht nur schreiben und sprechen, sondern ist ebenso harmlos, schlau und gefühlvoll – und einsam. Er hatte Sir Lionel auf sich aufmerksam gemacht in der Hoffnung, dass er ihm helfen könnte, andere seiner Art zu finden. Die vermutet Mister Link im Himalaya. Dafür benötigen sie eine Karte, die Adelina Fortnight (Zoe Saldana / Collien Ulmen-Fernandes) aufbewahrt. Zu allem Überfluss hat Lord Piggot-Dunceb den Killer Stenk (Timothy Olyphant / David Nathan) auf die Abenteurer angesetzt …


Kritik:
Wie die bisherigen Werke des Animationsfilmstudios Laika, darunter Coraline [2009], ParaNorman [2012] und Kubo – Der tapfere Samurai [2016], verzaubert Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer durch die liebevolle und umwerfende Animation der teils goldigen Figuren, dass man beinahe übersehen könnte, welche Chance sich die Filmemacher entgehen lassen. Denn während Regisseur Chris Butler ein Lehrstück im handgemachten Geschichtenerzählen gelingt, ist es die Story selbst, die sich trotz der politischen Botschaft nicht entscheidet und damit inkonsequent zu Ende erzählt wird.

In deren Zentrum steht der wohlhabende Sir Lionel Frost aus gutem britischen Haus, der alles dafür tun würde, dem elitären Club der „Gemeinschaft der Abenteurer“ anzugehören. Darin trifft sich die britische High Society und berichtet über ihre großen Entdeckungen oder Erfolge bei der Jagd auf alle möglichen aussterbenden Tierarten. An der Spitze der den Herren vorbehaltenen Gesellschaft steht Lord Piggot-Dunceb. Er ist der Inbegriff des alten – und ebenso überholten – Patriarchats, das sich selbst als Krone der Schöpfung sieht, indem er sagt, dass große Männer die Welt formen. Die Antwort, dass die Welt die Menschen formt, lässt sich mit seinem Bild der Natur nicht vereinen.
Um endlich Teil dieser Runde zu werden, reist Frost in die USA, um Beweise für die Existenz des Sasquatch zu finden. Hierzu hat er kürzlich einen Brief erhalten, der ihn in die richtige Richtung lenkt. Auf der anderen Seite der Welt trifft er auf eine riesige, behaarte Kreatur, die für ihn das fehlende Bindeglied zwischen den Affen und den Menschen darstellt. Deshalb nennt Frost das Wesen „Mister Link“ eine Abwandlung von „Missing Link“, die dem eigentlichen Zielpublikum jedoch verborgen bleiben dürfte.

Tatsächlich hat Mister Link Frost zu sich geführt in der Hoffnung, dass dieser ihm helfen kann, andere seiner Art zu finden, denn in den rasch dahinschwindenden Wäldern Nordamerikas ist er der letzte seiner Art. Er selbst vermutet, dass im Himalaya, an dem sagenumwobenen Ort Shangri-La, andere Wesen leben, die wir er selbst sind. So machen sich Frost und Mister Link auf, Yetis zu suchen, verfolgt von dem Schurken Stenk, der von Lord Piggot-Dunceb angeheuert wurde, um zu verhindern, dass dieser Erfolg hat. Denn würde Frost den Beweis für ein fehlendes Bindeglied finden, könnte das den Menschen als nach göttlichem Ebenbild geschaffene Krone der Schöpfung erniedrigen.
Die Story von Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer verspricht ein großes Abenteuer, das über mehrere Kontinente und in allerlei Kulturen führt. Aber leider weiß das Drehbuch daraus kaum etwas zu machen. Abgesehen von ein paar Szenen in London, einem Ritt auf einem Elefanten durch den indischen Dschungel und eben Shangri‑La kommt kaum Abenteuerfeeling auf. Dafür sind die einzelnen Szenen zu abgekapselt und die Reise schlicht zu kurz. Obwohl die Dynamik zwischen Frost und Mr. Link durchaus funktioniert und merklich an die Beziehung zwischen Phileas Fogg und Passepartout in Jules Vernes‘ Klassiker In 80 Tagen um die Welt [1873] erinnert.

Es ist auch nicht, dass die Umgebung nicht facettenreich genug wäre, ganz im Gegenteil. Die Sets sind zum Teil unvorstellbar detailliert und farbenfroh umgesetzt. Ebenso beeindruckt, wie viele Figuren stellenweise gleichzeitig im Bild zu sehen sind. Gleiches gilt für die Mimik selbst und allein die Augenpartien. Viele Perspektiven lassen mitunter keinen Unterschied zu realen Aufnahmen erkennen, die Animationen sind butterweich, ohne hakelige Bewegungen. Das gesamte Aussehen von Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer ist zwar stilisiert und überzeichnet mit den spitzen Nasen und den schlaksigen Beinen. Aber es ist in sich stimmig. Gleichzeitig wirken aber die flotteren Momente und die Actionszenen merklich behäbig, als würde es den Figuren beispielsweise bei der Schlägerei in der Taverne an Kraft fehlen. Die bedächtigen Abläufe fügen sich zwar in den körperlichen Slapstick-Humor ein, mit dem sich die Komödie eher an ein junges Publikum richtet, aber sie passen nicht so recht zum Abenteurer-Genre.

Man könnte vermuten, dass Mister Link damit endet, dass Susan – wie sich Mister Link selbst nennt – auf die Yetis trifft, dabei findet der Film in der Begegnung erst seine eigentliche Botschaft, die er dem älteren Publikum mit auf den Weg gibt. Für die jüngsten Zuschauer wird die politische Anspielung zu abstrakt sein, aber sie ist unumwunden das Hauptelement von Chris Butlers Film. Darin hält er der Gesellschaft gekonnt den Spiegel vor, wenn er von einer abgeschotteten Zivilisation erzählt, die wie im Paradies lebt, in dem jedoch Außenstehende nicht willkommen sind. Auch mit dem vermeintlichen Helfer Sir Lionel Frost, der bei Susans Weg zu einem neuen Zuhause eine zentrale Rolle spielt, aber weniger an dem einsamen Wesen als an seiner eigenen Reputation interessiert ist, bringt der Film auf kindgerechte Weise eine Kritik an der Gesellschaft an, die sich diese nur ungern anhören will. Mit wie wenigen Worten die die Reise begleitende und leider unterforderte Adelina Sir Lionel hier demaskiert, wenn sie ihm ins Gewissen redet, ist überaus gelungen.
Einige treffende Lacher sind auch für Erwachsene enthalten und diesem Publikum werden sich auch die böseren Kommentare der Figuren erschließen, aber vorrangig ist Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer ein Film für Kinder. Dagegen ist auch nichts einzuwenden.


Fazit:
Wirklich Tempo nimmt die Story um den Abenteurer und „Meisterjäger“ Sir Lionel Frost und das Wesen Mister Link nie auf. Dafür reisen sie zu viel von einem Ort zum anderen, ohne dass Unvorhergesehenes geschieht oder sie nicht weiter kommen. Auch Nebenfiguren wie die Witwe eines anderen Entdeckers, Adelina, bekommen kaum etwas zu tun und sind mehr schmückendes Beiwerk. So wichtig und universell die Geschichte ist, so eindrucksvoll auch die Machart, die Erzählung selbst wird dem nie ganz gerecht. Das macht Mister Link - Ein fellig verrücktes Abenteuer am Ende nicht weniger sehenswert, aber es sorgt dafür, dass der toll gemachte Animationsfilm nicht so lange nachwirkt oder überhaupt im Gedächtnis haftet, wie der deutlich sichtbare Aufwand es an sich verdienen würde. Am Ende bleibt ein liebevoll detaillierter und atemberaubend animierter Abenteuerfilm für die ganze Familie, in dessen Kern sich eine politische Botschaft verbirgt, der aber nie sein ganzes Potential entfaltet und bei dem das jüngere Publikum mehr auf seine Kosten kommt.