Macbeth [2021]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Mai 2022
Genre: Drama

Originaltitel: The Tragedy of Macbeth
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Joel Coen
Musik: Carter Burwell
Besetzung: Denzel Washington, Frances McDormand, Alex Hassell, Bertie Carvel, Corey Hawkins, Harry Melling, Kathryn Hunter, Brendan Gleeson, Miles Anderson, Matt Helm, Jacob McCarthy, Moses Ingram, Ethan Hutchinson, Scott Subiono, Brian Thompson, Lucas Barker


Kurzinhalt:

Der schottische General Lord Macbeth (Denzel Washington) ist ein treuer Vasall des Königs Duncan (Brendan Gleeson), der diesen gerade eben gegen den norwegischen König in einer großen Schlacht verteidigt hat. Zusammen mit dem königlichen Heerführer Banquo (Bertie Carvel) ist er auf dem Weg zum König, als ihm drei Hexen (Kathryn Hunter) erscheinen und unter anderem prophezeien, dass Macbeth König und Banquo Stammvater von Königen werden wird. Als sich ein anderer Teil der Prophezeiung erfüllt, wird Lord Macbeth zunehmend vom Gedanken daran, König zu werden, eingenommen und beschließt mit seiner Frau Lady Macbeth (Frances McDormand), den König zu ermorden. Um die übrigen Weissagungen zu verhindern, lässt Macbeth immer mehr Morde begehen und so verfällt er durch die Gier nach Macht zunehmend dem Wahn. Dabei regt sich längst Widerstand im Land, der in einen Bürgerkrieg führen wird …


Kritik:
In seiner ersten Regiearbeit ohne seinen Bruder Ethan, interpretiert Joel Coen die beinahe 400 Jahre alte Tragödie Macbeth [1623] von William Shakespeare neu und präsentiert seine Erzählung als perfekte Verschmelzung der Medien Theater und Film. In im wörtlichen Sinne Traum-haften Bildern schildert er die klassische Geschichte eines Generals, der um der Macht Willen immer tiefer dem Wahnsinn verfällt. Bereits auf Grund der Sprache eignet sich das nur für ein bestimmtes Publikum, das jedoch, kommt bei Macbeth ganz auf seine Kosten.

Im Zentrum steht der Titel gebende schottische General Macbeth, der für König Duncan gegen den norwegischen König Sweno kämpfte und dem nach der Schlacht drei Hexen erscheinen, die ihm prophezeien, dass er, bislang lediglich Thane von Glamis, nicht nur ebenfalls Thane von Cawdor werden wird, sondern auch König. Macbeths Begleiter Banquo unterdessen wird geweissagt, er werde Stammvater von Königen werden. Als treuer Vasall des Königs tut Macbeth die Prophezeiung ab, bis sich herausstellt, dass der bisherige Thane von Cawdor ebenfalls den norwegischen König unterstützte und nach dessen Hinrichtung Duncan Macbeth zum Thane von Cawdor ernennt. Machttrunken berichtet Macbeth seiner Frau von der Prophezeiung und gemeinsam planen sie die Ermordung des Königs. Doch um den Thron zu behalten, muss der kinderlose Macbeth immer noch mehr Morde begehen lassen und verfällt dabei der Paranoia und dem Wahnsinn, so wie Lady Macbeth, die an ihren Schuldgefühlen zerbricht.

Die Auswirkungen von krankhaftem Ehrgeiz der Macht suchenden auszuloten, sowohl was die körperlichen wie auch die psychologischen Aspekte anbelangt, steht im Zentrum von Macbeth und dass dies so eindrucksvoll gelingt, liegt nicht zuletzt an den beiden fantastischen Darbietungen im Zentrum. Als Lord und Lady Macbeth brillieren Denzel Washington und Frances McDormand mit preiswürdigen Leistungen. Nicht nur, weil sie die immens melodische Sprache glaubhaft und eingängig zum Leben zu erwecken, sondern weil sie eine gelungene Balance finden zwischen einer facettenreichen, zurückhaltenden Darbietung und dem für das Theater klassischerweise bekannten, expressionistischen Schauspiel. Macbeths Selbstzweifel, seine wachsende Paranoia bis hin zu seinem sich selbst belügenden Größenwahn bringt Washington dabei sehenswert zur Geltung.

Anstatt die Tragödie als opulentes Kostümfest zu inszenieren, entscheidet sich Regisseur Joel Coen für eine andere Herangehensweise, die vermutlich ein Großteil des Publikums abschrecken wird. Durchgehend in schwarzweiß gefilmt, was letztlich dazu führte, dass wohl selbst die meisten Kostüme ohne farblichen Akzente auskommen mussten, erscheint Macbeth wie eine weitestgehend abstrahierte Version einer filmischen Inszenierung. Vollständig im Studio gedreht, erzeugt die Produktion das Gefühl, man befände sich auf einer gänzlich umschließenden Theaterbühne. Die Wände sie allesamt so hoch, dass man für gewöhnlich keine Decken sehen kann, alle Elemente des Bühnenbildes wirken in Rechtecke eingeteilt, so dass klare Kanten und geometrische Figuren zu sehen sind. Dies schließt auch das Kostümbild mit ein. Hinzu kommen harte Schatten, ein Spiel aus Licht und viel Schwarz, als wäre die Szenerie von Bühnenlicht erleuchtet. Der Look ist einzigartig und fördert teils überragend raue wie schöne Bilder zum Vorschein. Die gemeinhin mit jener Epoche verbundene Opulenz muss so weichen und eröffnet den Blick auf die harschen Elemente der Geschichte. Dass man dabei nicht eindeutig sagen kann, was bei Tag und was bei Nacht geschieht, ist beabsichtigt und lässt man sich auf das ungewöhnliche, sogenannte „Academy-Bildformat“ von 1.37:1 ein, erweckt dies nicht nur den Eindruck, man würde ein Werk aus dem Anbeginn der Zeit der bewegten Bilder erblicken. Vielmehr schärft es den Blick des Publikums, ins Zentrum zu sehen, die feinsten Regungen in den Gesichtern der Schauspielerinnen und Schauspieler, anstatt durch eine bildschirmfüllende Immersion den Fokus des Wesentlichen zu verlieren.

Durch diese künstlerischen Entscheidungen, ganz zu schweigen von den Dialogen, die mit der heutigen Art zu sprechen nur entfernt verwandt sind, richtet sich Macbeth nicht an ein großes Publikum. Doch als moderne Interpretation des klassischen Stücks findet Filmemacher Joel Coen einen frischen und eindrucksvollen Ansatz, der nicht nur ein Publikum, das mit der Geschichte bereits vertraut ist, dafür interessieren kann. Anstatt einen künstlerischen Anspruch zu generieren, erwächst dieser hier aus den einzelnen Aspekten der handwerklichen Umsetzung. Als solches ist das mehr als nur gelungen.


Fazit:
Wird Macbeth sein Schicksal erst einmal verheißen, verzehrt ihn der Gedanke daran Stück um Stück, angefacht vom Ehrgeiz seiner Frau. Doch je weiter er sich von der Person entfernt, der er einst war, umso mehr besiegelt er so sein Schicksal. Dieser Abstieg ist von Denzel Washington und Frances McDormand überragend und mitreißend verkörpert. Sie erwecken Joel Coens Interpretation der klassischen Tragödie zum Leben, die durch ihre schwer zu beschreibende Optik erscheint, als würde sie die klassische Theaterbühne und das Medium Film mit modernen Stilelementen zusammenbringen. Macbeth ist ein stellenweise so atemberaubend in Szene gesetzter wie eigenwilliger und damit für manche vermutlich nur schwer zugänglicher Film. Das ist kein Kritikpunkt, sondern lediglich eine Feststellung und soll erklären, weshalb die preisgekrönte Adaption nur ein bestimmtes Publikum anspricht. Das macht sie letztlich nicht weniger sehenswert.