M3gan [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Januar 2023
Genre: Horror / Science Fiction

Originaltitel: M3GAN
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Gerard Johnstone
Musik: Anthony Willis
Besetzung: Allison Williams, Violet McGraw, Amie Donald, Jenna Davis (Stimme), Ronny Chieng, Brian Jordan, Jen Van Epps, Stephane Garneau-Monten, Jack Cassidy, Lori Dungey


Kurzinhalt:

Die künstlichen Haustiere von Robotikingenieurin Gemma (Allison Williams) sind ein großer Erfolg für David Lins (Ronny Chieng) Firma. Doch der Druck wächst, dass die Erfinderin ein neues, billigeres Spielzeug entwickelt. Umso unpassender scheint ihr Versuch, mit dem „Model 3 Generative Android“, kurz M3GAN (Amie Donald / Jenna Davis), einen menschlich anmutenden Roboter zu entwickeln. Doch als die sehr in ihren Strukturen verhaftete Gemma die Nachricht erhält, dass ihre Schwester nebst Schwager bei einem Unfall ums Leben kam und sie das Sorgerecht für ihre Nichte Cady (Violet McGraw) übernehmen soll, sieht sie in M3GAN eine Möglichkeit. Zum einen, dass der Androide sie selbst bei der Erziehung unterstützt, zum anderen, dass M3GAN mit Cady als Bezugsperson verknüpft wird. Sie hat dann die Aufgabe, körperlichen wie seelischen Schaden von Cady fernzuhalten. Das gelingt und zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Eltern blüht Cady auf. Doch legt M3GAN sehr streng aus, wer oder was eine Bedrohung für Cady ist oder sein kann. Und ihre Schutzmaßnahmen sind nicht nur extrem, sondern tödlich …


Kritik:
Im Endeffekt bietet Gerard Johnstones M3gan, insbesondere in Anbetracht der Ausgangslage und des Kinostartfensters, das zu Beginn des Jahres meist mit wenig überzeugenden Horrorfilmen aufwartet, mehr als man erwarten würde. Aber schließlich doch weniger, als der Science Fiction-Horror-Thriller selbst verheisst. Über weite Teile überaus atmosphärisch, gelingt einzig das letzte Drittel nicht ganz. Immerhin, dem durchgehend erfreulichen Unterhaltungswert schadet das nicht wirklich.

Dabei ist kaum etwas an M3gan wirklich neu, was auch gleichzeitig einer der größten Kritikpunkte darstellt. Im Zentrum der von Conjuring - Die Heimsuchung [2013]-Regisseur James Wan produzierten Geschichte steht der Titel gebende, puppenähnliche Android M3GAN. Als Spielzeug gedacht, verfügt der Android über ein mädchenhaftes Gesicht, ist etwa 1,20 Meter groß und so fortschrittlich, dass er selbsttätig lernt und sich weiterentwickelt. M3GAN wurde von Gemma entwickelt, deren vorige Spielzeuge „Purrperual Pets“, die sich wie Haustiere geben sollen, David Lins Spielzeugfirma „Funki“ reich gemacht haben. M3GANs erste Vorstellung war zwar ein Fehlschlag, aber als Gemmas Schwester nebst Ehemann bei einem Autounfall ums Leben kommen, soll die Entwicklerin sich um ihre junge Nichte Cady kümmern, die so verloren und allein ist, wie die strukturierte Gemma, die sich mit ihrer neuen Rolle als Mutter nicht anfreunden kann, mit der Situation überfordert. Also reaktiviert sie M3GAN und trägt ihr auf, jeglichen Schaden, ob körperlich oder seelisch, von Cady fernzuhalten. Im Zuge dessen wird M3GAN mehr als nur Cadys beste Freundin. Sie wird ein Teil von Cadys Familie. Sie ist auf eine geradezu überfürsorgliche Art und Weise beschützend, bis sich Todesfälle in M3GANs Umfeld häufen, während „Funki“ eine große Markteinführung des neuen Spitzenmodells und Konkurrenzkillers vorbereitet.

All dies klingt bekannt und spiegelt am Ende in Kombination wider, was viele andere Genrefilme, ob nun mit oder ohne Horroraspekt, bereits ausgelotet haben. Was M3gan von ihnen abhebt, ist M3GAN selbst, die mit ihren großen Augen und dem wächsernen Silikongesicht auf unnachahmliche Weise dem „Uncanny Valley“ zuzuordnen ist, der Akzeptanzlücke künstlicher Figuren beim Publikum, so dass sie selbst dann unheimlich und bedrohlich erscheint, wenn sie lediglich da ist, ohne etwas zu tun. Umso unheimlicher wird die Bedrohung, wenn sich diese Figur zuerst auf menschliche Weise und später auf übermenschliche Weise bewegt. Und noch Angst einflößender ist sie, wenn ihre Dialoge Drohungen andeuten, bevor sie sie wahr werden lässt. M3GAN ist der Star des Films, wobei sie lange Zeit gar nicht auftritt und es noch länger dauert, ehe sie ihr mörderisches Potential entfaltet. Dabei ist die Geschichte um Gemma und Cady, die nicht nur mit ihrer Trauer angesichts des Verlusts umgehen lernen, sondern auch zueinander finden müssen, nicht uninteressant. Nur eben gleichermaßen in allen Schattierungen bekannt. Dennoch gelingt es Filmemacher Gerard Johnstone, seine Figuren interessant und greifbar genug zu gestalten, so dass man ihnen nicht nur folgt, sondern mit ihnen mitfiebert in der Hoffnung, dass sie sich gegen M3GAN und ihren Killerinstinkt erfolgreich zur Wehr setzen können. Hieran tragen neben den Designern des Androiden M3GAN gleichermaßen Allison Williams und Violet McGraw Anteil, die ihre Sache ausgesprochen gut machen, selbst wenn Ronny Chieng als Firmenchef David Lin in seinen Szenen mühelos die Leinwand einnimmt.

Der überzogenen Ausgangsidee sind sich die Verantwortlichen von M3gan merklich bewusst und nutzen die damit gewonnene Freiheit, ihre mörderische Puppe in all ihren Facetten in Szene zu setzen. Die vielen Anleihen an moderne Technik und Technologie-Firmen wie Tesla oder Apple sorgen zwar bei einem Publikum, das sich damit auskennt, durchaus für Schmunzeln, könnten aber letztlich ein Grund sein, dass Johnstones Film nicht allzu gut altern wird. Der Wirkung der Titelfigur schadet das indes nicht, wobei sich das Drehbuch früh nach ihrer Vorstellung bereits von der Logik ihrer Programmierung verabschiedet. Darum ergeben nicht all ihre Morde einen Sinn, vor allem dann nicht, wenn sie sich bewusst ein Opfer aussucht, das im Grunde auf ihrer Seite steht. M3GAN als blutrünstig darzustellen, hilft zwar der Horrorstory, notwendig oder nachvollziehbar ist es aber nicht.

Ungeachtet dessen ist M3gan wenigstens bis zum Finale handwerklich durchweg gut umgesetzt und sieht in Anbetracht des Budgets sogar überraschend deutlich teurer aus, als der Film tatsächlich ist. Gerade im letzten Drittel, wenn immer mehr Leichen M3GANs Weg säumen, kosten zahlreiche schnelle Schnitte die Szenen die Übersicht, was womöglich dem Umstand geschuldet ist, dass Gerard Johnstone seinen Horrorfilm für eine publikumsverträglichere Altersfreigabe in den USA kürzen musste. Es ist ein kleiner Wermutstropfen in Anbetracht eines in den richtigen Momenten temporeichen und ansonsten gelungen bewusst stimmungsvollen Science Fiction-Horrors, der weiß, was er ist und nicht nur das Beste daraus zu machen versucht, sondern sichtlich Spaß dabei hat.


Fazit:
Genrefans werden die einzelnen Elemente durchweg bekannt vorkommen, wobei Filmemacher Gerard Johnstone aktuelle technologische Entwicklungen einfließen lässt und seine Titelfigur damit greifbarer und realer erscheint, als es meistens zuvor der Fall gewesen ist. Die Kritik an der immer mehr Aufgaben übernehmenden Technologie, die menschliche Kontakte verhindert, statt fördert, ist auch durchaus angebracht, wobei das Publikum hier wohl nicht deshalb hinsehen wird. Schade ist, dass das Drehbuch, das sich der Absurdität vieler Elemente und der Klischeehaftigkeit durchaus bewusst ist, damit nicht spielt und die Erwartungen des Publikums zu unterwandern versucht. Vielmehr nimmt die Produktion den sprichwörtlichen Ball auf und rennt damit über die Ziellinie. So ist M3gan eines bedauerlicherweise überhaupt nicht: Überraschend oder gar ausgesprochen satirisch – trotz Potential. Sieht man darüber hinweg, gelingt den Verantwortlichen jedoch ein handwerklich routinierter bis sogar überaus eindrucksvoller und stimmig designter Horror-Schocker mit Technikflair, der nicht nur durchweg unterhält, sondern vor allem dank seines Killer-Stars als gelungen kurzweiliger Genrevertreter überzeugt. Das ist ein Erfolg und für Fans eine Empfehlung.