Luca [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 16. Juni 2021
Genre: Animation / Komödie / FantasyOriginaltitel: Luca
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Enrico Casarosa
Musik: Dan Romer
Stimmen: Jacob Tremblay (Francisco Palma Galisch), Jack Dylan Grazer (Oskar Hansch), Emma Berman (Marie Düe), Maya Rudolph (Ranja Bonalana), Jim Gaffigan (Michael Iwannek), Marco Barricelli (Claudio Maniscalco), Saverio Raimondo (Giovanni Zarrella), Giacomo Gianniotti (Dennis Schmidt-Foß), Francesca Fanti (Meike Finck)
Kurzinhalt:
Die Geschichte, die sich die Fischer des italienischen Küstendorfes Portorosso erzählen, stimmen wirklich: Meeresungeheuer gibt es! Dabei hat das ‚Ungeheuer‘ Luca (Jacob Tremblay / Francisco Palma Galisch) von seinen Eltern seit jeher gehört, dass die Menschen Ungeheuer seien, er sie meiden soll und sobald er ein Boot hört oder sieht, versteckt er sich. Bis er auf den draufgängerischen Alberto (Jack Dylan Grazer / Oskar Hansch) trifft, der alle möglichen Dinge der Menschen sammelt und Luca mit an die Oberfläche nimmt. Dann muss auch Luca erkennen, dass die Gerüchte wahr sind: An Land verwandelt er sich in einen menschlichen Jungen, solange er nicht mit Wasser in Berührung kommt. In Alberto findet Luca seinen besten Freund, doch als seine Eltern Daniela (Maya Rudolph / Ranja Bonalana) und Lorenzo (Jim Gaffigan / Michael Iwannek) davon erfahren, wollen sie ihn in die Tiefsee schicken, um ihn zu schützen. So macht sich Luca mit Alberto auf, das Fischerdorf zu erkunden. Sie wollen mit einer Vespa die Welt entdecken und schließen Freundschaft mit der Außenseiterin Giulia (Emma Berman / Marie Düe), ein Mädchen, dessen Vater als Fischer im Dorf lebt. Gemeinsam könnten sie das jährliche Dorfrennen gewinnen und mit dem Preisgeld die Vespa kaufen. Aber nicht nur der letzte Gewinner, Ercole (Saverio Raimondo / Giovanni Zarrella), will das verhindern. Das ganze Dorf redet von den Sichtungen der Meeresungeheuer und will ihnen an den Kragen – Luca und Alberto müssen sich also vom Wasser fernhalten. Einfacher gesagt, als getan an der italienischen Riviera …
Kritik:
In ihrem neuesten Animationsabenteuer Luca erzählen die Pixel-Künstler von Pixar eine Geschichte übers Erwachsenwerden vor der malerischen Kulisse eines italienischen Küstendorfes irgendwann in den 1950er- oder 60er-Jahren. Der Kniff an Enrico Casarosas warmherziger Fantasy-Komödie ist dabei, dass der Titel gebende Luca ebenso wie sein Freund Alberto Meeresungeheuer sind, die sich an Land unter die Menschen mischen. Auch wenn sich dies zu Beginn eher an ein jüngeres Publikum richtet, sind es die Erwachsenen, die hier in Erinnerungen schwelgen können.
Der junge Luca lebt am Boden des Meeres, wo die Sonnenstrahlen für eine farbenfrohe Tier- und Pflanzenwelt sorgen. Tagsüber verbringt er die Zeit damit, Fische zu hüten und ist fasziniert von den Dingen der Menschen, die am Meeresgrund zu finden sind. Alle Meeresungeheuer wissen, dass die Menschen gefährlich sind und darum verstecken sie sich, sobald sie ein Boot hören oder sehen. Vielleicht ist Luca gerade deshalb so sehr von den Menschen fasziniert. In dem Einzelgänger Alberto findet Luca unversehens einen Freund, der ihn an die Oberfläche führt, wo sich Meeresungeheuer, solange sie trocken sind, in Menschen verwandeln. Luca stellt in den ersten Minuten eine Welt vor, die so warmherzig, so einfallsreich und gleichzeitig mit so vielen Möglichkeiten versehen ist, dass es eine Freude ist, sich darauf einzulassen. Lucas unbändige Neugier, sein Entdeckergeist und wie schnell er für Albertos Träume Feuer und Flamme ist, sind geradezu ansteckend.
Alberto lebt seit langem bereits überwiegend an Land, auf einer etwas vor der Küste gelegenen Insel. Sein Traum ist es, mit einer Vespa die Welt zu entdecken, doch in das Dorf der Menschen traut er sich nicht. Als Lucas Eltern von seinen Ausflügen an die Oberfläche erfahren, wollen sie ihn mit seinem Onkel in die Tiefsee schicken, um ihn so weit wie möglich von den Gefahren der Menschen fernzuhalten. So macht sich Luca mit Alberto auf, das Dorf der Menschen zu erkunden, um dann mit einer Vespa die Welt zu entdecken, damit Lucas Eltern ihn nicht finden. Wenn Luca sagt, „Ich geh’ nie irgendwo hin, ich träume nur davon“, spricht er der (empfundenen) Wirklichkeit von unzähligen Kindern und Jugendlichen aus der Seele. Im Dorf treffen die beiden Freunde auf Giulia, ein rothaariges Mädchen, das nur die Sommer bei ihrem Vater im Dorf verbringt und ebenfalls eine Außenseiterin ist, so wie Luca und Alberto. Gemeinsam wollen sie das jährliche Rennen, den „Portorosso Cup“, gewinnen, um mit dem Preisgeld die langerträumte Vespa kaufen zu können.
Vor den dreien liegt ein unvergesslicher Sommer und dieses Gefühl der Unbeschwertheit der Kindheit einzufangen, gelingt Filmemacher Enrico Casarosa ausgesprochen gut. Schwelgt Luca in Tagträumen oder sieht Alberto seine eigenen Pläne des ewigen Abenteuers mit Luca in Gefahr, wenn er den von Giulia und ihrem Wissen von der Welt faszinierten Luca erblickt, wird sich vermutlich eine Jede und ein Jeder im Publikum mit einer der Figuren identifizieren können. Dass Lucas Eltern ihn suchen und ebenfalls an die Oberfläche kommen, macht die Geschichte nur interessanter, ebenso wie die Rivalität der drei mit dem letzten Gewinner des Cups, dem versnobten Ercole.
So gelungen all diese Elemente bei Luca sind, wenige davon erscheinen auf die von Pixar gewohnte Weise poliert. In der ersten Filmhälfte ist der Erzählrhythmus merklich unstrukturiert, als würde sich die Geschichte treiben lassen. Das bedeutet nicht, dass die jeweiligen Szenen nicht unterhaltsam wären, doch fehlt der Feinschliff gerade bei den unterschiedlichen Figuren, die kaum über das hinauswachsen, was man in den ersten Minuten über sie erfährt.
Die bunten Farben und das einnehmende Flair des Dorfes an der italienischen Riviera sind schlicht fantastisch, doch gerade die Unterwasserwelt wirkt recht karg. Vor allem entwickelt Luca nie den Eindruck, als gäbe es hier mehr zu entdecken, eine Mythologie um die Unterwasserwesen wird überhaupt nicht aufgebaut. Die Figuren selbst sind unglaublich putzig und die Verwandlungen sind ebenso wie zahlreiche Einstellungen eine wahre Augenweide. Doch es bleibt der Eindruck, als hätten die Macher hier mehr Zeit benötigt, diese Welt weiter auszuschmücken. So organisch und lebensnah die letzten Pixar-Filme inszeniert waren, so klassisch ist Luca umgesetzt, mit starren Perspektiven und wenigen Kamerafahrten.
Das klingt enttäuschend und das wäre es womöglich, wäre es nicht um die letzten 10 Minuten, die dem Abenteuer nicht nur das notwendige Herz verleihen, sondern auch mit einigen berührenden Momenten aufwarten. Sie heben die durchweg warme und einfach schöne Erzählung auf ein Niveau, dessen Charme man sich nicht entziehen kann. Und bei dem die ganze Familie bestens unterhalten wird.
Fazit:
Überraschend spät kristallisiert sich die Botschaft einer tiefen Freundschaft und der Appell, sich selbst anzunehmen, heraus. Die Ausgangslage eines abenteuerreichen Sommers von drei Außenseitern, die zueinander gefunden haben, wartet mit vielen originellen Ideen und einigen herzerwärmend lustigen Momenten auf. Vor allem aber besitzt sie dank der fantastisch eingefangenen, malerischen Idylle des italienischen Küstendorfes einen ansteckenden Charme. Diese Atmosphäre jenes tollen Sommers in der Kindheit, in dem sich Freundschaften gefunden haben, die trotz mancher Meinungsverschiedenheiten ein Leben lang gehalten oder es wenigstens geprägt haben, fängt Enrico Casarosa in Luca ebenso gelungen ein, wie seine wichtigen Aussagen. So eignet sich die Fantasy-Komödie als beste Unterhaltung für die ganze Familie. Selbst wenn gerade unter der Meeresoberfläche hier mehr Potential schlummert, als die Macher sich die Zeit nehmen, zu entdecken.