Love, Simon [2018]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. Juni 2018
Genre: Liebesfilm / Komödie / Drama

Originaltitel: Love, Simon
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Greg Berlanti
Musik: Rob Simonsen
Darsteller: Nick Robinson, Jennifer Garner, Josh Duhamel, Katherine Langford, Alexandra Shipp, Logan Miller, Keiynan Lonsdale, Jorge Lendeborg Jr., Talitha Eliana Bateman, Tony Hale, Natasha Rothwell, Miles Heizer, Joey Pollari, Clark Moore


Kurzinhalt:

Simon Spier (Nick Robinson) hat bis zu seinem Abschluss noch etwa ein halbes Jahr auf der High School zu überstehen. Nach außen hin führt er ein ganz normales Leben mit einem engen Freundeskreis bestehend aus Abby (Alexandra Shipp), Nick (Jorge Lendeborg Jr.) und Leah (Katherine Langford), die seine beste Freundin ist, und einer ganz alltäglichen Familie. Seine Eltern Emily (Jennifer Garner) und Jack (Josh Duhamel) sind beide verständnisvoll und auch mit seiner kleinen Schwester Nora (Talitha Eliana Bateman) versteht sich Simon blendend. Niemand ahnt, dass Simon homosexuell ist und dieses Geheimnis nun schon seit Jahren bewahrt. Als ein anderer Schüler sich auf einer Internetplattform anonym ebenfalls als schwul outet, beginnt Simon, mit ihm Nachrichten auszutauschen. Endlich hat er jemanden gefunden, der so ist wie er. Während Simon versucht dahinter zu kommen, wer sein anonymer Gesprächspartner ist, wird sein Leben schlagartig komplizierter, als der etwas sonderbare Mitschüler Martin (Logan Miller) die E-Mails abfotografiert und droht, sie zu veröffentlichen, sollte Simon ihn nicht mit Abby verkuppeln …


Kritik:
Der Titel gebende Protagonist in Love, Simon ist ein ganz gewöhnlicher 17jähriger Schüler mit einer ganz normalen Familie, bestehend aus einer jüngeren Schwester und zwei Eltern, mit denen er sich tadellos versteht. Auch sein Freundeskreis ist in dem Sinne nicht außergewöhnlich. Doch Simon hat ein Geheimnis, das er niemandem anvertraut hat und das niemand erfahren soll – er ist schwul. Auch wenn Regisseur Greg Berlanti im Grunde keine neue Geschichte erzählt, die unverkrampfte Art und Weise, wie er Simons Erlebnisse im letzten halben Jahr auf der High School schildert, machen den Film sehenswert.

Hören wir Simon zu Beginn aus dem Off erzählen, kommt dabei kurz die Vermutung auf, Love, Simon wäre einer jener Filme, in denen ein Jugendlicher dem Publikum ständig Lebensweisheiten und Beschreibungen seiner Situation vorhält, auch wenn sich diese aus den Szenen mühelos erschließen. Doch schon wenige Minuten später wird klar, dass Simons Worte nicht dem Publikum gegolten haben, sondern seinem neuen „Brieffreund“. Denn eines Tages gibt einer seiner Mitschüler auf einer bekannten Internetseite anonym preis, dass er selbst schwul ist und wie er sich in der Situation fühlt, es niemandem sagen zu können. Simon kontaktiert daraufhin diesen Schüler und fortan tauschen sie jeweils unter Pseudonym – Simon als Jacques, sein Gegenüber als Blue – E-Mails aus. Dass sich Simon in diesen Jungen verliebt, wird dem Publikum wohl früher klar, als Simon selbst, dem die Grußformel „In Liebe, Simon“ irgendwann herausrutscht.

Soweit ist Love, Simon kein überaus origineller Film, auch wenn die Figuren allesamt sympathisch angelegt sind und ihnen eine Vertrautheit innewohnt. Sei es Simons Schwester, die regelmäßig neue Koch- und Backrezepte ausprobiert und mit der er sich gut versteht, oder seine Eltern, die eine glückliche Ehe führen. Auch sein Freundeskreis, bestehend aus der neu in die Abschlussklasse hinzu gekommenen Abby, dem Sportass Nick oder Simons bester Freundin Leah, erweckt den Eindruck, als könnte es diese Clique in der Form durchaus geben. Keiner von ihnen weiß, dass Simon mit 13 Jahren die Vermutung beschlich, er sei homosexuell. Insofern ist die Brieffreundschaft für ihn die erste Möglichkeit, sich mit jemandem auszutauschen. Da er nicht weiß, wer sein Gegenüber tatsächlich ist, in den Nachrichten aber immer wieder Hinweise zur Identität genannt werden, stellt sich Simon beim Lesen der E-Mails immer wieder mögliche Kandidaten vor. Das Drehbuch lädt das Publikum insofern ein, mitzurätseln, so dass man die Welt durch Simons Augen wahrnimmt. Unterstützt wird das durch einige Tagträume des Teenagers, die Filmemacher Berlanti gekonnt einfängt.

Ihm gelingt mit Love, Simon eine rundum leichtfüßige und warmherzige Umsetzung, die bereits beim spritzigen Score oder dem gelungenen Soundtrack mit Mitwippgarantie beginnt und sich in der eigentlichen Inszenierung fortsetzt. Die stimmige Besetzung, bei der die erwachsenen Darsteller und Darstellerinnen (u.a. Jennifer Garner als Simons Mutter) nur Nebenrollen bekleiden, trägt ebenso ihren Teil zur Atmosphäre bei. Es gibt nur zwei Figuren, die den positiven Gesamteindruck etwas trüben. Zum einen der überdrehte und verkrampft kumpelhaft-witzig auftretende Schulleiter Mr. Worth und Simons Mitschüler Martin, der Simons E-Mails an Blue abfotografiert und ihn fortan erpresst, damit Simon ihn mit Abby verkuppelt. Zusammen mit Martins überdrehten Auftritten, passt sein Vorgehen schlicht nicht zur Figur, auch wenn er für die Geschichte wichtig ist.

So kommt es, wie es in diesen Geschichten kommen muss, doch erst, als der Film bei diesem obligatorischen, dramatischen Tiefpunkt der Story ankommt (der nie die Dramatik entwickelt, die er könnte), zeigt sich, dass Regisseur Greg Berlanti auch die ernsten Momente und den wichtigen Kern entsprechend feinfühlig auszuloten versteht. Obwohl im Zentrum das Plädoyer für Toleranz und Rücksichtnahme ebenso steht, wie der Mut, sich zu sich selbst zu bekennen, ist die Kritik an jenen anonymen Plattformen im Internet ebenfalls zu sehen, auf denen gegen den Wunsch der Betroffenen bekannt gewordene Informationen die Leben der Opfer nicht nur nachhaltig verändern, sondern gar zerstören können.
Dass Love, Simon allerdings nicht auf einem Tiefpunkt endet, sondern sein Publikum mit einem positiven Gefühl entlässt, passt zur Geschichte und Simons Reise gleichermaßen. Die kommt zwar ohne wirkliche Überraschungen aus, ist aber grundsympathisch präsentiert und in den richtigen Momenten einfühlsam erzählt. Allein dafür und die farbenfrohe, vibrierende Stimmung ist sie bereits sehenswert.


Fazit:
Wenn Simons Mutter nach seinem Coming-out zu ihm sagt, „Du verdienst alles, was Du dir wünschst“, bringt es auf hervorragend unverblümte Weise den relevanten Hintergrund von Simons Geschichte auf den Punkt. Auf seiner Reise kommen zwar die übrigen Figuren erzählerisch etwas kurz, selbst wie seine eigene Familie mit der Neuigkeit umgeht, wird schnell und ohne tatsächliches Konfliktpotential geschildert, doch ist das nicht ihre Geschichte, sondern Simons. Leichtfüßig und warmherzig erzählt, in den richtigen Situationen behutsam und mit einem Augenmerk für Details (man denke an die Farbgestaltung der Tanzeinlage zu Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody“), ist das tadellos inszeniert und stimmig gespielt mit vielen durchweg sympathischen Charakteren.
Love, Simon ist eine der schönsten und ungezwungensten Lovestorys des Jahres bislang. Sie mag keine neuen Wege beschreiten und auch das Ende mag nicht überraschen, doch das macht den Film selbst nicht weniger gelungen und die Aussage nicht weniger wichtig.