Le Mans 66: Gegen jede Chance [2019]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. November 2019
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: Ford v Ferrari
Laufzeit: 152 min.
Produktionsland: USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James Mangold
Musik: Marco Beltrami, Buck Sanders
Besetzung: Matt Damon, Christian Bale, Caitriona Balfe, Noah Jupe, Jon Bernthal, Josh Lucas, Tracy Letts, Ray McKinnon, JJ Feild, Ian Harding, Remo Girone, Jonathan LaPaglia


Kurzinhalt:

Als der amerikanische Autobauer Ford in der Krise steckt, lässt sich Firmeninhaber Henry Ford II (Tracy Letts) überreden, mit dem finanziell kriselnden, italienischen Traditionsunternehmen Ferrari Gespräche über eine Beteiligung zu führen. Als diese scheitern und sich Ford von Enzo Ferrari (Remo Girone) persönlich angegriffen fühlt, geht er auf den Vorschlag des Marketingexperten Lee Iacocca (Jon Bernthal) ein, dass Ford in den Motorsport aktiv einsteigen müsse. Der erfolgreiche Rennfahrer und Konstrukteur Carroll Shelby (Matt Damon) wird angeworben, unter der Leitung von Fords Vizepräsident Leo Beebe (Josh Lucas) ein Team aufzubauen, das Ferrari beim fordernden 24-Stunden-Rennen von Le Mans schlagen kann. Shelby hat Ken Miles (Christian Bale) als Fahrer im Blick, der auf Grund seines nicht immer ganz einfachen Umgangs jedoch einen gewissen Ruf besitzt. Wenn sie Fords Ziel erreichen wollen, bleibt ihnen nur wenig Zeit, eine schier unmögliche Aufholjagd zu meistern …


Kritik:
Le Mans 66: Gegen jede Chance ist einer der besten, unterhaltsamen Filme des Jahres. Das heißt nicht, dass es kein Drama wäre. Vielmehr ist es eines, das mit einer solchen Leichtigkeit vorgetragen wird, dass man es ungeachtet der Lauflänge beinahe vergisst. Abgesehen von einem greifbaren Porträt einer Freundschaft, gelingt Regisseur James Mangold die Erzählung einer packenden Aufholjagd im Motorsport der 1960er-Jahre. Das hört sich im ersten Moment nicht sehr bedeutend an, doch bedenkt man die Qualität bisheriger Filme dieser Art, ist es ein umso größerer Verdienst.

Basierend auf wahren Ereignissen, erzählt Le Mans 66 die Geschichte zweier Männer. Matt Damon schlüpft in die Rolle von Carroll Shelby, ein Vollblutrennfahrer, der auf Grund von gesundheitlichen Problemen das Lenkrad nach seinem Sieg im französischen 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1959 abgeben muss. Fortan konstruiert und verkauft er Fahrzeuge, deren sportliche Varianten von der zahlenden Kundschaft erworben werden können, während er sich auf der Rennstrecke mit seinen Rennwagen einen Namen macht.
Auf der anderen Seite steht Ken Miles, gespielt von Christian Bale. Der Automechaniker ist gleichzeitig ein passionierter Rennfahrer, dem es im Alter von 47 Jahren gelingt, im selben Jahr zwei Langstreckenrennen und ein 12-Stunden-Rennen zu gewinnen. Er wird hier als eigenwillige und nicht immer einfache Persönlichkeit gezeigt.

Als der traditionsreiche Autobauer Ford 65 Jahre nach seiner Gründung in der Krise steckt, und ein geplantes Joint Venture zwischen Ford und dem beinahe bankrotten Ferrari fehlschlägt, sieht sich Henry Ford II in seiner Ehre verletzt und will Firmengründen und -besitzer Enzo Ferrari um jeden Preis im prestigeträchtigen, französischen 24-Stunden-Rennen von Le Mans schlagen. Um einen eigenen Rennstall aufzubauen, wirbt Fords Marketingstratege Lee Iacocca Carroll Shelby an, ein Auto zu entwerfen, das gegen Ferrari gewinnen kann. Doch ohne einen entsprechenden Fahrer ist das beste Rennauto der Welt wertlos. Shelby bringt Ken Miles als Fahrer ins Spiel, der in nur 90 Tagen für Ford an den Start gehen soll.

Hier offenbart sich ein grundsätzliches Problem von James Mangolds Erzählung, denn während die Ereignisse im Film alle unmittelbar nacheinander stattzufinden scheinen, vergehen in Wirklichkeit mitunter Jahre. Nach dem Prolog 1959 springt die Geschichte ins Jahr 1965, während das Titel gebende Rennen erst ein Jahr später stattfindet. Wie viel Zeit vergeht, wird im Film auch deshalb nicht deutlich, weil die Macher vollständig auf Hinweistafeln oder Ähnliches verzichten. Dass der Film im ersten Drittel sehr weit ausholt, die Hintergründe um Firmenchef Ford und sein Engagement im Rennsportbereich zu erklären, mag man als inhaltliche Länge empfinden. Tatsächlich sind die vielen Einschübe notwendig, um das Verhalten der Figuren im weiteren Verlauf begreiflich zu machen.
Ken wird von Senior Vice President der Ford Motor Company, Leo Beebe, als „schwierig“ und letztlich sogar aus Marketinggründen abgelehnt. Es ist der Beginn einer gegenseitigen Animosität, die anhält und den möglichen Erfolg des Rennteams zusehends belastet. Auf Grund Shelbys Einsatz beginnt nichtsdestotrotz mit Ken gemeinsam eine Aufholjagd, die ebenso unterhaltsam wie spannend in Szene gesetzt ist.

Dabei verleiht Kens Familie, Frau Mollie und Sohn Peter, der schweigsamen und fokussierten Figur eine greifbare Tiefe und macht ihn trotz seiner mitunter fordernden Persönlichkeit nahbar. Beide sind von Caitriona Balfe und Noah Jupe toll gespielt. Die beiden Hauptdarsteller Matt Damon und Christian Bale bestechen mit einer Chemie, die nicht nur die beiden Figuren zusammenschweißt, sondern sich von der Leinwand auf das Publikum überträgt. Insbesondere im letzten Akt zeigen sie beide preiswürdige Darbietungen, die den Kampf um den Sieg umso mitreißender gestalten. Der bezeichnendste Aspekt von Le Mans 66: Gegen jede Chance ist jedoch die Atmosphäre insgesamt. Nicht nur, dass die 60er-Jahre hier geradezu zeitlos zum Leben erweckt werden – Design und Mode sind von den heutigen Stilrichtungen nicht weit entfernt – Filmemacher Mangold fängt das Zeitkolorit mit einer solchen Sicherheit und so fantastisch ein, dass man beinahe übersieht, wie hervorragend Kamera und Schnitt nicht nur in den zahlreichen Rennszenen zusammenpassen.

Viele Szenen, wie wenn Carroll Shelby Henry Ford II auf eine „Spritztour“ mitnimmt, um ihm seine Pläne für das Team aufzuzeigen, zaubern durch der Leichtigkeit der Erzählung ein Lächeln ins Gesicht des Publikums. Und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen von Ford und Ferrari in den gezeigten Produktionsstätten der Autobauer sprechen nicht nur für Autoliebhaber Bände. Gleichzeitig klingen selbst die humorvollen Momente oft ruhig und nachdenklich aus und traurige Abschnitte gibt es hier ebenfalls. Bei vielen Szenen ist es jedoch schlicht eine Freude, zuzusehen.
Gleichermaßen angetrieben durch die rasante Musik, ist wie sich dieses Team den Sieg erarbeitet, mitreißend erzählt. Umso bedauerlicher, dass die Regeln der Rennen, allen voran des Titel gebenden Le Mans-Rennens, nicht vollständig erklärt werden und das Publikum trotz der überschaubaren Rundenzeit keine Runde aus Sicht der Fahrer gezeigt bekommt. Doch das schmälert am Ende nicht, was Le Mans 66 alles so gut gelingt.


Fazit:
Wenn das Rennen von Le Mans beginnt, steigt auch dank der geradezu spürbaren Klangkulisse mit den ohrenbetäubenden Motorengeräuschen der Adrenalinpegel. Man muss kein Autonarr sein, um von den Rennen oder der Aufholjagd des Teams Ford mitgerissen zu werden. Aber nicht wissend, wohin sich die Story entwickelt, stimmt das Ende nachdenklicher, als man vermuten würde. Le Mans 66: Gegen jede Chance ist handwerklich ein hervorragender Film, packend und fantastisch gespielt und trotz der Laufzeit von zweieinhalb Stunden keine Minute zu lang. James Mangold mag hier kein Superhelden-Abenteuer erzählen, in dem Unmögliches gezeigt wird, aber dafür ein ebenso eindrucksvolles wie inspirierendes und glaubwürdiges Porträt der beiden zentralen Figuren auf ihrem Weg, an die Spitze des damaligen Rennsports zu gelangen. Er balanciert den Humor und die ernsten wie berührenden Momente mit einer Leichtigkeit, dass kein Aspekt überstrahlt. Auch dank der Präsentation ist das eines der sehenswertesten Kinoerlebnisse des Jahres, das auf der größten Leinwand die eindrucksvollste Wirkung entfaltet. Klasse!