In meinem Himmel [2009]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 05. September 2010
Genre: Drama / Fantasy / ThrillerOriginaltitel: The Lovely Bones
Laufzeit: 136 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien / Neuseeland
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Peter Jackson
Musik: Leo Abrahams, Brian Eno
Darsteller: Saoirse Ronan, Mark Wahlberg, Rachel Weisz, Stanley Tucci, Susan Sarandon, Michael Imperioli, Rose McIver, Christian Thomas Ashdale, Reece Ritchie, Carolyn Dando, Nikki SooHoo, Andrew James Allen, Jake Abel, Amanda Michalka
Kurzinhalt:
Die Salmons sind eine Familie, der eine solche Tragödie nicht passieren dürfte. So etwas geschieht doch immer nur den anderen. Umso größer ist die Bestürzung, als die 14jährige Tochter Susie (Saoirse Ronan) nach der Schule nicht nach Hause kommt. Während Vater Jack (Mark Wahlberg) verzweifelt versucht, seine älteste Tochter zu finden, beantwortet Mutter Abigail (Rachel Weisz) die Fragen von Polizist Len Fenerman (Michael Imperioli). Wenig später verdichten sich die Beweise, dass Susie ermordet wurde. Für die Salmons bricht eine Welt zusammen. Die mittlere Tochter Lindsey (Rose McIver) klammert sich wie Jack an der Hoffnung, den Täter zu finden, der kleine Buckley (Christian Thomas Ashdale) ist noch zu jung, um alles zu verstehen. Als die Ehe an der Situation zerbricht, zieht die alkoholkranke Großmutter Lynn (Susan Sarandon) ein, um im Haushalt zu helfen.
Susie beobachtet aus ihrem Himmel heraus ihre Familie, ihre Freunde und sogar ihren Mörder Mr. Harvey (Stanley Tucci). Sie erlebt anhand ihrer Schwester wie es gewesen wäre, aufzuwachsen, ihre erste Liebe zu erleben. Doch muss Susie die vergangene Welt loslassen, nach vorne blicken, statt zurück. Stattdessen übertragen sich ihre Frustration und ihre Wut auf die Menschen, die sie liebt ...
Kritik:
Nach der erfolgreichen Umsetzung der als unverfilmbar geltenden Der Herr der Ringe-Bücher, wollte sich Regisseur Peter Jackson einem kleineren Projekt widmen. Es kam ihm die Neuauflage von King Kong [2005] dazwischen, dann jedoch war es endlich soweit und er konnte sich des ebenfalls als unverfilmbar geltenden Romans In meinem Himmel der Autorin Alice Sebold annehmen. Was ihm dabei trotz aller Bemühungen und des sichtlichen Aufwands gelungen ist, ist der Beweis, dass die Vorlage nicht verfilmbar bleibt.
Susie Salmon ist 14 Jahre alt, als sie von einem Nachbarn ermordet wird. Fortan beobachtet sie aus ihrem Himmel ihre Familie, die versucht mit dem Verlust und der Ungewissheit klarzukommen. Die Freunde, die sie zurückgelassen hat, und auch ihren Mörder, der sich zusehends in Sicherheit fühlt. In meinem Himmel ist kein Krimi, die Identität des Mörders ist dem Publikum schon beim Mord bewusst und es geht letztlich nicht darum, den Täter ausfindig zu machen, auch wenn der Polizist Len Fenerman eine kleine Rolle zugewiesen bekommt. Auch geht es nicht wirklich um die Auswirkungen der Tragödie auf die Familie, wie die Eltern und Geschwister versuchen, mit der Ungewissheit klarzukommen. Regisseur Peter Jackson versucht, in der Romanverfilmung insbesondere Susies Himmel einzufangen und ein Gefühl dessen zu vermitteln, wie sie aus dieser Welt heraus am Leben ihrer Geliebten teilzuhaben versucht. Und wie sie erkennen muss, welche Erfahrungen ihr vorenthalten bleiben. Susie Salmon macht es einem leicht, mit ihr mitzufühlen und kaum jemand machte sich bislang wohl Gedanken darüber, welche Freuden des Lebens den Opfern dieser Verbrechen entgehen. Ihre Bitterkeit und ihre Wut auf ihren Mörder wären zu verstehen, wenn sie im Film denn richtig zum Ausdruck käme. In meinem Himmel schneidet viele Themen an, die das Buch im Detail vertieft, schafft es aber dabei nicht, auch nur einen Aspekt vollends auszuloten. Wer beispielsweise irgendwann erwartet, dass die Spannungen innerhalb der Familie so groß werden, dass es zu einem Streitgespräch kommt, das man nur ungern beobachten würde, in dem aber die Verzweiflung und der Zorn der Eltern zum Ausdruck kommt, der irrt. Statt die Großmutter Lynn (routiniert aber unterfordert Susan Sarandon) als klärendes Instrument zu nutzen, als Ventil für ein Familienleben, das nach dem Tod Susies aus oberflächlichen Floskeln besteht, aber keine Tiefe mehr besitzt, wird die Figur als humorvolle Erleichterung der Szenerie eingesetzt. Das zerrüttete Eheleben nimmt ebenso wenig Raum in Anspruch wie die Frustration bei Polizist Len Fenerman, der von Michael Imperioli zwar charismatisch verkörpert wird, aber letztlich nichts zu tun bekommt. Hätte man sich Fenerman oder Lynn eingespart, hätte zumindest ein Charakter eine tragende Rolle spielen können. Dies ist so nicht der Fall.
An den Produktionswerten von The Lovely Bones, so der Originaltitel, gibt es nichts auszusetzen. Die Wiederauferstehung der 1970er Jahre ist authentisch gelungen, Kostüme und Ausstattung sind tadellos. Auch die zahlreichen Spezialeffekte, mit denen Susies Himmel zum Leben erweckt wird, verblüffen stellenweise. Doch während der Roman in seinen Beschreibungen abstrakt genug bleibt, damit jeder Leser seine eigene Vision eines Himmels hineinprojizieren könnte, muss Peter Jackson seine Vorstellungen sehr genau in Bildern umsetzen. Das erinnert von den bunten Farben her und der stellenweise zuckersüßen Optik jedoch zu verklärt und verkitscht an Kinderbücher jener Zeit, auch wenn man dies Susies Vorstellungskraft zuschreiben möchte. Es gibt in jener Welt keinen Moment des Staunens, keine Einstellung, die einen als Zuseher sprachlos zurücklassen würde. Jacksons Vision deckt sich diesbezüglich zu sehr mit den Visionen seines Publikums, als dass er sie damit faszinieren könnte. Wäre es nicht um die talentierte Saoirse Ronan, die in Susies Himmel beinahe allein vor der Kamera steht, könnten jene Momente kaum überzeugen. Sie ist eine Entdeckung in In meinem Himmel und übertrifft mit ihrem Charisma auch Mark Wahlberg und Rachel Weisz, die für sich genommen zwar in ihren Rollen aufgehen, jedoch gemeinsam keine Chemie entwickeln. Rose McIver bleibt leider als Susies Schwester Lindsey unterfordert, während Stanley Tucci trotz seiner äußeren Veränderungen ein bedrohlicher George Harvey gelingt. Leider bleibt seiner Figur ein tieferer Hintergrund vorenthalten.
Visuell sensible Zuseher werden durch den abwechselnden Gebrauch herkömmlicher und digitaler Kameras zusätzlich aus der Atmosphäre gerissen. So vorteilhaft letztere bei den schwach ausgeleuchteten Sets und den sehr dichten Aufnahmen sein mögen, das Bild sieht zu fremdartig und für die Zeit des Films unpassend aus, als dass man es übersehen könnte. Was In meinem Himmel jedoch szenenweise regelrecht zerstört ist die musikalische Untermalung, die insbesondere fehlplatziert wirkt, wenn Susie, um ihren Bruder vor dem Erstickungstod zu retten, ihn mit dem Auto ins Krankenhaus fährt – hier scheint ein rockiger Song die Dringlichkeit der Situation einfach zu überspielen –, und wenn Jack von Susies Zorn angetrieben George ins Maisfeld hinterherläuft. Der künstlerisch anmutende Einsatz der Musik macht die Tragik des Moments schlicht zunichte. Dahingehend scheinen die sphärischen Klänge in Susies Himmel zwar abgegriffen, aber wenigstens nicht störend.
Fazit:
Was Regisseur Peter Jackson hier erreichen wollte, steht außer Frage. Für sich genommen sind die einzelnen Elemente auch gelungen, sei es die Ausstattung, die jeweiligen Darsteller oder auch verschiedene Momente, in denen entweder ein Unbehagen beim Zuschauer heraufbeschworen wird, oder aber durch geschickte Kamera und Schnittfolgen Spannung aufkommt. Nur in Kombination überzeugt das Gezeigte selten. Susies Himmel wirkt nicht nur kitschig, sondern es wird nie klar, wie sie die vergangene Welt denn nun beobachtet, oder ihre eigene formt und verändert. Auch bleiben die emotionalen Auswirkungen auf Familie und Freunde angedeutet, aber nicht weit genug vertieft. In meinem Himmel versucht sich zu vielen Aspekten zu widmen und streift dabei zu viele, anstatt bei wenigen wirklich zu überzeugen. Das ist stellenweise zwar berührend, insgesamt jedoch das Thema des Romans nur angeschnitten.
All das macht das ungewöhnliche Drama zwar zu einem sichtlich bemühten Werk, das letztlich jedoch nicht nur Kenner der Romanvorlage enttäuscht. Angesichts des schwierigen Stoffes waren die Erwartungen vielleicht auch zu hoch.