Horizon [2024]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. August 2024
Genre: Western / Drama

Originaltitel: Horizon: An American Saga - Chapter 1
Laufzeit: 181 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Kevin Costner
Musik: John Debney
Besetzung: Kevin Costner, Sienna Miller, Sam Worthington, Michael Rooker, Danny Huston, Jena Malone, Abbey Lee, Georgia MacPhail, Jamie Campbell Bower, Jon Beavers, Owen Crow Shoe, Tatanka Means, Luke Wilson, Ella Hunt, Tom Payne, Will Patton, Isabelle Fuhrman, Jeff Fahey, Michael Angarano, Gregory Cruz, Scott Haze, Angus Macfadyen, Etienne Kellici, Giovanni Ribisi


Kurzinhalt:

Einige Jahre, nachdem die ersten Siedler 1859 im San Pedro Valley bei der Begründung der „Horizon“-Siedlung den Tod fanden, hat sich dort eine Gemeinschaft etabliert. Doch die Kolonie wird von einem Apachenstamm angegriffen, die Siedler ermordet und Zelte wie Häuser niedergebrannt. Die von dem Jungen Russell (Etienne Kellici) zur Hilfe gerufene Armee unter Kommandant First Lieutenant Gephardt (Sam Worthington) kommt zu spät. Gephardts Angebot, in den Schutzbereich der Armee umgesiedelt zu werden, schlagen die Siedler aus. Einzig die aus den Trümmern ihres Hauses gerettete Fran (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail) suchen Schutz bei Gephardts Fort. Während der Konflikt zwischen den Ureinwohnern und den Siedlern weiter schwelt, findet sich Goldgräber Hayes Ellison (Kevin Costner) in Wyoming zwischen privaten Fronten und kurz darauf mit der Prostituierten Marigold (Abbey Lee) und einem Kleinkind auf der Flucht wieder. So wie die Wagenkolonne unter der Leitung von Matthew Van Weyden (Luke Wilson) führt auch ihr Weg früher oder später nach „Horizon“, wo die Verheißungen und Träume der Neuen Welt zum Greifen nah sein sollen …


Kritik:
Kevin Costners Rückkehr auf den Regiestuhl und gleichzeitig zu dem Genre, das ihn weltberühmt gemacht hat, ist ein derart ambitioniertes Projekt, dass es in gewisser Weise schwerfällt, es überhaupt einzuordnen. Denn Horizon ist nur der erste von vier geplanten Teilen einer Westernsaga, die jetzt bereits mehr als zwei Dutzend Figuren umfasst und sie auf ihrem Werdegang in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begleitet. So viel in den ersten drei Stunden davon erzählt wird, es scheint doch nur die Spitze des Eisbergs.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1859 im San Pedro Valley und folgt vier unterschiedlichen Erzählsträngen, die teilweise zusammengeführt werden. Dort im Tal versuchen Siedler, die einen Flecken scheinbar unberührten Landes erworben haben, eine neue Kolonie zu errichten. „Horizon“ soll sie heißen und die Versprechungen der unbegrenzten Möglichkeiten Amerikas erfüllen. Obwohl die ersten Siedler von Apachen, die dort leben, ermordet werden, folgen viele weitere. Bis vier Jahre später die aufblühende Siedlung bei einem Angriff der Ureinwohner in Schutt und Asche gelegt wird. Die zu Hilfe gerufene Armee unter Kommando von First Lieutenant Gephardt kann nur noch helfen, die Toten zu begraben. Aber obwohl er den Überlebenden begreiflich macht, dass dies das Land der Apachen ist und dass sie jede Siedlung niederbrennen werden, wollen die Menschen nicht gehen. Im Gegenteil, eine kleine Gruppe sieht sogar die Möglichkeit, mit der Jagd auf Ureinwohner viel Geld zu verdienen und gleichzeitig den Wunsch nach Vergeltung der überfallenen Siedlerinnen und Siedler zu befriedigen. Unterdessen holt eine junge Frau, Lucy, die mit ihrem Kind vor einigen Jahren aus Montana geflohen ist und den Patriarchen der gefürchteten Familie Sykes schwer verletzt hat, ihre Vergangenheit wieder ein, während Goldgräber Hayes Ellison unvermittelt zuerst eine große Verantwortung zufällt, ehe er zum Gejagten wird.

Was sich auf den ersten Blick leicht zu überschauen anhört, fächert Filmemacher Costner, für den Horizon nicht nur ein Herzensprojekt ist, das er seit beinahe 40 Jahren entwickelt, in verschiedene kleinere Handlungsstränge auf oder führt diese aus einzelnen zusammen. So ist Lucys Geschichte eine der ersten, die gezeigt wird, wird aber erst in der zweiten Filmhälfte überhaupt wieder aufgegriffen, um dann inhaltlich den Schwerpunkt auf den von Kevin Costner selbst gespielten Hayes Ellison zu verlagern. Aus der Siedlungsgeschichte zu Beginn erwachsen hingegen zwei Erzählungen. Zum einen diejenige um die verwitwete Frances und ihre Tochter Elizabeth, die in der Obhut von Lieutenant Gephardt und seinen Leuten eine Sicherheit finden, die sie beim verheerenden Angriff am Anfang für immer verloren glaubten. Zum anderen die um den jungen Waisen Russell Ganz, der sich der Gruppe der Gesetzlosen anschließt, die Jagd auf amerikanische Ureinwohner machen.

In mehrerlei Hinsicht schließt Horizon am Ende den erzählerischen Kreis, wenn der Überfall der Ureinwohner auf die „Horizon“-Siedlung zu Beginn ein Gegenstück in einem ebenso brutalen Angriff auf eine Siedlung der Ureinwohner durch Russells Gruppe mündet, die keine Unterscheidung macht, wessen Skalp sie für die Prämie am Ende abliefert. Auch Lucy befindet sich schließlich beinahe wieder am Anfang, während Captain Matthew Van Weyden einen weiteren Wagenzug zur verheißungsvollen Siedlung „Horizon“ über den Santa Fe Trail führt. Die Spirale der Gewalt, losgetreten durch die Siedlerinnen und Siedler, die ein fremdes Land besetzen und die dort lebenden Stämme zwingen, für die Nahrungssuche in Gebiete auszuweichen, wo sie auf andere Siedlungen, auch der Ureinwohner treffen, wird Zug um Zug eskaliert. Die Vergeltung am Stamm der Tonto Apachen zum Ende hin wird ihrerseits eine weitere, gewaltvolle Reaktion hervorrufen und das Mehr an Siedlern, das ins Tal strömt, wird die Spannungen nur erhöhen.

Horizon schildert diesen Hintergrund und lässt die unterschiedlichen Figuren mit ihren jeweiligen Ansichten verschiedene Sichtweisen und Aspekte zur Geltung kommen, ohne zu werten. Auch innerhalb des Apachenstammes gibt es unterschiedliche Auffassungen. So sucht der Älteste, Tuayeseh, eine friedliche Koexistenz mit den Weißen, während sein Sohn Pionsenay für sein Land kämpfen will. Innerhalb der Armee weiß auch Colonel Houghton, dass die Siedlung der auslösende Faktor für die Eskalation darstellt, doch er sieht eine Unausweichlichkeit des Konflikts, die ihn als Beobachter zur Seite treten lässt, anstatt einzuschreiten, wie Lieutenant Gephardt es versucht.

Nach drei Stunden endet die Erzählung, ohne dass eine der unterschiedlichen Storystränge abgeschlossen wäre, aber mit einem Ausblick auf das, was noch folgen wird. Damit unterstreicht Regisseur Costner, wie weitläufig seine Saga werden soll und in gewisser Weise auch bereits ist. Ob es tatsächlich eine kluge Entscheidung ist, Handlungsabschnitte wie derjenige um den Wagenzug und Van Weyden bereits einbringen, wenn es innerhalb dieser Teilgeschichte keinen wirklichen Spannungsbogen und keine Auflösung gibt, sei dahingestellt. Einerseits sorgen die vielen unterschiedlichen Stories dafür, dass kaum eine Figur tiefergehend vorgestellt wird, andererseits wirkt Horizon in gewisser Weise, als wäre der Film ein einziger langer Teaser für die Geschichte, die noch folgen soll. Erzählen einzelne Filme einer Trilogie für gewöhnlich in sich geschlossene Geschichten, die in einen größeren Handlungsbogen eingebettet sind, wirkt Kevin Costners Herangehensweise, als würde er seine gesamte Geschichte schlicht in mehrere Teile unterbrechen, selbst wenn diese keiner klassischen, dreiteiligen Erzählstruktur folgen. Das Ergebnis ist ein Westernepos, dem in vielerlei Hinsicht der Kontext fehlt, das so viele Aspekte des Lebens an der Grenze des damals Unbekannten aufgreift, ohne sie zum Abschluss zu bringen.

Der Detailreichtum, die fantastische Ausstattung und nicht zuletzt die erstklassige Besetzung sorgen dafür, dass sich die drei Stunden merklich kürzer anfühlen, als sie sind. Selbst wenn dies selten wirklich packend gerät, es ist stets interessant und lässt die schiere Größe des Unterfangens erahnen, das Kevin Costner auf sich genommen hat. Der Plan ist zumindest hinsichtlich der kommenden Teile bislang nicht aufgegangen. Der Kino-Start des zweiten Kapitels ist verschoben, Teile drei und vier aktuell noch ungewiss. Dabei ist die Geschichte mehr als nur interessant und repräsentiert womöglich am ehesten, wie es wäre, würde man eine 12stündige Miniserie, statt Zuhause auf der großen Leinwand bewundern. Die Präsentation ist unbestritten ungemein einnehmender und viel versprechend. Ob diese Versprechen aber gehalten werden, kann man erst sagen, wenn die Erzählung tatsächlich abgeschlossen ist. Schon deshalb kann man nur hoffen, dass der Regisseur sein Herzensprojekt auch vollenden darf.


Fazit:
So wie die Siedlung „Horizon“ ein Versprechen auf ein Leben und eine Zukunft im Grenzland ist, ist der Film Horizon gleichermaßen ein Versprechen auf eine Chronik, die hier noch nicht erfüllt wird. Die Darstellung des Lebens der Siedlerinnen und Siedler besitzt eine Weitläufigkeit und eine schiere Größe, die nicht nur beeindrucken, sondern in der Art und Weise, diese Geschichte auf der großen Leinwand zu erzählen, ungemein Mut erfordert. Hierfür braucht es ein Publikum, das bereit ist, sich auf ein solches Epos einzulassen, das innerhalb des ersten Kapitels lediglich die Grundsteine legt, aber weder einen packenden Erzählbogen bietet, noch einen Abschluss. Die Landschaftsaufnahmen sind so malerisch, wie sie ein Gefühl der unendlich wirkenden Weite vermitteln. Der Aufwand bei den Bauten oder Kostümen ist ebenso beträchtlich wie der reinen Größe der Besetzung, von denen es viele Sprechrollen gibt. Von letzteren stehen insbesondere Sienna Miller und Georgia MacPhail hervor, wobei jede einzelne Figur eine fordernde wie herausgehobene Szene zugeschrieben bekommt. Dass Horizon das Land der Versprechungen bereits damals als eines der Ausgrenzung und der Vertreibung schildert, verleiht der Geschichte Gewicht, selbst wenn Authentizität, nicht nur bei dem oftmals zu sauberen Aussehen, merklich fehlt. Doch es sind die erschreckenden Bilder der Angriffe auf beiden Seiten, die kaum in einem größeren Kontrast zu dem ideologisierten Wilden Westen stehen könnten. Das ist beeindruckend und der Ausblick am Ende trotz erzählerischer Unebenheiten ungemein vielversprechend. Ob es dem gerecht werden wird, ist aber kaum abzuschätzen und man spürt merklich, dass dies nur das erste Kapitel einer bei weitem nicht fertig erzählten Geschichte ist. Behält man das im Hinterkopf, kann man sich von Filmemacher Kevin Costner auf eine erzählerische Reise mitnehmen lassen, wie es sie so auf der großen Leinwand seit Ewigkeiten nicht gegeben hat.