Hell or High Water [2016]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. Januar 2017
Genre: Drama / Krimi / WesternOriginaltitel: Hell or High Water
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: David Mackenzie
Musik: Nick Cave, Warren Ellis
Darsteller: Ben Foster, Chris Pine, Jeff Bridges, Gil Birmingham, Katy Mixon, Marin Ireland, John-Paul Howard, Heidi Sulzman
Kurzinhalt:
In den frühen Morgenstunden überfallen die Brüder Toby (Chris Pine) und Tanner Howard (Ben Foster) zwei Banken in West Texas. Die erbeuteten, vergleichsweise geringen Beträge führen Texas Ranger Hamilton (Jeff Bridges) zu dem Schluss, dass die Männer noch weitere Überfälle verüben werden – und dass sie wohl nur eine bestimmte Summe erreichen wollen. Tatsächlich sind die Brüder darauf aus, den Kredit für die Ranch der Familie bis zum Ende der Woche abzubezahlen, ehe die Farm und das Land an die Bank fallen. Doch Tanners Vorgehen bringt den von Toby ausgetüftelten Plan in Gefahr, zumal Hamilton und sein Partner Parker (Gil Birmingham) bereits ihre Fährte aufgenommen haben ...
Kritik:
Viele Elemente in Hell or High Water erinnern an einen Western. Von den gesetzlosen Antihelden, die tun, was nötig ist, nicht für sich selbst, sondern für andere, bis hin zu einer Konfrontation mit dem Hüter des Gesetzes, die elektrisierender kaum sein könnte. Regisseur David Mackenzie greift die heute bedauerlicherweise alltägliche Situation tausender Menschen auf und erzählt daraus ein packend gespieltes Crimedrama mit einer bestechenden Optik, dessen nüchterne Feststellungen beinahe zynisch wirken.
Das Drehbuch von Sicario [2015]-Autor Taylor Sheridan stellt die beiden Brüder Toby und Tanner Howard im ländlichen Texas in den Mittelpunkt. Sollten sie bis zum Ende der Woche den Kredit auf die Ranch ihrer Mutter nicht bezahlen können, fällt das Land und alles darauf an die Bank. Es ist Tobys Idee, die 43.000 Dollar durch mehrere kleine Banküberfälle zusammen zu bekommen. Tanner, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde, hilft ihm dabei.
In vielen Einstellungen, gewissermaßen im Vorbeifahren, zeigt Hell or High Water dabei, welches Landschaftsbild diesen Teil von Texas prägt: Viele Gebäude sind verlassen und verfallen, oder zu verkaufen. Überall sind große Plakate aufgestellt, auf denen für Kredite oder Umschuldung geworben wird. Befragt Ranger Hamilton Anwohner in einem Restaurant gegenüber einer Bank, die gerade ausgeraubt wurde, was sie gesehen haben, antwortet einer der Anwesenden, er habe gesehen, wie eine Bank bestohlen wurde, die ihn seit 30 Jahren bestiehlt. Armut, so Toby in einer der besten Dialogszenen, sei eine Krankheit, die von einer Generation an die nächste vererbt wird.
Durch die Ranch will er sicherstellen, dass seine beiden bei seiner Ex-Frau lebenden Söhne in Zukunft keine Geldsorgen haben werden. Was Tanners Motivation, seinem Bruder zu helfen angeht, hält sich der Film lange bedeckt und es ist erstaunlich, wie viel das Skript und die Darsteller durch ihre Handlungen über die Figuren verraten. Es soll genügen zu sagen, dass von den beiden Anti-Helden Tanner mehr "Anti" als "Held" ist.
Bereits in The Finest Hours [2016] standen Chris Pine und Ben Foster im selben Jahr gemeinsam vor der Kamera. Die Rollen könnten unterschiedlicher kaum sein. Als Geschwisterpaar, die eine ähnliche Kindheit durchlebten und sich dennoch unterschiedlich entwickelt haben, zeigen hier beide eine bemerkenswerte Darbietung. Mit seiner verschlossenen Figur zeigt Pine die bislang beste Darstellung seiner Karriere. Von seiner Jugend und dem Erlebten im Gefängnis ebenso geprägt, bleibt Ben Foster ebenso unberechenbar wie tragisch.
Auch wenn es kaum gemeinsame Szenen gibt, ist es der Kontrast der beiden zu einem herrlich unkorrekten Jeff Bridges, der sich als Ranger Hamilton einen ständigen, verbalen – und oft einseitigen – Schlagabtausch mit seinem Partner Alberto liefert, bei dem auf dessen mexikanisch-indianische Herkunft Bezug genommen wird, durch den sich die pointierten Dialoge von Hell or High Water auszeichnen. Zu sehen, wie Bridges nach dem bleihaltigen Aufeinandertreffen mit den Howard-Brüdern umschlägt, sich sein Auftreten ändert, ist grandios.
Die Besetzung wird in wohl komponierten Bildern eingefangen, bei denen man das Hitzewabern der texanischen Sonne beinahe spüren kann und bei denen trotz der ausgewaschenen Farben der Kontrast stellenweise ebenso hart erscheint wie die Menschen unnachgiebig. Regisseur Mackenzie verweilt nicht auf bestimmten Einstellungen, sondern nimmt viele Aussagen im Vorbeigehen mit. Er erzeugt dabei eine Atmosphäre, die durch die tolle Musik noch unterstrichen wird. So trostlos die Situation auch erscheinen mag.
Fazit:
Hell or High Water zeichnet das Porträt einer Gesellschaft, die sich seit Jahrzehnten auf der Verliererseite des amerikanischen Traums wiederfindet. Ihre Enttäuschung gegenüber Institutionen wie Banken oder dem Gesetz als solches ist so groß, dass sie letzteres selbst in die Hand nehmen. Den Preis dafür benennt Filmemacher David Mackenzie ebenfalls und stellt in einem Atemzug fest, dass sich die Geschichte seit Jahrhunderten wiederholt. Dass dies kein anderes Ende nehmen kann, ist verständlich. Das klingt ebenso anklagend wie zynisch und wird in ebenso kargen Bildern eingefangen. Fantastisch gespielt und tadellos inszeniert, ist das für ein erwachsenes Publikum trotz oder gerade auf Grund der aussichtlos scheinenden Atmosphäre, die im Lauf des Films zunehmend bedrohlicher wird, sehr sehenswert. Ein starker Film.