Grosse Pointe Blank – Erst der Mord, dann das Vergnügen [1997]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 23. April 2003
Genre: Komödie / Krimi

Originaltitel: Grosse Pointe Blank
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1997
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: George Armitage
Musik: Joe Strummer
Darsteller: John Cusack, Minnie Driver, Dan Aykroyd, Alan Arkin, Joan Cusack


Kurzinhalt:
In seinem Job ist Angst ein Fremdwort, doch der Gedanke wieder in seine Heimatstadt zurückkehren zu müssen, um am dortigen Klassentreffen teilzunehmen, bereitet Profikiller Martin Blank (John Cusack) einiges Kopfzerbrechen. Immerhin hatte er seine Jugendliebe Debi (Minnie Driver) damals ohne ein Wort der Erklärung am Abend des Abschlussballs sitzen lassen, um sich bei der Armee einzuschreiben.
Schließlich kann ihn seine Assistentin Marcella (Joan Cusack) dazu überreden, Privates mit Beruflichem zu verbinden, denn für die Zeit des Klassentreffens gibt es einen neuen Mordauftrag in Martins Heimat Grosse Pointe.
In der malerischen Kleinstadt angekommen, gerät er jedoch nicht nur tiefer in seine wachsende Sinnkrise und sieht sich nicht nur mit Ex-Freundin Debi konfrontiert, sondern auch mit neugierigen Klassenkameraden, einem auf ihn angesetzten Killer, zwei korrupten NSA-Agenten und seinem "Kollegen" Grocer (Dan Aykroyd), der ihn mit allen Mitteln dazu zwingen will, in seine neu gegründete Killer-Gewerkschaft einzusteigen.

 
Kritik:
Der in Deutschland auch unter dem Titel Ein Mann, ein Mord veröffentlichte Film Grosse Pointe Blank von George Armitage (basierend auf einer Story von John Jankiewiscs und einem Drehbuch von ihm, Steve Pink und John Cusack) ist einer der absoluten Geheimtipps der späten neunziger Jahre – und das nicht unverdient.

Martin Blank, von John Cusack grandios lässig gespielt, ist ein netter Junge, wie ihn sich Mütter zum Schwiegersohn wünschen – wäre da nicht der etwas sonderbare Beruf, der schon in der grandiosen Eröffnungsszene wie die normalste Sache der Welt zelebriert wird.
Bereits bei den ersten Klängen von Johnny Nashs Klassiker "I can see clearly now" wird dabei auch der hervorragende Soundtrack, zumeist bestehend aus Songs der 80er Jahre, eingeleitet, der dem Film in punkto Atmosphärenentwicklung nur Gutes tut. Die Auswahl der einzelnen Stücke ist wirklich gelungen und bietet eine breite Palette bekannter und weniger bekannter, jedoch ausnahmslos passender und guter Songs; von Queen über Violet Femmes und The Cure bis hin zu Nenas "99 Luftballons". Eigentlich sollte diese überdurchschnittlich gute Zusammenstellung niemanden verwundern, zeichnet doch Joe Strummer von The Clash hierfür verantwortlich.
Aber die Songs sind nicht nur Bestandteil der filmischen Atmosphäre, vielmehr reflektieren sie auch einen Teil der Handlung, den durch das Klassentreffen nach zehn Jahren Schulabschluss eingeleiteten Blick in die eigene Vergangenheit. Wann, wenn nicht bei solchen Anlässen, erhält man denn schon so passend die Gelegenheit, das eigene Leben zu überdenken, Träume der Vergangenheit mit dem Schicksal der Gegenwart zu vergleichen, und seine Position in der Welt in neuem Licht zu betrachten?
Freilich sind Dinge wie Abschlussball (die sogenannte "Prom Night") und Klassentreffen in den USA weit kultiger und werden wesentlich ernster genommen, als in Deutschland, doch einen gewissen wehmütigen Blick ins eigene Gestern zu wagen – das hat auch hierzulande seinen Reiz und bringt oftmals auch Dinge wieder in das eigene Bewusstsein zurück, die man längst begraben glaubte.
So ergeht es auch Martin Blank, der zwar glaubt, sein Leben verlaufe hervorragend, sich jedoch schließlich eingestehen muss, dass dem eben nicht so ist, und ihn ein nicht zu leugnendes inneres Vakuum erfüllt. In diesem Zusammenhang ist der Name "Blank" (was soviel bedeutet wie "Leere") wohl kein Zufall. In gewisser Weise lebt er noch immer an jenem Abend vor zehn Jahren, an dem er seine große Jugendliebe sitzen ließ und sich bei der Army einschrieb.

Nachdem er aber seinen eigenen Schatten erst einmal übersprungen hat und sich von seiner Assistentin dazu hat überreden lassen, wieder in die Heimat zurückzukehren, beginnt der eigentliche Wahnsinn des Films, der sich von Station zu Station hangelt und dabei genüsslich jeden Aspekt von Martins altem Leben zerlegt und ihn von einer Neurose in die nächste stürzt. Nirgendwo wird dies deutlicher, als in dem Augenblick, als er beschließt, zu seinem alten Zuhause zu fahren, und an der Stelle seines Elternhauses ein kleiner Supermarkt steht, was ihn zu einem unverzüglichen Anruf bei seinem Therapeuten verleitet!
Auch das Treffen mit Debi verläuft natürlich nicht gerade reibungslos, obwohl die alte Leidenschaft nicht erloschen ist und noch immer Glut in der Asche lodert. Doch während er im Job cool und gelassen ist, wird er in der Nähe der attraktiven Frau wieder zu einem Teenager von geradezu herzerweichendem Jugendcharme mit Hundebaby-Blick.

Es wird für ihn ein sehr langer – und für den Zuschauer höchst amüsanter – Weg bis zum Klassentreffen, wo die Probleme erst anfangen. Wie in dem beinahe zeitgleich ins Kino gekommenen Film Romy & Michelle [1997], in dem zwei liebenswert unterbelichtete Klischee-Blondinen beim Klassentreffen mit ihren Jugendpeinigern abrechnen, klappert auch Grosse Pointe Blank die einzelnen peinlichen Situationen eines solchen Wiedersehens ab, ohne etwas auszulassen. Auf Phrasen wie "Und, was machst du so?" antwortet Martin dabei schon automatisch "Ich bin Profikiller.", was alle natürlich für einen tollen Witz halten.
Es kann einen schon deprimieren, wenn man hier bei manchen Leuten ein Resümee unter zehn Jahre Leben zieht; doch es gibt wie immer im Leben auch die Glanzpunkte, die Hoffnung machen.

Das gleichermaßen intelligente, wie witzige, dabei augenzwinkernd charmante und vor allem originelle Drehbuch, welchem es dankenswerterweise gelingt, ohne die derzeit im Kino wieder überhand nehmenden Zoten auszukommen, wurde von George Armitage so in Szene gesetzt, als sei die absurde Grundidee die normalste Sache der Welt, und der Zuschauer ist am Ende beinahe ebenso perplex wie Martin, als Debi ihm seinen Beruf vorhält. Erst einen Augenblick später wird einem wieder klar, dass man die ganze Zeit über eigentlich mit einem Profikiller lachte und fieberte. Doch eine Negativfigur soll der in einer verfrühten Midlife-Crisis steckende Cusack-Charakter natürlich auch nicht sein.
Vielmehr wird an seinem Beispiel beziehungsweise durch seinen Blickwinkel, den der Zuschauer hierbei einnimmt, die scheinbare amerikanische Vorstadtidylle mit tiefschwarzem und anarchischem Humor demontiert und als Farce demaskiert, hinter der der ganz normale Wahnsinn lauert. Sein Beruf als Killer ist im Grunde völlig nebensächlich und das, obwohl Waffengegner Cusack ihn vom Scheitel bis zur Sohle glaubwürdig verkörpert, ohne auch nur einen Moment unsympathisch zu wirken. Bereits jedes Mal seine Hand unter das Jackett zucken zu sehen, wenn ihn jemand anspricht, sagt mehr als tausend Worte.

In den 80ern noch Teenie-Star, heute Haupt- und Nebendarsteller in Hochkarätern wie City Hall [1996] oder Action-Bonbons wie Con Air [1997] – das milchbubihafte Gesicht von John Cusack, dem es vielleicht an besonderen Kennzeichen, nicht aber an Talent mangelt, hat sich bis heute gut auf der Leinwand gehalten und einige sehr sehenswerte Filme verschönert, von denen dies einer der besten ist. Nie war Cusack cooler und vielleicht mit Ausnahme von Rob aus High Fidelity [2000] war er sicher auch nie neurotischer. Trotz vieler anderer gelungener Charaktere hätte der Film dank ihm auch als reine One-Man-Show funktioniert.
Den weiblichen Gegenpart übernimmt Minnie Driver, die an der Seite von Matt Damon in Good Will Hunting – Der gute Will Hunting [1997] brillierte, und hier ebenfalls eine astreine Vorstellung gibt.
Ex-Ghostbuster und -Blues Brother Dan Aykroyd ist in seiner Nebenrolle als Grocer ebenso nett, wie die von Hank Azaria (Mystery Men [1999]) und K. Todd Freeman (unter anderem in Gottes Werk & Teufels Beitrag [1999] und als Vampir Trick in Buffy – Im Bann der Dämonen [1997-2003] zu sehen) gespielten NSA-Agenten.
Kleine Highlights liefern auch Johns Schwester Joan Cusack (Arlington Road [1999]) als engagierte Assistentin Marcella, die gute Seele von Martins "Unternehmen", und Alan Arkin (Gattaca [1997]) als sein eingeschüchterter und daher wenig objektiver Psychiater Dr. Oatman, dessen geschockter Gesichtsausdruck eine wahre Freude ist.

Dem behandelten Gewerbe entsprechend (also dem professionellen Eliminieren von unliebsamen Zeitgenossen), enthält Grosse Pointe Blank natürlich einige (gut choreographierte) Action-Szenen und besonders das Finale zwischen Martin und Grocer mit seinen Männern ist ziemlich bleihaltig und gemahnt an modern-lakonische Gewaltszenen aus einem Quentin-Tarantino-Film.
Obwohl auf überflüssige Bluteffekte verzichtet wurde, hat man den Film daher bei diversen TV-Ausstrahlungen minimal gekürzt (so zum Beispiel wenn Martin ein an einen Angreifer gerichtetes Werbegeschenk zweckentfremdet). Nichtsdestotrotz ist der Film jedoch weder gewaltverherrlichend, noch ein Actionfilm, all diese Kampfeinlagen bewegen sich im Rahmen des für die Geschichte Notwendigen.

Das Ende kommt dann nach dem in jeder Hinsicht ernüchternden Klassentreffen ziemlich schnell, und sobald das bleihaltige Finale seinen Abschluss gefunden hat, bringt der kurze Off-Kommentar die Aussage des Films noch einmal auf den Punkt: Schau nicht zurück und geh deinen Weg im Leben!


Fazit:
Ein weder um moralische oder tiefgehende Fragen, noch um rabenschwarzen Humor oder leichte Gesellschaftssatire verlegenes Komödien-Highlight mit romantischem Einschlag und leiser Nostalgie.
Die sympathischen Darstellerinnen und Darsteller, ein originelles Drehbuch und ein ausdrucksstarker, mitreißender 80er-Jahre-Soundtrack unterhalten auf hohem Spaßniveau und machen diesen Film zu einer Pflichtveranstaltung.