Greenland [2020]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 4. Juli 2021
Genre: Action / Drama / Science Fiction

Originaltitel: Greenland
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Ric Roman Waugh
Musik: David Buckley
Besetzung: Gerard Butler, Morena Baccarin, Roger Dale Floyd, Scott Glenn, Randal Gonzalez, Rick Pasqualone, Nicola Lambo, Alan Pietruszewski, Scott Poythress, Claire Bronson, Madison Johnson, Gary Weeks, Tracey Bonner, Merrin Dungey


Kurzinhalt:

Für die Geburtstagsfeier seines Sohnes Nathan (Roger Dale Floyd) kehrt der Bauingenieur John Garrity (Gerard Butler) zu seiner entfremdeten Frau Allison (Morena Baccarin) zurück. Er hofft, dass sich die Brüche ihrer Ehe werden kitten lassen, doch vielversprechend ist das Wiedersehen nicht. Am Geburtstag soll der Komet „Clarke“ dicht an der Erde vorbeiziehen. Es ist ein mediales Spektakel. Doch vollkommen unerwartet schlägt ein Teil des Kometen auf der Erde ein und richtet eine unermessliche Verwüstung an. In einer Textmitteilung des Heimatschutzministeriums erhält John die Nachricht, dass er und seine Familie für eine Evakuierung vorgesehen wären und sie sich am Abend auf einem Militärflughafen einfinden sollen. Als jedoch bekannt wird, dass in zwei Tagen ein Stück des Kometen einschlagen wird, das größer ist, als der Asteroid, der das Ende der Dinosaurier einläutete, bricht die öffentliche Ordnung zusammen. Für John, Allison und Nathan beginnt ein Kampf ums Überleben, während immer mehr Einschläge von Fragmenten des Kometen den Untergang der Welt einläuten …


Kritik:
Hollywood hat sich bereits mehrmals mit dem Schreckensszenario des Einschlags eines Himmelskörpers auf der Erde beschäftigt. Am bekanntesten in den beiden mehr oder weniger auf den überzogenen Unterhaltungswert ausgelegten Armageddon - Das jüngste Gericht [1998] und Deep Impact [1998], in denen die Menschheit in Anbetracht einer solchen Bedrohung zusammenarbeitet, um das Überleben der Spezies Mensch in heroischer Weise zu sichern. Ric Roman Waughs Greenland zeichnet kein solch schimmerndes, Hoffnung weckendes Bild. Aus Sicht einer Familie schildert das Actiondrama, wie in wenigen Tagen, wenn feststeht, dass die Erde von einem riesigen Kometentrümmerteil getroffen werden wird, die Gesellschaft um sie herum zusammenbricht und sie verzweifelt versuchen, zu überleben. Das erinnert von der Stimmung her spürbar an Steven Spielbergs Interpretation von Krieg der Welten [2005]. Sich diesem Thema auf solch ernsthafte Weise zu nähern, einen Katastrophenfilm zu erzählen, der nicht auf ein Zerstörungsinferno ausgelegt ist, sondern auf die menschlichen Dramen dahinter, ist so mutig wie unerwartet.

Erzählt aus der Perspektive der Familie Garrity, beginnt für den Familienvater, der hofft, nach einer schwierigen Zeit in der Ehe mit seiner Frau Allison wieder zu ihr und ihrem Sohn Nathan ziehen zu können, der Tag wie jeder andere. Als Bauingenieur ist er stark gefordert, so dass er die Nachrichten um den Kometen „Clarke“, der dicht an der Erde vorbeifliegen soll, kaum beachtet. Teile des Kometen, der für Astronomen unerwartet in das Sonnensystem eingetreten ist, sollen in die Erdatmosphäre eintreten und dort verglühen. Aber als John mit seinem Sohn im Einkaufszentrum steht, erhält er eine Nachricht des Präsidenten auf sein Telefon: Er wäre für eine Evakuierung ausgewählt worden und soll sich für weitere Instruktionen bereithalten. Kurz darauf muss die Welt mitansehen, wie ein Fragment des Himmelskörpers Florida verwüstet und bald wird klar, dass der Komet die Erde nicht verfehlen wird. John und seine Familie sollen sich in einem Luftwaffenstützpunkt einfinden, mit nur einer Tasche voll Habseligkeiten. Bereits ihr Weg dorthin entwickelt sich zu einem Überlebenskampf, als die Gesellschaft um sie herum zusehends zerfällt in Anbetracht der unaufhaltsamen, weltweiten Katastrophe.

Sieht man sich den Inhalt von Greenland an, klingt dies geradezu hoffnungslos und düster. Tatsächlich ist Ric Roman Waughs Film die vermutlich realistischste Darstellung dieses Szenarios, die in jüngster Zeit auf Film gebannt wurde. Zu sehen, wie packend dies sein kann, führt unweigerlich zu der Frage, weswegen sich Hollywood immer noch nicht dem Genre prägenden Science Fiction-Drama-Roman Luzifers Hammer [1977] der Autoren Larry Niven und Jerry Pournelle angenommen hat, das dieses Thema auf eine geradezu erschreckend greifbare Art und Weise aufbereitet. Eine Miniserie aus dem Hause HBO drängt sich hier geradezu auf.
Anstatt sich an dem Katastrophenszenario zu ergötzen, sind die verzweifelten Massen, die hier um Einlass auf das Rollfeld der Luftwaffenstützpunkte kämpfen, oder die gewaltbereiten Plünderer, die nur wenige Stunden nach der Ankündigung des drohenden Einschlags Lebensmittelläden und Apotheken einnehmen, nur der Hintergrund für das persönliche Drama der Figuren. Umso mehr nimmt das Geschehen mit, wenn John, Allison oder Nathan, der zudem auf Medikamente angewiesen ist, nicht mehr nur vor diesen Ereignissen fliehen, sondern unmittelbar von ihnen betroffen werden. Dabei gelingt es Regisseur Waugh, seine Erzählung derart greifbar zu gestalten, dass der Ausgang der einzelnen Momente alles andere als sicher oder vorhersehbar ist.

Hauptdarsteller Gerard Butler, der gleichzeitig als Produzent fungiert, dankt dies mit einer greifbaren Darbietung, die spürbar engagierter ist, als was er in den vergangenen Jahren in mittelmäßigen Actionfilmen gezeigt hat. Auch wenn ihre Figur am wenigsten ausgearbeitet ist, ist Morena Baccarins Verkörperung packend und auch Jungdarsteller Roger Dale Floyd weiß zu überzeugen. Handwerklich besticht Greenland durch viele gute und toll umgesetzte Momente, selbst wenn das Budget offenbar zu klein ausfiel, um dem Film die Art unscheinbare Trickeffekte zu verleihen, die die Geschichte an sich verdient hätte. Zwar geben sich die Verantwortlichen sichtlich Mühe, das Beste aus dem Vorhandenen zu machen, aber mit den immerhin 20 Jahren alten, eingangs genannten Filmen können es die Aufnahmen der Einschläge nicht aufnehmen.

Der sehr begrenzte Blick auf die Familie, aus deren Sicht die Katastrophe erzählt wird, ist einerseits der größte Pluspunkt der Geschichte, er sorgt aber auch dafür, dass Greenland eine erzählerische Komplexität fehlt, die ein so weltumspannendes Ereignis an sich verdienen würde. Zu sehen, wie John und Allison aus den wenigen Informationen, die ihnen zur Verfügung stehen, versuchen, die richtigen Schlüsse zu ziehen, wie sie über ihre Grenzen gebracht werden in Anbetracht einer Welt, die vor ihren Augen zerfällt, noch bevor sie zu Ende geht, ist packend und auch mitreißend dargebracht. Es ist eine Art Katastrophenfilm, wie man sie sieht langem nicht mehr gesehen hat, eine, in der das Schicksal der Figuren mehr interessiert, als das Spektakel um sie herum. Das zu sehen, ist erschreckend, und gerade deshalb gelungen.


Fazit:
Durch die vielen großen Hollywood-Produktionen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich in gewisser Weise die Erwartung eingestellt, dass Katastrophenfilme auf Grund der gezeigten Zerstörung Spaß machen sollen. Nicht zuletzt, weil am Ende trotz mancher persönlicher Opfer doch alles gut ausgehen wird. Greenland besinnt sich auf einen anderen Aspekt des Genres und stellt das persönliche Schicksal seiner Figuren in den Mittelpunkt. Dabei gerät die ganz normale Familie nicht zu Superhelden, sondern muss in beängstigenden Situationen Grenzen überschreiten, die man selbst hofft, nie austesten zu müssen. Weil eben nicht das Spektakel im Vordergrund steht, entwickelt das Drama mit vielen guten Ideen eine unerwartete Zugkraft und überzeugt durch die menschlichen Schicksale, selbst wenn die Trickeffekte teils allzu offensichtlich sind. Dies ist ein starker Film, stärker als erwartet, in dem Regisseur Ric Roman Waugh in Anbetracht der Ereignisse des letzten Jahres offenbar ein realistischeres Szenario des Umgangs der Gesellschaft mit einer solchen Bedrohung zeichnet, als man hoffen würde. Trotz allem finden sich zwar einige Klischees hier wieder und auch das Ende scheint einen Lichtblick präsentieren zu wollen, wo man nur Dunkelheit vermuten würde. Doch diese Schwächen verzeiht man hier gern.