Good Will Hunting [1997]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Dezember 2024
Genre: DramaOriginaltitel: Good Will Hunting
Laufzeit: 126 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1997
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Gus Van Sant
Musik: Danny Elfman
Besetzung: Matt Damon, Robin Williams, Ben Affleck, Stellan Skarsgård, Minnie Driver, Casey Affleck, Cole Hauser, John Mighton, Scott William Winters, Jimmy Flynn, Christopher Britton, Alison Folland, George Plimpton
Kurzinhalt:
Auch wenn er erst kürzlich auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, sucht Will Hunting (Matt Damon) eine Schlägerei, als er einen jungen Mann erkennt, der ihn in Kindertagen verprügelt hatte. Sein Alltag besteht ansonsten aus seiner Arbeit als Hausmeister einer renommierten Universität und der Zeit, die er mit seinen Freunden um Chuckie (Ben Affleck) verbringt. Nach seiner jüngsten Entgleisung soll Will erneut ins Gefängnis, doch erkennt der Mathematik-Professor Gerald Lambeau (Stellan Skarsgård) ein ungeahntes Talent in Will, der beinahe nebenbei ein mathematisches Problem in der Universität gelöst hat, das Lambeau für seine Studenten an die Tafel schrieb. Aufgewachsen in einem armen Viertel Bostons, hat sich Will sein Wissen selbst angeeignet und beherrscht die Fähigkeit, hochkomplexe Zusammenhänge und Berechnungen zu erkennen bzw. zu lösen. Lambeau kann die weitere Gefängnisstrafe verhindern, wenn sich Will unter anderem in Therapie begibt. Darum wendet sich Lambeau an den lehrenden Therapeuten Dr. Sean Maguire (Robin Williams), der mit sich selbst zu kämpfen hat. Seine Sitzungen mit dem widerspenstigen Will, der inzwischen eine Beziehung mit der Studentin Skylar (Minnie Driver) begonnen hat, sind insofern für beide aufschlussreich – und führen doch zu noch mehr Verletzungen …
Kritik:
Es dauert lange, ehe deutlich wird, welche Geschichte der preisgekrönte Film Good Will Hunting, mitunter auch bekannt unter dem eingedeutschten Titel Der gute Will Hunting, überhaupt erzählen will. Doch entwickelt das prominent besetzte und stark gespielte Drama eine Zugkraft und offenbart Schattierungen in den Darbietungen, die seine Wirkung nur noch verstärken. Für ein ruhiges Publikum ist das so lohnenswert wie bewegend und unterstreicht außerdem, welches Talent viel zu früh verloren ging.
Im Zentrum der Erzählung steht der Titel gebende, 22 Jahre junge Will Hunting, der nach einer verbüßten Gefängnisstrafe auf Bewährung entlassen wurde und im Süden Bostons seine freie Zeit mit seinen Freunden Chukie, Morgan und Billy verbringt. Sie trinken viel, ziehen um die Häuser und gehen keinem Streit aus dem Weg, wenn sie nicht gar selbst eine Schlägerei provozieren, die Will wieder ins Gefängnis bringen könnte. Der arbeitet als Hausmeister an der prestigeträchtigen Forschungsuniversität Massachusetts Institute of Technology (MIT). Eines Tages sieht er ein mathematisches Problem an der Tafel auf dem Gang und entscheidet sich, es zu lösen. Denn ohne je eine höhere Ausbildung genossen zu haben, ist Will ein mathematisches Genie und erinnert sich an was immer er je gelesen hat, bis auf die Seitenzahl, auf der es stand. Als Professor Gerald Lambeau erkennt, was für ein Potential in Will schlummert, ist er darauf aus, es zu fördern und setzt sich vor Gericht für den jungen Mann ein, der einmal mehr mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Eine der Auflagen, dass Will nicht ins Gefängnis muss, lautet, dass er sich einer Therapie unterzieht. Auf der Suche nach einem geeigneten Therapeuten wendet sich Lambeau an seinen ehemaligen Kommilitonen Sean Maguire, der nach einem Schicksalsschlag kaum mehr er selbst ist.
Sieht man, zu was Will in der Lage ist, mag man sich kaum vorstellen, dass er seine Zeit damit vergeudet, an einem Ort, an dem die klügsten Köpfe der Welt versammelt sind, den Boden zu wischen, anstatt die Zukunft mit zu gestalten. Ebenso fragt man sich, wie es sein kann, dass er allein in einem beinahe baufälligen Haus im Süden Bostons wohnt, das kaum möbliert ist, in dem er aber stapelweise Bücher vor dem Schlafengehen liest, während er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, die ihn vielleicht körperlich, aber nicht geistig fordern. Seine freie Zeit bringt er mit Freunden zu, die seine Interessen nicht einmal ansatzweise teilen. Dass sie wohl erkennen, dass Will im Grunde zu mehr berufen ist, bringt sein Freund Chuckie in einem Gespräch auf den Punkt, wobei er sogar den Grund dafür erkennt, weshalb Will nicht mehr aus seinem Talent machen möchte, was Will sich selbst nicht eingestehen mag. Behutsam stellt Good Will Hunting diesen einerseits belesen und eloquent auftretenden jungen Mann vor, in dem in der ersten Filmhälfte eine unterschwellige Wut zu brodeln scheint, die sich ganz zu Beginn den Weg nach Außen bahnt.
Die Zusammenhänge zwischen beiden Aspekten nicht nur zu erkennen, sondern auch einen möglichen Weg aufzuzeigen, ist Aufgabe von Wills Therapeut Sean, preisgekrönt gespielt von Robin Williams in einer Darbietung, dessen Bandbreite allein schon unter die Haut geht. Sean sieht vor sich einen Mann, der alles Wissen wie ein Schwamm aufgesogen hat, ohne die Erfahrung zu besitzen, dies in einen praktisch anwendbaren Kontext rücken zu können. Für ihn ist Will ein roher Diamant, der von den traumatischen Erfahrungen seiner Kindheit zusammengehalten wird und zerspringen könnte, wenn er von Lambeau zu schnell nach seinen Vorstellungen geschliffen wird. Die Dialoge zwischen Sean und Will sind durchweg großartig und ihre zweite Sitzung, wenn der Therapeut seinen Patienten mit nach draußen nimmt, um ihm die Einschätzung seiner Persönlichkeit mitzuteilen, ist einer der besten Momente des Films. Williams, dessen Figur nach einem persönlichen Verlust selbst traumatisiert ist, legt in die Worte und den Blick seiner Figur eine Mischung aus Anerkennung und beinahe Verachtung für die verletzende Art und Weise, mit der Will seinen Mitmenschen begegnet, sowie einer Traurigkeit angesichts der Verschwendung an Talent, die er beobachtet, dass es unmittelbar berührt.
Filmemacher Gus Van Sant gibt seiner ebenso namhaften wie talentierten Besetzung den Raum, die Beziehungen, in denen die Figuren zueinander stehen, wie eine geometrische Form aufzubauen mit Will im Zentrum, der die Menschen bewusst auf Abstand hält. Das Mathematikgenie Lambeau muss dabei erkennen, dass er Wills Talent nicht ansatzweise das Wasser reichen kann, während sich Wills Freundin Skylar nach Monaten in der Beziehung eingestehen muss, dass sie ihn im Grunde gar nicht kennt und nicht ahnt, mit welchen Dämonen er ringt. Und während Dr. Maguire feststellt, dass er dem jungen Mann nicht helfen kann, wenn er nicht bereit ist, etwas von sich selbst zu offenbaren, so verwundbar er doch gerade ist, gelangt Will an den Punkt, dass es nicht ausreicht, am Status quo festzuhalten, wenn er sich auch emotional entwickeln möchte.
Diese Entwicklungen zu beobachten, lädt Good Will Hunting das Publikum ein und nähert sich den Charakteren dabei Zug um Zug immer mehr, bis man nicht mehr anders kann, als die Konfliktsituationen, in denen es um den Kern der Persönlichkeiten geht, schlicht auszuhalten. Von der erstklassigen Besetzung ist das durchweg authentisch und packend zum Leben erweckt, gerade in denjenigen Momenten, in denen sich die Emotionen endlich einen Weg nach außen bahnen. Bis es soweit ist, nimmt sich das Drama überraschend Zeit und versieht die erste Hälfte mit Einblicken in Wills Alltag mit seinen Freunden, die doch kaum definiert sind. Ob es diese Figuren, darunter auch den von Ben Affleck gespielten Chuckie, überhaupt benötigt, sei dahingestellt, doch dafür entschädigt die zweite Hälfte allemal.
Fazit:
Filmemacher Gus Van Sant erzählt nicht die Geschichte eines verarmten, unvorstellbar talentierten Mathematikgenies, das nach seiner Entdeckung die Höhen und Tiefen des Ruhms erlebt. Stattdessen begleitet er eine zutiefst verletzte Seele auf ihrem Weg, ob sie ihr Talent überhaupt annehmen soll. So sehr die Menschen in Wills Kindheit ihn geprägt haben, weshalb er für sich bleibt und niemandem vertraut, so sehr wollen der Professor, der Therapeut und seine eigene Freundin ihn nun auf seinem künftigen Weg begleiten, oder diesen gar mitgestalten. Doch ohne sich der Vergangenheit zu stellen, gibt es keine Zukunft. Good Will Hunting legt behutsam und doch entschlossen die Verletzungen seiner Figuren offen, getragen von bewegenden Darbietungen, die im Falle von Robin Williams nur noch schmerzlicher unterstreichen, was für ein Talent mit ihm verloren ging. Ihn hier zu begleiten, wie seine Figur versucht, diesem traumatisierten jungen Mann zu helfen, ist so berührend, wie Wills Entwicklung Hoffnung weckend. Wertvoll und wichtig.