Gone Girl - Das perfekte Opfer [2014]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Oktober 2014
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Gone Girl
Laufzeit: 149 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: David Fincher
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Darsteller: Ben Affleck, Rosamund Pike, Neil Patrick Harris, Tyler Perry, Carrie Coon, Kim Dickens, Patrick Fugit, David Clennon, Lisa Banes, Missi Pyle, Emily Ratajkowski, Casey Wilson, Lola Kirke, Boyd Holbrook, Sela Ward


Kurzinhalt:

Als Nick Dunne (Ben Affleck) an seinem Hochzeitstag nach dem morgendlichen Besuch bei seiner Schwester Margo (Carrie Coon) zurück nach Hause kommt, sieht er im Wohnzimmer Anzeichen eines Kampfes – von seiner Frau Amy (Rosamund Pike) fehlt jede Spur. Die Polizistin Rhonda Boney (Kim Dickens) und ihr Kollege Jim Gilpin (Patrick Fugit) nehmen die Ermittlungen auf und als sich am nächsten Tag Nick und seine Schwiegereltern Marybeth (Lisa Banes) und Rand (David Clennon) an die Presse wenden, gibt es von Amy immer noch kein Lebenszeichen. Eine Lösegeldforderung ebenso wenig.
Je mehr Tage vergehen, umso tiefer bohren Boneys Fragen in Nicks Ehe. Während sich die Medien, angeführt von Ellen Abbott (Missi Pyle), auf ihn als möglichen Täter einschießen, kommen auch Amys ehemalige Verehrer, darunter Desi Collings (Neil Patrick Harris) in den Kreis der Verdächtigen. Doch es scheint nicht nur, als wäre Nick nie um eine Antwort verlegen, oder nicht beunruhigt genug, es ist, als wäre ihm die Meinung der Öffentlichkeit wichtiger, als die der Ermittler ...


Kritik:
Etwas aus Gone Girl - Das perfekte Opfer zu verraten, das nach den ersten 50 Minuten geschieht, würde bedeuten, dem interessierten Zuschauer den Film zu verderben. Regisseur David Fincher und Drehbuchautorin Gillian Flynn, die ihren eigenen Roman adaptiert, gestalten ihre Geschichte in einer Art und Weise, dass man sich nie sicher sein kann, was als nächstes geschieht, oder worauf es am Ende hinauslaufen wird. Dass einen der Thriller zusehends wütend macht, ist Teil des Konzepts, und dass es am Ende aufgeht ebenso der tollen Besetzung wie der brillanten Umsetzung zu verdanken.

Ein großes Lob gebührt dabei auch denjenigen, die die Trailer zum Film zusammengestellt haben. Wer der Meinung ist, er weiß anhand der Vorschau, wie sich die Geschichte entwickeln wird, darf sich auf so manche Überraschung freuen. Dass Gone Girl einige Wendungen beinhaltet, die im besten Fall als weit hergeholt bezeichnet werden können, macht sie nicht weniger effektiv. Die Story beginnt damit, dass der Autor und Dozent Nick Dunne an seinem Hochzeitstag Zeichen eines Kampfes in seinem Haus vorfindet und daraufhin die Polizei informiert. Seine Frau Amy, im Land bestens bekannt als lebendes Vorbild der Romanfigur "Amazing Amy", wird vermisst.

Während wir beobachten, wie sich die Polizistin Boney und ihr Kollege Gilpin ein Bild von Nick machen, der offensichtlich stark von den wohlhabenden Wurzelns seiner Frau profitiert hat, kommentiert Amy aus dem Off mit Tagebucheinträgen, wie sich ihre Ehe entwickelt hat. Angefangen von der ersten, romantischen Begegnung, über den temperamentvollen Beginn ihrer Ehe, bis sie schließlich Angst vor ihrem eigenen Mann bekam, der auch handgreiflich ihr gegenüber wurde. Sieht man dabei Nick, der selbst bei einem Aufruf im Fernsehen an Amy oder ihre Entführer noch ein Lächeln für die Kamera erübrigen kann, der sich bereitwillig für ein Promi-Selfie hergibt, wenn die nachfragende Frau nur hübsch genug ist, und dem nie eine aufkeimende Angst um seine Frau oder gar Panik ins Gesicht steht, dann fragt man sich durchaus, was die Polizei tagelang davon abhält, ihn zu verhaften.

Als immer um Sympathie bemühter, leicht überfordert, aber nie beunruhigt dreinblickender Nick, gibt Ben Affleck eine der besten Darbietungen seiner Karriere, während die stets unterkühlt wirkende Rosamund Pike in Amy vielleicht ihre perfekte Rolle gefunden hat. Beide zusammen besitzen von Beginn an eine unwirkliche Chemie, die durch Nicks Verhalten und Amys Erzählungen nur noch surrealer wird. Gone Girl spielt dabei mit unserer Wahrnehmung, wie leicht wir von dem, was wir erwarten, beeinflusst werden, und wie Nick von den Medien abwechselnd verteufelt und als Psychopath verschrien, tagdarauf wieder als fürsorglicher Ehemann gepriesen wird. Zu sehen, wie bei einer Mahnwache die Stimmung durch eine einzige Behauptung kippt, Nick urplötzlich zum Gejagten wird, besitzt eine beängstigende Dynamik. Doch verpasst Fincher seinem ruhig erzählten Thrillerdrama zusätzlich eine derart bittere, zynische Seite, dass selbst Der Rosenkrieg [1989] wie eine hoffnungsvolle Romanze erscheint.

Mit Sieben [1995], Panic Room [2002] oder aber dem genialen Fight Club [1999] hat der Regisseur einige der besten Filme unserer Zeit präsentiert. Was seine gewohnt bestechende Optik angeht, kann Gone Girl - Das perfekte Opfer daran nicht ganz anknüpfen, wobei womöglich gerade die "normale" Inszenierung einen Gegenpol zur vollkommen unnormalen Alltäglichkeit der Geschichte darstellen soll. Die Bilder sind wohl überlegt und die Szenen bewusst mitunter einen Tick länger, als einem angenehm ist (man denke an die Situationen mit dem Hammer und der Champagner-Flasche), doch so sehr einen auch interessiert, die Geschichte aufgelöst zu sehen, sie packt mehr durch ihre Art, als durch ihre Umsetzung.


Fazit:
Sieht man die Figuren zum Spielball der Medien und der öffentlichen Meinungsmaschinerie werden, macht einen das ebenso wütend wie die Tatsache, dass man selbst davon mitgerissen wird, beziehungsweise, dass Nick Dunne sich so dämlich verhält, dass er jedes Vorurteil, das gegen ihn behauptet wird, noch bestätigt. Gone Girl - Das perfekte Opfer ist Thriller und Satire in einem, ersteres stets beunruhigend und rätselhaft, letzteres so böse wie desillusionierend.
Die fabelhafte Besetzung wird von Affleck und Pike grandios angeführt und dem stehen insbesondere Neil Patrick Harris, Carrie Coon und Kim Dickens in nichts nach. So gelungen die Bilder sind, sie scheinen nicht in dem Maße komponiert, wie man es von David Fincher gewohnt ist und wäre es nicht um die undurchschaubaren Figuren, ihre Motive und die unvorhersehbare Geschichte, dann würde der Film weniger packen. Für ein anspruchsvolles Publikum, das bereit ist mit zu rätseln und sich aufs Glatteis führen zu lassen, ist das sehr sehenswert und einer der besten Filme seiner Art.