Fast & Furious 9 [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 29. Juni 2021
Genre: Action / ThrillerOriginaltitel: F9
Laufzeit: 145 min.
Produktionsland: Frankreich / USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Justin Lin
Musik: Brian Tyler
Besetzung: Vin Diesel, John Cena, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Ludacris, Nathalie Emmanuel, Jordana Brewster, Charlize Theron, Finn Cole, Sung Kang, Anna Sawai, Helen Mirren, Kurt Russell, Lucas Black, Shad Moss, Thue Ersted Rasmussen, Don Omar, Shea Whigham
Kurzinhalt:
Beinahe 30 Jahre ist es her, dass Dominic „Dom“ Toretto (Vin Diesel) mitansehen musste, wie sein Vater bei einem Autorennen sein Leben verlor. Doch die Erinnerung daran holt ihn wieder ein, als Dom bei einer Mission mit Letty (Michelle Rodriguez), Roman (Tyrese Gibson), Tej (Ludacris) und Ramsey (Nathalie Emmanuel) in Zentralamerika auf seinen Bruder Jakob (John Cena) trifft, der früher immer in seinem Schatten stand und nun ein abtrünniger Geheimagent ist. Dom war auf der Suche nach Mr. Nobody (Kurt Russell), dessen Flugzeug zum Absturz gebracht wurde, nachdem er die Hackerin Cipher (Charlize Theron) gefasst hatte – die Mörderin der Mutter von Doms Sohn. Doch Jakob ist auf der Suche nach etwas anderem, einem Teil von „Projekt Ares“, das Mr. Nobody bei sich hatte. Ares ist eine Waffe, die es an sich nicht geben sollte, mit der Macht, die Weltordnung neu zu schreiben. Um sie einsetzen zu können, benötigt Jakob nicht nur einen weiteren Teil, sondern auch einen Schlüssel, den Dom in Tokio vermutet, wo auf seine Schwester Mia (Jordana Brewster) und Letty ein überraschendes Wiedersehen wartet. Doch Jakobs schier unendliche Ressourcen und der erbitterte Streit der beiden Brüder, der bis zum Tod ihres Vaters zurückreicht, lassen Dominics Chancen zusehends schwinden, diese unmögliche Mission zu überleben …
Kritik:
Eine alte Regel unter Filmfans besagt, dass wenn eine Filmreihe nur lange genug läuft, ihre Geschichten sie irgendwann ins Weltall führen werden. Vermutlich, weil man auf der Erde keine neuen Ideen mehr findet. Mit Fast & Furious 9 ist für das langlebige Franchise, das als Autorennreihe begann und sich schleichend zu Agentenstorys gemausert hat, diese Grenze überschritten. Überhaupt scheint Filmemacher Justin Lin, der für einige der besten Teile verantwortlich zeichnet, nicht mehr wirklich daran interessiert, eine ernsthafte Geschichte zu erzählen. Anders kann man es sich nicht erklären, wenn sich in demselben Film eine Szene wiederfindet, in der ein gepanzertes Fahrzeug über eine Landmine fährt und durch den Druck der Explosion in die Luft geschleudert wird, nur um kopfüber in einer Felsspalte stecken zu bleiben und später eine Figur in einer anderen Szene sagt, „Solange wir uns an die Gesetze der Physik halten, kann uns nichts passieren“ – während sie in einem Auto sitzt, das mit Raketentriebwerken bestückt in den Weltraum reisen soll. Extravagante Actionhighlights und schier unmögliche Stunts sind eines, vollkommen unrealistische Actionsequenzen und per CGI zum Leben erweckte, absolut unmögliche Stunts lassen den neusten Teil der Filmreihe jedoch sehr oft ins Fantasygenre abdriften.
So wird man das Gefühl kaum los, Lin und sein Co-Autor wären selbst die größten Fans des Fast & Furious-Franchise und könnten mit einem schier unendlichen Budget ihren verrücktesten Ideen freien Lauf lassen. Zugegebenermaßen gelingt es ihnen dabei immerhin, der Geschichte um Hauptfigur Dominic Toretto zumindest ein paar neue Facetten zu verleihen. So setzt der Film bei einem NASCAR-Rennen vor mehr als dreißig Jahren an, bei dem Dom mitansehen muss, wie sein Vater als Rennfahrer schwer verunglückt. Immer wieder springt die Erzählung dorthin zurück und verdeutlicht die Beziehung von Dominic mit einem Familienmitglied, das bislang noch nicht bekannt war: Neben seiner Schwester Mia hat Dom auch einen jüngeren Bruder, Jakob. Der tritt auf den Plan, als die auf dem Land zurückgezogen lebenden Dominic und Letty von ihrer alten Crew, Roman, Tej und Ramsey, aufgesucht werden. Sie haben einen Notruf erhalten, in dem Mr. Nobody mitteilt, er habe die Hackerin Cipher gefunden, ihr Flugzeug stürze jedoch ab. Cipher war für den Tod der Mutter von Doms Sohn verantwortlich. Dieser merklich fadenscheinige Aufhänger der Story wird auch dann nicht gehaltvoller, wenn der wahre Plan hinter alledem offengelegt wird. Es soll reichen zu sagen, dass „Projekt Ares“ eine Gefahr für die ganze Welt darstellt und Jakob als abtrünniger Agent offenbar auf der falschen Seite steht. Dies reicht, damit die Geschichte von einem Land zum nächsten springen kann und es in jedem wenigstens ein Actionfeuerwerk zu bestaunen gibt.
So dauert es auch nur wenige Minuten, ehe auf die Helden im Dschungel Montecitos in Zentralamerika geschossen wird – durch wen auch immer. Es gibt in Fast & Furious 9 immer irgendwo eine Kleinarmee, mit der es die Guten aufnehmen müssen. Bei den groß angelegten Actionsequenzen wirbeln Menschen wie Puppen durch die Luft, ohne Blessuren davon zu tragen. Selbst wenn ein Auto wie an einer Liane hängend von einer Insel zur nächsten schwingt, sich mehrmals überschlägt, die Fahrkabine völlig verzogen ist, jedes einzelne Fenster geborsten, tragen die Insassen nicht einmal einen Kratzer davon. Tatsächlich macht sich das Drehbuch über den Umstand, dass die Helden offenbar unbesieg- und unverwundbar sind, sogar mehrmals selbst lustig. Man gewinnt beinahe den Eindruck, als wäre F9, wie der Filmtitel im Original lautet, in gewisser Weise eine Parodie auf das eigene Franchise.
Wenn den Helden aber nichts geschehen kann und sie am Ende wohl auch gewinnen, wieso sollte man von dem Gezeigten dann mitgerissen werden? Auf diese Frage liefert Filmemacher Lin nur bedingt eine Antwort. Dafür schickt er seine Figuren auf eine Spionage-Story quer um den Globus, stets perfekt ausgestattet mit den neuesten, edelsten Autos, Science Fiction-Technologie und inmitten sehenswürdiger Orte oder andächtiger Gebäude. Die Missionen, die sie dort zu bestreiten haben, münden meist in einer Konfrontation mit den Schurken, doch was diese Abschnitte zusammenhält, die Story im Hintergrund, ist bestenfalls hanebüchen. Darüber hilft auch der ausgedehnte Blick in den Toretto-Familienstammbaum nicht hinweg, der mühelos in Dialogen hätte erzählt werden können, wodurch sich auch die aufgeblähte Laufzeit von sehr spürbaren zweieinhalb Stunden hätte reduzieren lassen.
Sieht man sich den Verlauf der Story an, ist es geradezu überraschend, dass es hier tatsächlich wieder ein klassisches Straßenrennen gibt, also genau das, wodurch die Reihe frühe Erfolge gefeiert hat. Zwar nur in einem Rückblick, aber immerhin. Im Kontrast dazu fällt jedoch auf, wie aufgebläht der Rest der Geschichte erscheint, bis hin zu vollkommen abstrusen Einfällen, die im Verlauf weit über das hinausgehen, was man in den ersten 20 Minuten für absurd erachtet. Wer an Fast & Furious 9 jedoch als vollkommen anspruchslose Actionunterhaltung herangeht, wird sich durchaus unterhalten lassen können. Selbst dann, wenn der Gewaltgrad in manchen Momenten über die Altersfreigabe hinausgeht und obwohl von der Star-Besetzung nur wenige Figuren in mehr als nur einer Szene gefordert sind. Dass es den Machern trotz allem gelingt, die Wurzeln der Figuren nicht aus dem Blick zu verlieren, zum Beispiel ein Platz beim Familienbarbecue leer bleibt und man Paul Walkers’ Wagen vorfahren sieht, ist ebenso ein Dienst an die Fans, wie die Szene inmitten des Abspanns, in der eine unerwartete Rückkehr offenbar für Zündstoff in einer möglichen Fortsetzung sorgt. Und genau für diese Momente bleiben Fans der Reihe trotz der oben beschriebenen Makel treu. Sie werden auch hier auf ihre Kosten kommen.
Fazit:
Mit Fast & Furious - Neues Modell. Originalteile. [2009] hat Filmemacher Justin Lin die Reihe in eine neue Richtung gelenkt, hin zu actionlastigen Krimis und Thrillern. Sein Fast & Furious Five [2011] war der spaßigste und kurzweiligste Einstand und überzeugte mit fulminanter Action, die zu allem Überfluss handgemacht aussah. Doch statt langfristig Einbrüche zu planen, gehen die Helden in Fast & Furious 9 mit der Zurückhaltung eines Bulldozers ans Werk. Die blaßen Schurken tun es ihnen gleich. Beginnt die dünne Geschichte mit haarsträubenden Ideen, steigern die Verantwortlichen dies im Laufe der ausgedehnten zweieinhalb Stunden noch. Das Ergebnis ist sichtbar aufwändig, aber auch sichtbar nicht echt. Seien es die computergenerierten Figuren, die durch die Luft fliegen, oder das computergenerierte Inferno, das sie in aller Herren Ländern veranstalten. Anstatt die Reihe nach Panzern und U‑Booten buchstäblich wieder zu erden, verlässt die Story gar die Erdanziehungskraft. Doch wenn die Figuren keinen Risiken ausgesetzt sind, ist das Gezeigte, so explosiv es sein mag, nur mäßig spannend. Schickt man das Gehirn noch beim Vorspann über die gesamte Lauflänge in eine Auszeit, kann man sich hier gut unterhalten lassen mit einem Actionfeuerwerk, das beinahe die Leinwand in Brand setzt und das Trommelfell überlastet. Nur ist das trotz allem leider auch zu wenig.