Equilibrium - Killer of Emotions [2002]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Juli 2005
Genre: Science Fiction / Action

Originaltitel: Equilibrium
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Kurt Wimmer
Musik: Klaus Badelt
Darsteller: Christian Bale, Sean Bean, Taye Diggs, Angus Macfadyen, Emily Watson, Sean Pertwee, Matthew Harbour, Emily Siewert, Maria Pia Calzone, Dominic Purcell, William Fichtner


Kurzinhalt:
Nach dem Dritten Weltkrieg hat sich ein faschistisches Regime an die Spitze der übrig gebliebenen Menschheit gesetzt – ihr Ziel ist es, Krieg und Gewalt dadurch zu verhindern, dass sämtliche Emotionen unterdrückt werden. Erreicht wird dies durch eine Droge, Prozium, die sich die Bewohner von Libria, regelmäßig spritzen müssen. Teil des Regimes ist die Einsatztruppe der Kleriker, die Menschen aufspüren, die sich gegen die Verordnungen des Vaters, des Anführers der Stadt, widersetzen. Wer sein Prozium absetzt, Bücher oder Kunstgegenstände hortet, gilt als Sinnestäter und wird exekutiert.
Der Kleriker John Preston (Christian Bale) ist einer der besten Kleriker Librias, der auch nicht davor zurückschreckt, seine Freunde zu bestrafen, wenn diese gegen Vaters Auflagen verstoßen haben. Seine eigene Frau wurde vor wenigen Jahren wegen Sinnestaten verhaftet – aber als Preston mit seinem neuen Partner Brandt (Taye Diggs) tiefer zu den Rebellen der Sinnestäter vordringt, kommen ihm Zweifel, hauptsächlich deshalb, weil er selbst unbeabsichtigt sein Prozium abgesetzt hat, und seine Gefühle die Oberhand gewinnen ...


Kritik:
Für Filmemacher Kurt Wimmer, der in Hollywood bereits als Drehbuchautor bekannt war und unter anderem die Vorlage für Die Thomas Crown Affäre [1999] lieferte (von seiner Drehbuchfassung zu Sphere - Die Macht aus dem All [1998] wurde angeblich nicht viel übernommen), war es die Erfüllung eines Traumes, Equilibrium für die Leinwand zu adaptieren. Dementsprechend groß war die Enttäuschung, als die 20 Millionen Dollar Produktion weltweit nur fünf Millionen wieder einnahm (für das Studio Dimension war der Film trotzdem insofern ein Erfolg, da er die Produktionskosten durch die internationalen Verleihrechte wieder eingenommen hatte). Die Kritiker zerrissen den Film in großen Teilen in der Luft und auch die Zuschauer waren nicht sonderlich begeistert – zu offensichtlich war das Bemühen der Produktion, auf der Matrix [1999]-Welle mitzuschwimmen, die in Vorbereitung auf die beiden Fortsetzungen gerade wieder am Aufbauen war.
Einzig im Internet konnte sich Wimmer eine recht große Fangemeinde sichern, die bereits seinem nächsten Projekt entgegenfiebert. So schlecht, wie ihn viele Zeitgenossen geredet haben, ist Equilibrium zwar nicht geraten, seine Unentschlossenheit samt des katastrophal-unterdurchschnittlichen Schlusses vernichtet jedoch die prinzipiell guten Ansätze, die aber allzeit unter dem niedrigen Budget leiden.

Das Drehbuch wartet dabei zwar mit einer utopischen, aber nicht wirklich neuen Prämisse auf, die entfernt an George Orwells 1984 [1949] erinnern. Die Gesellschaft, in der Krieg und Mord dadurch ausgerottet wurden, dass die Emotionen der Menschen unterdrückt werden, scheint auf den ersten Blick gar nicht abwegig, verfolgt man jedoch die Verhaltensweisen der Figuren, muss man schnell erkennen, dass zu viele ihre Emotionen nicht geschickt verbergen können, darunter sowohl Taye Diggs' Charakter Brandt, als auch der Anführer Dupont. Eine Fehler, der Drehbuchautor Wimmer schon im Konzept unterlaufen ist, ist jedoch die Tatsache, dass nicht nur Hass, Liebe, Eifersucht oder Neid zu den Gefühlen zählen, sondern auch Ehrgeiz, Hoffnung, Ambition und viele andere, ohne die ein Leben in der Gesellschaft und ein Überleben der Gesellschaft selbst schlicht nicht möglich ist. Über die futuristische Welt erfährt man zudem zu wenig, als dass man sich dafür wirklich interessieren könnte – die Strukturen der Grammaton Kleriker (über die Sinnigkeit dieser Bezeichnung lässt sich sicher streiten) wird ebenfalls kaum ein Wort verloren.
Doch während das Skript in der ersten Stunde immerhin darum bemüht ist, dem Zuschauer die Hauptfigur John Preston nahe zu bringen, und man sich als Zuschauer auch für seine Verwandlung zum fühlenden Menschen interessiert, wandelt sich das Geschehen in den letzten 30 Minuten zu einem nicht enden wollenden Shootout, der keinerlei Struktur besitzt und in einem der lächerlichsten, unnötig brutalsten und vor allem uninteressantesten Showdowns endet, die man seit langem in einer solchen Produktion gesehen hat.
Die eingebaute Symbolik auch in Bezug auf die Namen der Gesellschaft sei unbestritten, wird jedoch so stark betont, dass auch der letzte Zuschauer es verstanden hat. Statt die Utopie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen, eine kluge Auflösung einzubauen, setzt Wimmer auf ein choreografiertes Finale, das weder der Ausgangslage gerecht wird, noch sich mit diesem Budget überhaupt ansprechend umsetzen lässt. Aus der Idee hätte man sicher etwas machen können, nur für einen pseudo-Action-Reißer taugt sie leider überhaupt nicht.

Die Darsteller werden von einem soliden Christian Bale angeführt, der zuvor mit American Psycho [2000] seinen internationalen Durchbruch feierte und auch in Shaft - Noch Fragen? [2000] zu sehen war. Sowohl zu Beginn, als auch später, wenn Prestons Emotionen wieder einsetzen, spielt er durchweg überzeugend und besitzt auch zugegebenermaßen ein gewisses Charisma – wäre es nicht um ihn, wäre Equilibrium nicht einmal ansatzweise empfehlenswert.
Sean Bean genießt zwar nur einen kurzen Auftritt, dieser ist aber immerhin effektvoll geraten – über seine darstellerischen Fähigkeiten gibt es indes kaum etwas zu sagen, aber auch er macht seine Sache gut.
Dagegen überhaupt nicht überzeugend agieren sowohl Taye Diggs, der mit einem verschmitzten Dauergrinsen (bei einem emotionslosen Kleriker wohlgemerkt!) schnell stört, und auch Angus Macfadyen, der ansich keinen großen Auftritt hat, wirkt mit seiner übertriebenen Mimik überaus lächerlich.
Dahingegen mimt Emily Watson ihre Rolle mit der notwendigen Routine und auch William Fichtner, der ansich nur als Gastdarsteller zu sehen ist, kann überzeugen.
Die Besetzung wirkt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, leider nicht übermäßig motiviert, was sich durch die unterdurchschnittliche Synchronisation nur noch verstärkt – doch wenn bereits die Mimik nicht zur Rolle passt, kommt es auf die verkorkste Vertonung nur noch am Rande an.

Inszenatorisch überrascht Kurt Wimmer vor allem mit durchdachten Einsatz der Farbfilter, denn während zu Beginn Prestons Welt in Grau und schmutzigem Grün gehalten ist, gewinnt der Film buchstäblich an Farbe, während seine Emotionen weiter in den Vordergrund treten; auch wie er seine Sinne wieder für seine Umgebung schärft wird gekonnt umgesetzt.
Außerdem können die langgezogenen Einstellungen zu Beginn, die durchaus verstörenden Perspektiven und Bilder überzeugen, wenn ohne mit der Wimper zu zucken Kunstwerke der Welt verbrannt werden; aber während die erste Actionsequenz, in der Preston in einem dunklen Raum Rebellen niederstreckt, noch als künstlerisch interessant bezeichnet werden kann, wandelt sich das Bild ab der Mitte des Films, wenn zunehmend versucht wird, bekannte Szenen aus Matrix in Equilibrium zu kopieren (genannt sei hier das Training zwischen Brandt und Preston und der Lobby-ähnliche Shootout am Schluss). Aber während die Wachowski-Brüder in Matrix mit dem geschickten Einsatz von Perspektiven und Zeitlupen den Bombast der Sequenzen gekonnt ausnutzen, wiederholen sich die Einstellungen in Equilibrium häufig, die Verrenkungen der Hauptfigur, die angeblich irgendeiner Kampftechnik nachempfunden sind und mit der statistisch die meisten Treffer versursacht werden, animieren eher zum Lachen, als zu wundersamem Schweigen und nicht zuletzt die abgehackten Bewegungen, die von ungeschickt platzierten Zeitraffern und Zeitlupen oder Effekt-Einstellungen herrühren, passen überhaupt nicht zum Gesamtkonzept des Films.
Die Blickwinkel, die der australische Kameramann Dion Beebe (bekannt aus Collateral [2004]) dabei mitunter ausgräbt, sind wirklich interessant, die langgezogenen Kamerafahrten und ruhigen Szenen können auch wirklich imponieren – nur die Actionszenen sind katastrophal umgesetzt.

Ähnliches gilt in dem Bezug auch für die Musik, die ansich von Klaus Badelt ansprechend eingesetzt wird und mit melancholischen, düsteren Klängen überzeugt. Wieso aber gerade die Actionszenen mit einem wüsten Techno-Mix unterlegt sein müssen, der im Gegensatz zum Matrix-Vorbild keinerlei rhythmischen Aufbau oder eine Steigerung besitzt, sondern nur plump die Ohren des Zuschauers bedröhnt, verstehe wer will. Auch das Finale ist in dem Stil übertüncht worden, was die inhaltlichen Defizite aber nicht gravierend verstärkt.
Der übrige Score ist Badelt-typisch sehr minimalistisch geraten und man möchte kaum glauben, dass dies derselbe Komponist sein soll, der The Time Machine [2002] vertonte – den Stil aus Equilibrium kopierte er dafür vor allem wenig später bei Der Einsatz [2003]. Doch auch wenn seine Musik in Kurt Wimmers Film sehr elektronisch klingt, sie passt ansich ganz gut zum Geschehen, ist jedoch bisweilen etwas aufdringlich eingespielt. Die Anleihen an den Blade Runner [1982]-Score sind dagegen immerhin geschickt versteckt.

Was nach knapp eineinhalb Stunden bleibt ist ein interessantes Konzept, das aber bereist im Drehbuch nicht genügend ausgearbeitet worden ist. Die post-apokalyptische Gesellschaft mag auf den ersten Blick überaus einfallsreich erscheinen, weist aber schon bei genauerem Hinsehen viele Denkfehler auf, die dadurch noch verstärkt werden, dass man gar nicht erfährt, wie die Gesellschaft überhaupt organisiert ist (was die Menschen arbeiten wird gar nie erwähnt).
Doch dank des überzeugenden Designs und der bedrückenden Stimmung könnte man mit jenen Abstrichen noch leben, würde sich Regisseur Kurt Wimmer nicht insbesondere in der zweiten Filmhälfte auf eine actionreiche Inszenierung verlassen, die handwerklich aber mehr als unterdurchschnittlich geraten ist. Dass abgesehen davon nur Hauptdarsteller Christian Bale überzeugen kann, die übrigen aber bestenfalls unmotiviert erscheinen, macht das Ganze nicht besser.


Fazit:
In manchen Kreisen gilt Equilibrium als Kultfilm – aber auch wenn sich Autor und Regisseur bei zahlreichen Vorlagen, darunter Ray Bradburys Fahrenheit 451 [1953], THX 1138 [1971], Der Blade Runner und sogar Metropolis [1927] hemmungslos bedient, an deren Originalität oder gar technische Brillanz kommt Kurt Wimmer nie heran.
Dafür erscheint das Konzept zu wenig ausgefeilt, in seinem Kern vollkommen absurd und mit zu wenig Bedacht auf die Implikationen ausgeführt. Stattdessen ertränkt der Filmemacher seinen Film nach der soliden und interessanten ersten Hälfte in einer Kaskade nicht enden wollender, sich dabei aber ständig wiederholender und vor allem inszenatorisch unausgereifter Actionszenen, die sich ganz offensichtlich an Matrix anlehnen, dabei aber den Zuschauer nur dazu verleiten, sich das Original aus dem Regal zu suchen, und dort weiter zuzusehen.
Denn auch wenn der Spruch "lieber gut kopiert, als schlecht selbst gemacht" zweifelsohne nach wie vor Gültigkeit besitzt, es sollte doch lieber "gut" kopiert werden – schlechte, oder wie in diesem Fall mittelmäßige Kopien gibt es schon zuhauf.