Dinner for Two [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 3. Dezember 2021
Genre: DramaOriginaltitel: Smagen af sult
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: Dänemark / Schweden
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Christoffer Boe
Musik: Anthony Lledo, Mikkel Maltha
Besetzung: Katrine Greis-Rosenthal, Nikolaj Coster-Waldau, Charlie Gustafsson, Nicolas Bro, Flora Augusta, August Christian Høyer-Kruse Vinkel, Maj-Britt Mathiesen, Dag Malmberg, Rasmus Hammerich, Sarah-Sofie Boussnina, Louise Skov, Sofie Torp
Kurzinhalt:
Nie war Koch Carsten (Nikolaj Coster-Waldau) mit seinem eigenen Restaurant seinem Traum näher, als jetzt. Ein Michelin-Tester soll in Kopenhagen sein und bei ihm essen. Doch der Abend endet in einer Katastrophe, da in Carstens Abwesenheit schlechte Zutaten verwendet wurden. Darum macht sich seine Frau Maggie (Katrine Greis-Rosenthal), die mit ihm zusammen seit einem Jahrzehnt an der Verwirklichung ihres Traums von einem Michelin-Stern arbeitet, auf die Suche nach dem Testesser und bekommt einen an ihren Mann adressierten Brief in die Hände, der ihre Leben aus den Angeln heben könnte. Zwischen ihrer beider größter Triumph und ihrer größten Enttäuschung erinnern sie sich an die Stationen ihres gemeinsamen Lebens, die sie hierher geführt haben. Und was bei ihrer gemeinsamen Reise alles auf der Strecke geblieben ist. Darunter auch ihre Kinder Chloe (Flora Augusta) und August (August Christian Høyer-Kruse Vinkel) …
Kritik:
Das dänische Drama Dinner for Two entwickelt sich gänzlich anders, als es die ersten Minuten oder gar das erste Drittel erahnen lassen. Anstatt eine Geschichte davon zu erzählen, wie ein aufstrebender Koch in Kopenhagen seinen Traum vom eigenen Michelin-Stern wahrmacht, zeichnet Regisseur Christoffer Boe nach, welche Charaktere überhaupt geneigt sind, eine solch prestigeträchtige Auszeichnung zu erhalten und was sie auf dem Weg dorthin bereit sind, dafür zu opfern.
Dabei beginnt die Geschichte an einem der vielversprechendsten und gleichzeitig enttäuschendsten Abende von Koch Carsten und seiner Frau Maggie. Seit 10 Jahren arbeiten sie darauf hin, dass Carsten seinen Stern bekommt, mit seinem eigenen Restaurant. Und gerade an dem Abend, an dem sie sich nach Jahren wieder einmal Zeit für sich, auch ohne ihre beiden Kinder, genommen haben, soll ein Testesser im Restaurant sein. Doch Carsten kommt zu spät, der Gast ist bereits fort und wie es scheint, wurden überreife Zitronen bei den luxuriösen Gerichten verwendet. Es ist ein Fiasko, das damit endet, dass Maggie versucht, den Tester ausfindig zu machen, um ihn zu überreden – oder zu bestechen – dem Restaurant noch eine zweite Chance zu geben.
Diese Erzählung wird immer wieder unterbrochen durch Rückblicke, wie Carsten und Maggie sich kennengelernt haben, wie sich ihr gemeinsamer Traum von einem Stern gebildet hat, und wie dafür sogar ihre Kinder und die eigene Beziehung zurückstehen mussten. Bis hin zu einer Affäre, die auch den aktuellen Abend prägen wird, denn Maggie bekommt einen fatalen Brief zu sehen, der an sich für ihren Mann bestimmt war.
Der schier unbändige Ehrgeiz, mit dem Carsten und Maggie dabei ihr Ziel verfolgen, hat etwas gleichermaßen Respekt einflößendes wie auch etwas Beängstigendes. Sie sind in einer Weise fokussiert, wie man es kaum beschreiben kann. So wundert es auch nicht, dass die verschiedenen Speisen und Gerichte, die in Dinner for Two zu sehen sind, kaum mehr etwas mit Essen zu tun haben. Dies sind regelrechte Kunstwerke, deren Kompositionen von einem Künstler zusammengestellt wurden. All das ist so edel, so vornehm und beinahe abseits dieser Welt, dass der Blick hinter die Kulissen geradezu demaskierend erscheint. Bei aller Perfektion sind es doch nicht mehr als Menschen, die Fehler machen, in vielen Bereichen mehr vielleicht, als andere. Regisseur Boe schildert das trotz privater Verfehlungen der Charaktere nicht verurteilend oder anklagend, vielmehr entblätternd.
Dies auch dank der erstklassigen Darbietungen sowohl von Katrine Greis-Rosenthal als Maggie und Nikolaj Coster-Waldau als Carsten. Beide bringen nicht nur gelungen zum Ausdruck, wie wichtig ihnen das Ziel der Figuren ist, sondern ebenso, wie sie ins Zweifeln geraten, ob all das es überhaupt wert ist. Wie viel Zeit und Mühe muss man investieren, bis man trotz allem weitermacht, auch wenn es sich am Ende um ein Verlustgeschäft handeln wird? So entpuppt sich Dinner for Two als Charakterdrama, das präzise hinter die Fassade blickt und Wesenszüge offenlegt, die bis zu einem gewissen Grad als Tugend angesehen werden, oder darüber hinausgehend als pathologisch. Die Auflösung des im Zentrum der Erzählung stehenden Briefes kommt dabei durchaus überraschend und erweitert den Fokus des Films, der sich lange Zeit auf die beiden Figuren im Zentrum beschränkt.
In ebenso erlesene Bilder gekleidet, bei denen die kühlen Neonfarben, die oftmals die Figuren einhüllen, ebenso viel sagen, wie die wenigen Momente, in denen sie in warmes Licht getaucht sind, ergibt Dinner for Two ein stimmiges Gesamtbild und versucht doch nicht mehr zu sein, als das Drama, das er ist. Zu dem Fingerspitzengefühl mit den Figuren und dem lange nüchternen Blick auf ihre Konflikte, kann man Filmemacher Christoffer Boe nur gratulieren, selbst wenn die Szene nach dem Abspann eine versöhnlichere Perspektive zeichnet, als die Geschichte gebraucht hätte und auch manche Zwischenstationen nicht unbedingt notwendig erscheinen. Doch das ändert nichts daran, dass es für ein aufmerksames Publikum überaus lohnenswert ist, diese Charaktere auf ihrem Weg zu begleiten.
Fazit:
„Was bedeutet Dir am Meisten, Dein Mann oder Dein Traum von dem Stern?“ Es ist eine Frage an Maggie, die ihr Blick und ihr Zögern besser beantworten, als jede Entscheidung ihrerseits. Filmemacher Christoffer Boe bringt seine Figuren in Situationen, in denen sie sich dieser Frage stellen müssen und begleitet sie bei der Erkenntnis, dass manche Opfer das Ziel nicht rechtfertigen. Er tut dies ohne die in Hollywood-Produktionen oftmals ausufernde Melodramatik, so dass Smagen af sult („Der Geschmack des Hungers“), so der passendere Originaltitel, aus dem Leben gegriffen scheint und trotz allem nicht so belastend ist, wie er hätte erzählt werden können. Anstatt sich auf den Glamour und Luxus eines ausgezeichneten Starkochs und seines Restaurants zu konzentrieren, blickt Dinner for Two hinter die Kulissen und erzählt die Geschichte dieser Figuren, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, aber den Weg doch nicht zusammen gehen, zwar ohne Wertung, aber dennoch warnend. Die Erzählung mag nicht immer so zielstrebig sein, wie man hoffen würde und mit ein paar zusätzlichen Rückblenden versehen, die nicht unbedingt notwendig sind. Handwerklich ist das jedoch tadellos umgesetzt, mit oft kühler Farbgebung und tollen Perspektiven. Auch die Darstellerleistungen, allen voran bei den beiden Hauptfiguren, sind erstklassig. Auch dadurch, dass die Geschichte über den Tellerrand der tragenden Figuren hinausblickt, ist das Drama sehenswert – für ein Publikum, das bereit ist, hinter die schillernden Fassaden auf die vielen Nuancen zu blicken, die hier auf entblätternde Weise bloßgelegt werden.
Dinner for Two ist seit 2. Dezember 2021 als Video-on-Demand und ab 9. Dezember 2021 als Blu-ray und DVD im Verleih von Koch Films GmbH erhältlich! |
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Urheberrecht des Bildes liegt bei Koch Films. Verwendet mit freundlicher Genehmigung. |