Dick und Jane [2005]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. Januar 2006
Genre: Komödie

Originaltitel: Fun with Dick and Jane
Laufzeit: 90 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Dean Parisot
Musik: Theodore Shapiro
Originalstimmen: Jim Carrey, Téa Leoni, Alec Baldwin, Richard Jenkins, John Michael Higgins, Carlos Jacott, Angie Harmon, Luis Chávez, Richard Burgi, Ralph Nader


Kurzinhalt:
Als er die Nachricht bekommt, dass er den Posten des PR-Leiters beim Multi-Konzern Globodyne erhält, kann Dick Harper (Jim Carrey) sein Glück kaum fassen. Durch die damit verbundene Finanzspritze ist seine Frau Jane (Téa Leoni) endlich in der Lage, ihren Job aufzugeben und sich mehr um den gemeinsamen Sohn zu kümmern. Doch ihr Leben in der Vorstadt nimmt eine unerwartete Wendung, als Dick in einem Fernsehinterview Fragen zum offiziellen finanziellen Bankrott Globodynes beantworten soll – während die Firma darum bemüht ist, das Fiasko in Grenzen zu halten und die gefälschte Buchhaltung zu vernichten, setzt sich der Firmeneigner Jack McCallister (Alec Baldwin) mit 400 Millionen Dollar ab, die er vom Crash Globodynes erwirtschaften konnte.
Dick und Jane haben fortan nicht nur Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, sondern vor allem, die Rechnungen zu bezahlen. Das kommt schließlich so weit, dass sie allen Besitz veräußern müssen und ihr Haus dennoch in den nächsten Tagen gepfändet wird. Doch dann hat Dick die rettende Idee: da er selbst über den Tisch gezogen und betrogen wurde, wird er selbiges nun bei anderen Menschen tun, und beginnt damit Geschäfte auszurauben, um seine Familie zu ernähren. Das gelingt ihm auch alsbald, doch ist es ihm nach wie vor ein Dorn im Auge, dass McCallister ungeschoren davon gekommen ist. Als der jedoch in die Stadt kommt, um das Geld aus dem Globodyne-Zusammenbruch bei einer Bank einzuzahlen, wittern Dick und Jane ihre Chance und planen einen letzten Raub bei dem Menschen, der sie überhaupt in diese Lage gebracht hat ...


Kritik:
Der inzwischen 44jährige Kanadier James Eugene Carrey, gehört zu den tüchtigsten Geschäftsmännern Hollywoods – kein anderer Darsteller besitzt eine derart horrend steigende Inflationsrate, wie er. Im Jahr 1994, von seinem ersten großen Kinoerfolg Ace Ventura - Ein tierischer Detektiv [1994] (das Drehbuch steuerte er hierbei ebenfalls bei), über Die Maske [1994], bis hin zu Dumm und Dümmer [1994] steigerte er seine Gage von 350,000 $ zuerst auf 540,000 $ und zuletzt auf sieben Millionen Dollar. Zwei Jahre und drei Filme später forderte er die unglaubliche Summe von 20 Millionen Dollar für Cable Guy - Die Nervensäge [1996] und bekam sie, der Film spielte allerdings nur knapp das Dreifache in den USA wieder ein.
Alles zusammen genommen erwirtschaftete seine Filme allein in den USA knapp zwei Milliarden Dollar, der Erfolg scheint Carrey also Recht zu geben, auch wenn die Kritiker das mitunter anders sehen. Die Komödien sind es auch, die die meisten Zuschauer in die Kinos locken, allen voran der von Carrey mitproduzierte Bruce Allmächtig [2003] und auch Der Grinch [2000]. Dass der Stand-up-Comedian, der mit 16 die Highschool abbrach auch anders kann, zeigte er schon während seiner Zeit bei der Comedy-Serie In Living Color [1990-1994], mit der er sich in den USA einen Namen machte. In dem mehrfach nominierten TV-Film Der Scheintrügt [1992] mimte er ergreifend einen Alkoholiker und erhielt dafür viel Lob; und während er in Der Dummschwätzer [1997] eine Rolle wählte, die einen ansich ernsten Hintergrund mit seiner komödiantischen Palette an Grimassen und Verrenkungen kombinierte, stützte er sich bei Die Truman Show [1998] vollständig auf sein darstellerisches Können und hätte dafür mindestens eine Oscarnominierung verdient. Es folgte die Biografie Der Mondmann [1999], für den er zahlreiche Preise erhielt, ehe er sich (mit Ausnahmen wie Vergiss mein nicht [2003]) wieder Komödien zuwandte, was ihn bei Kritikern in Ungnade fallen ließ. Aber bevor sich Carrey mit The Number 23 [2006] wieder einer ernsten Rolle widmet, zeigt er in Dick und Jane, dem zweiten Film, den er auch mitproduzierte, was weder die Presse, noch viele Zuschauer von ihm sehen wollen.

Das Skript nimmt sich dabei eine Situation als Grundlage, die in der heutigen Zeit leider alles andere als ungewöhnlich ist und schildert dabei zuerst den kurzen Aufstieg und dann den tiefen Fall des Karrieristen Dick Harper, der sich im ersten Moment auf dem Zenit seines Schaffens in der Firma wähnt und wenig später wie viele andere Beschäftigte auf der Straße steht.
Im ersten Drittel wird Dick und Jane trotz der kritischen Untertöne auch immer noch ansprechend witzig präsentiert, ehe das Drehbuch aus der Feder dreier Autoren das Veräußern der Besitztümer der Harpers und die erfolglose Jobsuche nicht nur im Eiltempo abarbeiten, sondern auch ohne neue Akzente zu setzen, oder die steigende Panik der beiden Figuren angesichts ihrer finanziellen Situation zu beleuchten. Stattdessen setzen die Autoren weiterhin auf Blödelei und Gags, Handlungsstränge, die Harper als illegalen mexikanischen Einwanderer darstellen und dabei jede Logik aus dem Fenster werfen.
Wer dem Film bis dahin immerhin noch einen gewissen Unterhaltungswert unterstellt, wird sich beim kommenden Knick, bei der folgende Reihe von Überfällen der Harpers allerdings schwer tun; nicht nur, dass immer wieder darauf verwiesen wird, das Ehepaar bestehle nur diejenigen, die genügend Geld hätten, eben diese Aussage wird bei Diebstählen in kleinen Drogerien oder Cafés ad absurdum geführt. Eine weitere moralische Legitimierung für ihre Handlungen scheinen die Figuren nicht zu benötigen, ihre Motive werden nicht in Frage gestellt, dafür ihre Taten verharmlost und der Schaden, den sie bei anderen Privatmenschen verursachen schlicht unter den Teppich gekehrt.
Eine derart rücksichtslose und moralisch indiskutable Vorgehensweise sollte man gerade bei der Ausgangslage nicht erwarten und sie verärgert all diejenigen, die sich von den augenscheinlichen Gags nicht ablenken lassen, sondern trotz allem den Figuren bei ihrem Tun und Handeln zu sehen. Dass all das schlussendlich in einem versönlichen Finale aufgelöst wird, mag zwar ein Markenzeichen der Traumfabrik sein, wirkt in diesem Falle aber so aufgesetzt, dass der Verdacht nahe liegt, es wurde nachträglich Hand an das Skript angelegt, um das Ende familienfreundlicher zu gestalten.
Ursprünglich war geplant, dass die beiden Autorenregisseure Ethan und Joel Coen (Fargo – Blutiger Schnee [1996], The Big Lebowski [1998]) das Skript der Gaunerkomödie Das Geld liegt auf der Straße [1977] adaptieren und modernisieren, und es liegt nicht fern, dass viele bissige Untertöne durchaus von ihnen stammen – viel übrig geblieben ist aber schon deshalb nicht, da sie nicht einmal mehr vom Studio als produktionsbeteiligt genannt werden.
Statt die Doppelmoral der Harpers ebenfalls anzuprangern, die Satire die Oberhand gewinnen zu lassen, werfen die Autoren alle Logik aus dem Fenster, begnügen sich mit scheinheiligen Figuren einer löchrigen Story und verkrampft vorgeschobenen Gags, die die Bissigkeit der Story soweit verfälschen, dass die meisten Lobbys sich gar nicht mehr angesprochen fühlen. Das mag vielleicht beabsichtigt gewesen sein, lässt die Vorlage aber ebenso rückgratlos erscheinen, wie letztlich inhaltsleer, da eine einseitige Satire ihre Daseinsberechtigung in diesem Moment schon verspielt.

Die Darstellerleistungen variieren dabei ebenso stark, wie die Qualitäten der Vorlage, und das nicht nur in Bezug auf verschiedene Beteiligte, sondern mitunter auch was die Darbietung eines Darstellers während verschiedener Momente im Film anbelangt.
Paradebeispiel hierbei ist Jim Carrey, dem es sowohl zu Beginn, als auch beim Ende des Films gelingt, ein Teil seines Könnens vor der Kamera zum Besten zu geben. Dann, wenn er seine Mimik unter Kontrolle hat, seiner Figur etwas Tiefe zu verleihen versucht und als Familienvater erkennen muss, dass er nicht in der Lage ist, die Menschen um sich herum zu ernähren, oder dass er trotz aller kleiner Erfolge dennoch gegen McCallister verloren hat, genau in jenen Situationen, überzeugt Carrey wie man es von ihm eigentlich gewohnt ist. Weswegen er dann aber nur wenige Sekunden später vollkommen überdreht und infantil durch die Gegend hechtet, seine Gesichtszüge entgleisen lässt, dass man befürchten muss, er wird sie nicht wieder unter Kontrolle bekommen, verstehe wer will. Dass dies außerdem in einigen Situationen geschieht, die von der Stimmung her eigentlich ernst angelegt sind, ist außerdem sehr ärgerlich.
Dass Téa Leoni nicht viel mehr als eine vielbeschäftigte Nebendarstellerin mimt, ist zwar dem Drehbuch anzulasten, sie meistert ihre Rolle zwar ohne nennenswerte Höhepunkte, aber immerhin nicht in derart schwankenden Extremen, wie ihr Kollege. Eine komödiantische Ader mag sie zwar besitzen, darf sie in Dick und Jane aber nicht wirklich ausloten und bleibt darum auch was die Witze angeht weiter hinter dem zurück, was möglich gewesen wäre.
Routiniert, wenngleich nicht übermäßig motiviert agiert Alec Baldwin, der mit Rollen wie hier, Elizabethtown [2005] oder The Cooler [2003] für mehr Aufsehen sorgte (für letzteren erhielt er gar eine Oscarnominierung), als mit seinen großen Engagements. Schade ist hierbei nur, dass er zu wenig zu tun hat und in den wenigen Szenen seine Kollegen trotzdem an die Wand spielt. Dass der Charakterdarsteller Richard Jenkins hier außerdem in einer wenig fordernden Nebenrolle verschwendet wird, statt ihn richtig in die Story einzubinden, oder seiner Figur eine weiterführende Motivation zuverpassen, ist unverständlich und hätte dem Drehbuch allenfalls diejenige Komplexität gebracht, die ihm auch gut getan hätte.
Gastauftritte von Angie Harmon oder Richard Burgi sind kaum der Rede wert, die überigen Nebendarsteller haben so gut wie nichts zu tun, und würde der US-Präsidentschaftskandidat aus dem Jahr 2000, Ralph Nader sich selbst spielen, gäbe es keine weiteren nennenswerten Auftritte in Dick und Jane.
So ist der Cast zwar namhaft, aber chronisch unterfordert und leidet sichtlich unter der One-Man-Show des Jim Carrey, der die Aufmerksamkeit zwar zu genießen scheint, sich aber in den vermeintlich witzigen Momenten nicht im Griff hat.

Handwerklich gibt es an der Umsetzung von Dean Parisot (Galaxy Quest [1999]) prinzipiell nichts auszusetzen, er kleidet sowohl die Aufnahmen in den Geschäftsräumen Globodynes, als auch wenig später das Heim der Harpers im ebenso versnobbten wie hinterhältigen Vorort in wirklich gute Bilder und zieht zusammen mit Kamera und Schnitt das Tempo der Erzählung an, wenn Dick und Jane ihre Beutezüge beginnen.
Dabei wählt er mitunter Perspektiven und Kamerafahrten, die im Hintergrund oder in der Szenerie selbst mehr vermitteln, als das Drehbuch durch den Dialog oder die Figuren beabsichtigen würde. Parisot gelingt es dadurch auch, das unterdurchschnittliche Skript und die nur mittelmäßigen Darsteller vor dem Absturz zu bewahren, auch wenn die 90 Minuten von Dick und Jane länger erscheinen, als sie tatsächlich sind, und man auch in Bezug auf die Kameraführung bei den Jim Carrey-Soloszenen das Gefühl nicht los wird, als hätte sich der Hauptakteur selbst in Szene setzen wollen.

Gute Arbeit leistet auch Komponist Theodore Shapiro, der überraschenderweise noch nicht allzu lange in Hollywood tätig ist, sich aber nach einigen ernsten Filmen (Heist - Der letzte Coup [2001]) und Dokumentationen hauptsächlich auf Komödien zu beschränken scheint, darunter zuletzt Starsky & Hutch [2004] und Voll auf die Nüsse [2004].
Für Dick und Jane schrieb er zwar eine überaus zurückhaltende Musik, die in den wenigsten Momenten wirklich auffällt, dafür aber in manchen witzigen Situationen mit gut platziertem Instrumenteneinsatz ebenso unterstützt, wie in einigen ersten Szenen die Darsteller auf ihren wenigen nennenswerten Momenten des Films begleitet.
Shapiros Score weist außerdem sowohl beim Vor- wie auch beim Abspann klassische Elemente der Heist-Filme (Überfall-Filme) der 1970er Jahre auf; Kenner des Films oder Fans von leiser aber instrumentaler Musik, sollten ein Probehören wagen.

Aufmerksame Kinobesucher werden festgestellt haben, dass es verschiedene Kinoplakate zum Film gab. Denn nachdem Carrey, der sich schon beim Drehen am Set als schwierig erwies und manche Szenen unzählige Male wiederholen ließ, den deutschen Untertitel des Films, "Zu allem bereit, zu nichts zu gebrauchen" übersetzt bekam, war er nicht nur außer sich vor Wut, sondern erwirkte auch, dass der deutsche Verleih neue Plakate drucken musste mit der Werbezeile "Besser gut klauen als schlecht bezahlen".
Regisseur Barry Sonnenfeld, der den Film ursprünglich umsetzten sollte, schied noch vor Drehbeginn während der Vorbereitung aus und nannte "persönliche Gründe" – bemerkenswert ist hieran, dass Carrey unbedingt mit Sonnenfeld drehen wollte, war dieser doch bereits beim Jim Carrey-Film Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse [2004] aus der Produktion ausgestiegen. Das ursprünglich anvisierte Treffen zwischen Carrey und Cameron Diaz, die Téa Leonis Rolle hätte spielen sollen, platzte schließlich auf Grund von Terminschwierigkeiten.

Man wird bei Dick und Jane das Gefühl nicht los, dass sowohl vor der Produktion das Timing nicht gestimmt hat, als auch beim Skript selbst, das bisweilen zwar mit bissigen, sozialkritischen Momenten aufwartet, diese aber unter einer Lawine Carreyesker Gags begräbt, sodass man nach den Anspielen förmlich suchen muss.
Den Hampelmann mimt der Hauptdarsteller dabei mit der von ihm gewohnten, wenig ansteckenden, dafür leinwandfüllenden Präsenz, bei der hin und wieder aber wirkliches Talent in den ruhigen Momenten, wie beispielsweise dem "Duell" zwischen Dick Harper und Jack McCallister in der Bank durchblitzt. Was man daraus hätte machen können, ist unbestritten, und in Grundzügen sind einige Ideen auch lobenswert, beziehungsweise ein paar Witze wirklich gelungen. Doch macht das Drehbuch einen unentschlossenen Eindruck, wirkt beim Finale allzu versönlich und stellt die Motivation der Harpers, die Kleinverdiener und Mittelständischen zu bestehlen, die selbst ohnehin am Existenzminimum leben, nie in Frage. So hat man mit Dick und Jane wenig Sympathie, und fragt sich schließlich, ob sie nicht weniger kriminell sind, als Jack McCallister, der am Ende wenigstens eine Strafe für seine Taten bekam.


Fazit:
Die Tragik dieses Remakes des George Segal/Jane Fonda-Klassikers Das Geld liegt auf der Straße liegt ansich darin, dass unzählige Menschen jedes Jahr durch macht- und geldgierige Firmenbosse zu Schaden kommen und ganze Familien ruiniert werden. Doch statt daraus durchgängig zwar eine offensichtlich witzige, aber gleichzeitig hintersinnige Sozialsatire zu gestalten, verlässt sich das Drehbuch zu schnell auf vordergründige Gags und klischeebeladene Witze, ohne dabei das Verhalten der Hauptfiguren, die die an ihnen verübte Ungerechtigkeit nur auf andere abwälzen, statt sie an der Wurzel zu bekämpfen. Dass man dennoch leidlich unterhalten wird, liegt einerseits an den wenigen guten Momenten und auch an den Akteuren. Doch wäre es nicht um Dean Parisots Regie, die die Szenen immerhin ansprechend einfängt und stellenweise mit einer Bildersprache aufwartet, die der Geschichte an Subtilität eigentlich fehlt, dann würde Dick und Jane einen merklich schlechteren Eindruck hinterlassen, als es ohnehin der Fall ist. So ärgert aber vor allem das vergeudete Potential, denn statt eine bissige Satire zu präsentieren, war Hauptdarsteller und Produzent Carrey mehr daran gelegen, letztlich doch keinen Zuschauergruppen auf die Zehen zu treten und lieber auf vordergründige Gags zu setzen.
Doch die hat man in anderen seiner Filme schon besser gesehen und stehen dem inzwischen 44jährigen bei weitem nicht so gut, wie seine ernsten Rollen. Glücklicherweise haben das auch die Zuschauer begriffen und sind der wankelmütigen Komödie nicht in dem Sinne verfallen, wie sich das die Verantwortlichen erhofft hatten.