Der Pakt der Wölfe [2001]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 06. Oktober 2003
Genre: Action / Horror / Unterhaltung

Originaltitel:Le Pacte des loups
Laufzeit: 136 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Christophe Gans
Musik: Joseph LoDuca
Darsteller: Samuel Le Bihan, Mark Dacascos, Vincent Cassel, Émilie Dequenne, Monica Bellucci, Jean-François Stévenin


Kurzinhalt:
Mitte des 18. Jahrhunderts wird die Gegend von Gévaudan in der französischen Provinz von einer mysteriösen Bestie heimgesucht, die wahllos in erster Linie wehrlose Frauen und Kinder tötet. Die Ereignisse weiten sich in zunehmendem Maße zum Problem für König Ludwig XV. aus. Er sendet deshalb den Abenteurer und Forscher Grégoire de Fronsac (Samuel Le Bihan) aus, der die Vorfälle untersuchen soll.
Kurz nach ihrer Ankunft werden de Fronsac und sein indianischer Freund und Blutsbruder Mani (Mark Dacascos) bereits Zeugen der grausamen Schreckensherrschaft der Bestie. Während die ortsansässigen Verantwortlichen einen großen Wolf für die Todesfälle verantwortlich machen wollen, gelangt de Fronsac immer mehr zu der Überzeugung, dass etwas anderes dahinter steckt.
Nachdem er bei einem Opfer ein seltsames Metallstück findet, entdeckt er entscheidende Hinweise auf eine großangelegte Verschwörung, in die auch der lokale Adel und Klerus verwickelt scheinen. Doch de Fronsac und Mani müssen sich mit der Aufklärung beeilen, denn der Blutdurst der Bestie ist noch lange nicht gestillt!


Kritik:
Nach den ersten fünf Minuten von Der Pakt der Wölfe stellt sich ein der Pubertät entwachsener Zuschauer unweigerlich die Frage, ob er es sich denn wirklich antun soll, den Film bis zum Ende durchzuhalten.
Nach einem durchaus interessanten, aber sehr kurzen Prolog, in dem klar wird, dass die Handlung des Filmes von einem Charakter als Erinnerung an Geschehnisse vor einigen Jahrzehnten erzählt wird, bekommt man zunächst gezeigt, wie eine junge Frau vor irgendetwas Schrecklichen davonzulaufen versucht, letzlich jedoch trotzdem brutal getötet wird. Danach sieht man die Ankunft des Naturforschers Grégoire de Fronsac (Samuel Le Bihan) und seines indianischen Blutsbruders Mani (Mark Dacascos) in dem von der Bestie leidgeprüften Provinzdorf, und wie die beiden Abenteurer einem älteren Mann und dessen Tochter zu Hilfe eilen, die von einer Gruppe Männer bedroht werden.
Es sind nicht so sehr die Ereignisse selbst, die den geneigten Zuschauer abschrecken, sondern vielmehr die filmische Umsetzung derselben. Obgleich im Frankreich des 18. Jahrhunderts ungefähr 20 Jahre vor der Französischen Revolution angesiedelt, verwendet Regisseur Christophe Gans modernste Kamera-Einstellungen, schnelle Schnitte und jede Menge Zeitlupen. Kombiniert mit asiatischen Martial-Arts-Kampfeinlegen, erinnert all dies wohl nicht nur zufällig an den Science-Fiction-Thriller Matrix [1999].
Während der besondere Stil in Matrix aber wirklich Sinn gemacht hat – immerhin können die Protagonisten dort mit ihrer Willenskraft die Gesetze von Zeit und Physik außer Kraft setzen –, teilt Der Pakt der Wölfe leider das Schicksal unzähliger anderer missratener Filme der letzten Jahre (z.B. Romeo Must Die [2000], Passwort: Swordfish [2001], Ghost Ship [2002] und das letzte James Bond-Abenteuer Stirb an einem anderen Tag [2002]), die die Kamera-Mätzchen nur als Bonbon für's Auge einsetzen, ohne dass es auch nur im Geringsten zur Geschichte passen würde. Da Der Pakt der Wölfe vor rund 240 Jahren spielt, wirkt der Inszenierungsstil sogar noch störender als in den anderen genannten Werken.
Glücklicherweise bessert sich der Film nach den anfänglichen fünf Minuten ein wenig und es kommt nur noch vereinzelt zu solchen stilistischen Entgleisungen.

Diese sind insbesondere deshalb schade, weil der Film ansich eine richtig interessante Geschichte erzählen möchte und eine gelungene Ausstattung aufweisen kann, der man die über 30 Millionen Euro teuren Produktionskosten in der Tat ansieht.
Und erstaunlicherweise beruht die Story sogar auf einer tatsächlichen Legende. In den Jahren 1764 bis 1767 tötete die "Bestie von Gévaudan" über 120 Frauen und Kinder. Aus diesen historischen Fakten entwickelten Gans und sein Co-Autor Stéphane Cabel ein Drehbuch, dass den Mythos auf eine ganz eigene Art neu interpretiert.

In den ersten zwei Dritteln des Filmes steht die Ermittlung von de Fronsac im Vordergrund, der samt Helfer Mani nicht daran glaubt, dass ein großer Wolf die vielen Opfer auf dem Gewissen hat.
Gerade hier wird aber deutlich, worin die große Schwäche des Filmes liegt: Das Fehlen einer durchgängigen Dramaturgie. Zwar werden einige unheimliche, in Nebel und Dunkelheit gehüllte Momente präsentiert, die eine bedrohliche Atmosphäre heraufbeschwören. Und man würde gerne mehr über die eigentliche Untersuchung des vom König beauftragten Forschers erfahren. Stattdessen verwendet das Drehbuch insbesondere im Mittelteil viel zu viel Zeit auf gesellschaftliche Zusammenkünfte, Bordellbesuche, langatmige Dialoge und eine in sich wenig schlüssige Romanze de Fronsacs mit der jungen Adeligen Marianne (Émilie Dequenne). Hier hätte ich mir gewünscht, dass zugunsten von mehr Spannung eine deutliche Straffung und eventuelle Kürzung um rund 30 Minuten bei dem immerhin über zwei Stunden langen Film (der auf DVD erhältliche Director's Cut geht sogar noch rund zehn Minuten länger!) vorgenommen worden wäre. Sicherlich sind ein paar Informationen in den eher überflüssigen Sequenzen für die später angedeutete Verschwörung von Bedeutung (z.B. die Begegnung mit Sylvia, dargestellt von Monica Bellucci). Es hätte jedoch ohne Zweifel auch andere Wege gegeben, diese unterzubringen, ohne dadurch Tempo aus der Geschichte zu nehmen.
Der von Stimmung und Atmosphäre ähnlich angelegte Tim Burton-Film Sleepy Hollow [1999] mit Johnny Depp hat diesbezüglich wesentlich mehr Unterhaltungswert zu bieten.
Im letzten Drittel bekommt man dann die Bestie selbst zu Gesicht. Doch der Anblick der allzu offensichtlich computergenerierten Kreatur versetzt den Zuschauer nicht unbedingt in Schrecken, sondern lässt ihn eher mitleidig lächeln, so ungelenk und abgehackt bewegt sich das künstliche Wesen, das vom Aussehen her ein wenig an das Monster aus dem vier Jahre älteren Das Relikt [1997] erinnert, dabei aber in keiner Szene an dessen tricktechnische Raffinesse heranreicht.
Im Gegensatz dazu vermögen die Story-Elemente um die Verschwörung durchaus zu überzeugen, obwohl sie zugegebenermaßen ziemlich konstruiert erscheinen, sich nicht wenige der üblichen Versatzstücke finden, und das Finale sowohl verwirrend, als auch eher unfreiwillig komisch ist und für meinen Geschmack zu sehr in Richtung Fantasy abgleitet.

Darstellerisch gibt es zwar keine Meisterleistungen zu bestaunen, dennoch sind die Rollen ansprechend besetzt.
Samuel Le Bihan liefert eine solide Vorstellung als Forscher und Abenteurer Grégoire de Fronsac. Seine besten Szenen hat er, wenn es eher um die physische Präsenz geht, also in den Kämpfen. Die Liebesszenen mit Émilie Dequenne wirken dagegen etwas untergekühlt, was wohl auch daran liegt, dass die Darstellerin ihre Rolle eher farblos ausfüllt.
Einen bleibenderen Eindruck hinterlässt Monica Bellucci als attraktive und undurchschaubar geheimnisvolle Sylvia. Monica Bellucci spielt einen ähnlichen Part ebenfalls in den beiden neuen Matrix-Filmen.
Überraschenderweise gefiel mir Mark Dacascos als wortkarger Irokese und Blutsbruder de Fronsacs recht gut. Durch minimalistische Mimik und Gestik drückt er mehr aus, als die meisten anderen Darsteller des Filmes durch viele Worte, und seine überragende Kampfesstärke nimmt man ihm ohne Probleme ab.
Die restlichen Darsteller können keine besonderen Akzente setzen, fallen aber nicht negativ aus dem Rahmen.

Der größte Schwachpunkt von Der Pakt der Wölfe liegt, wie schon erwähnt, in Christophe Gans' Inszenierung.
Zwar gelingen dem Regisseur und seinem Kameramann Dan Laustsen einige stimmungsvolle Bilder, doch Schnitt und der häufige Einsatz von oftmals peinlichen Zeitlupen vermitteln unangenehme Hektik, wo ruhige Bildkompositionen mit langen Einstellungen geeigneter wären. Überflüssige und hochstilisierte Action in Form von Martial-Arts-Kämpfen, die sich einfach nicht in das Ambiente des provinziellen Frankreichs vor der Revolution einfügen wollen, und eine sich in vielen Fällen extrem in den Vordergrund spielende Musik tun ein Übriges, um den Zuschauer zu nerven, statt ihn zu unterhalten.
Joseph LoDucas Score selbst wäre ansich nicht schlecht und ist als Soundtrack auf CD zweifellos hörenswert. Das Hauptproblem ist nur, dass er gerade in Szenen, in denen es auf den Spannungsaufbau ankäme, nichts beiträgt, sondern unablässig mit sphärischen Klängen weiter vor sich hinplätschert.

Erwähnen möchte ich noch die deutsche Synchronisation, die routiniert ist, sich keine Patzer erlaubt und mit professionellen Sprechern aufwartet – eine angenehme Ausnahme im Vergleich zu so vielen schlecht synchronisierten Kino-Hits der letzten Zeit.

Hätte Der Pakt der Wölfe größeres Vertrauen in seine äußerst interessante Geschichte bewiesen, diese stringenter und ohne ebenso unpassende, wie unnötige Action erzählt und außerdem weniger aufdringlich modern umgesetzt, wäre ein mitreißender Genrebeitrag herausgekommen.
So bleibt die bedauerliche Feststellung, dass selbst wenn der Film ein kommerzieller Erfolg war, er letztendlich nur viel heiße Luft um wenig Substanz bietet.


Fazit:
Eine interessante Ausgangslage mit historischen Bezügen, überzeugende Ausstattung, solide Darsteller, einige atmosphärisch dichte und durchaus spannende Momente – und doch ist Der Pakt der Wölfe ein Paradebeispiel dafür, wie eine unausgegorene Inszenierung und ein dramaturgisch unausgewogenes Drehbuch selbst ein teures und zweifellos ambitioniertes Projekt künstlerisch scheitern lassen können.
Wer auf inhaltlich unpassende, aber "coole" Matrix-Moves, Zeitlupen und Martial-Arts-Kämpfe steht, wird an Der Pakt der Wölfe vielleicht Gefallen finden. Alle anderen ärgern sich über das verschwendete Potential, denn mit einer reiferen Regie hätte man aus der Thematik deutlich mehr herausholen können.