Der Krieg des Charlie Wilson [2007]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 04. Oktober 2011
Genre: Unterhaltung / KomödieOriginaltitel: Charlie Wilson's War
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Mike Nichols
Musik: James Newton Howard
Darsteller: Tom Hanks, Amy Adams, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Terry Bozeman, Brian Markinson, Jud Tylor, Hilary Angelo, Cyia Batten, Kirby Mitchell, Ed Regine, Daniel Eric Gold, Emily Blunt, Peter Gerety, Wynn Everett, Mary-Bonner Baker, Rachel Nichols, Shiri Appleby
Kurzinhalt:
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ist bei den Supermächten in Ost und West Vieles erlaubt, solange man es ihnen nicht direkt nachweisen kann. Als die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert, scheint sich der Westen nicht zu kümmern, ehe der Kongressabgeordnete Charlie Wilson (Tom Hanks), von einer Fernsehreportage inspiriert, den Entschluss fasst, die in Afghanistan ansässige Mudschahedin im Kampf gegen die Sowjets zu unterstützen. Vor allem geht es ihm dabei darum, die waffenstarrenden Kampfhubschrauber vom Himmel zu holen, denen die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist.
Da dies nicht über offizielle Kanäle geschehen darf, sorgt Wilson dafür, dass ein entsprechender Geheimetat aufgestockt wird. Unerwartete Schützenhilfe erhält er von Joanne Herring (Julia Roberts), einer politisch einflussreichen und sehr wohlhabenden Texanerin, die auch in ihren Kreisen für eine Beteiligung wirbt. Doch bei den amerikanischen Vertretern, die in Afghanistan vor Ort sind, stößt er auf taube Ohren. Einzig der unkonventionelle CIA-Agent Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman) scheint interessiert, etwas zu bewegen. Doch um der afghanischen Bevölkerung Waffen zukommen zu lassen, ohne dass sie in die Vereinigten Staaten zurückverfolgt werden können, benötigt man die Hilfe der pakistanischen, israelischen und saudiarabischen Regierungen – die selbstverständlich nicht miteinander arbeiten wollen. Nicht, ohne dass dafür Gefallen eingefordert würden ...
Kritik:
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Eine solche Taktik muss es gewesen sein, die den Kongressabgeordneten Charlie Wilson dazu bewog, im Jahr 1980, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, einen Schwarzgeldetat von fünf Millionen auf insgesamt eine Milliarde Dollar im Laufe von sieben Jahren aufzustocken, und damit die afghanischen Mudschahedin im Kampf gegen die einrückenden Truppen der Sowjetunion zu unterstützen. Ob ihm, wie in Der Krieg des Charlie Wilson gezeigt, auch der humanitäre Aspekt am Herzen lag, die afghanische Bevölkerung vor den Folterungen und Ermordungen zu schützen, sei dahingestellt. Andererseits, wer ein solches Flüchtlingslager besucht, die ausgemergelten, gezeichneten Menschen sieht, ihre Lebensgeschichten hört, wer könnte davon unbewegt bleiben?
Der Krieg des Charlie Wilson widmet sich dem Werdegang jener verdeckten Intervention der Vereinigten Staaten im Krieg in Afghanistan und beleuchtet dabei den Mann genauer, der beinahe im Alleingang alles mobilisierte, damit die dortige Bevölkerung sich gegen ihre Angreifer zur Wehr setzen konnte. Dass sie etwas mehr als 20 Jahre später die gelernten Taktiken und die erhaltenen Waffen gegen diejenigen einsetzen würde, die sie damals unterstützt hatten, ist eine Ironie des Schicksals – und war dabei, das hält der Epilog treffend fest, nicht nur vorhersehbar, sondern auch vermeidbar gewesen.
Charlie Wilson ist vielleicht nicht der diplomatisch geschickteste Abgeordnete, und ist häufiger mit einem Drink in der Hand zusehen, als in einen Aktenberg vertieft, doch ist er jemand, der das Potential der Menschen um ihn herum erkennt und zu nutzen weiß. Er ist ein Frauenheld und umgibt sich doch nur mit Damen, die ihn weiterbringen, oder die zu ihrem Aussehen auch einen dementsprechend wachen Verstand mitbringen. Es ist leicht, ihn zu mögen, denn seine Laster kommen uns bekannt vor. Darum kann er auch eine Menge Gefallen einfordern, die ihm dabei helfen, sein Ziel zu erreichen. Dieses wird ihm vor Augen geführt, als er einen Fernsehbeitrag zur Lage in Afghanistan sieht, wo die Sowjetunion gegen die dort lebende Bevölkerung vorgeht. Einer der Interviewpartner meint, dass wenn die Kommunisten hier Fuß fassen, die USA als nächstes in ihrem Visier wären. Für Charlie Wilson ist klar, nur wenn man die Mudschahedin unterstützt, die Kampfhelikopter der Sowjets vom Himmel zu holen, ließe sich ein entscheidender Sieg im Kalten Krieg erringen, und die Kommunisten auf Abstand halten. Also beginnt er, an seinen Fäden zu ziehen, um Waffen so nach Afghanistan in die richtigen Hände zu bringen, ohne dass es offiziell in die USA zurückverfolgt werden kann. Dafür braucht er nicht nur die Hilfe des CIA-Mannes Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman) und der sechsreichsten Frau in Texas Joanne Herring (Julia Roberts), die dies als Anlass nimmt, ihren eigenen Religionskrieg zu inszenieren, sondern vor allem benötigt Wilson die Hilfe von Pakistan, Israel und Saudi-Arabien. Was sich aus den Gesprächen und Situationen entwickelt scheint aberwitzig, insbesondere, wenn man bedenkt, dass hier weltbeeinflussende Politik auf der Straße und in Hinterzimmern von Männern geführt wurde, die dafür gar keine Autorisierung hatten. Aber es gibt auch genügend Momente, die uns die Kehle zuschnüren. Sowohl angesichts dessen, was wortlos kommentiert bleibt, als auch was in Nebensätzen gesagt wird. Es spiegelt sich auf eine schmerzliche Art und Weise wider, wenn man heute die Zeitungen aufschlägt und genau das macht Der Krieg des Charlie Wilson so wichtig. Es ist ein Film, der ein interessiertes und informiertes Publikum voraussetzt. Wobei man beides nicht zwangsläufig für die hier beschriebene Episode der Geschichte sein muss. Er überzeugt mit geschliffenen Dialogen und einer Besetzung, die besser gelaunt kaum sein kann. Tom Hanks brilliert als der gern unterschätzte Kongressabgeordnete Wilson auf angenehme Weise, während es in Hoffman permanent zu brodeln scheint. Sie ergänzen sich gekonnt und verleihen selbst ruhigen Situationen eine Dynamik, die fesselt. So erweist sich der Weitblick von Avrakotos als prophetischer, als uns recht sein könnte und versetzt einen Nachschlag, wenn wir denken, die Kernaussage schon gehört zu haben.
Einziger Wermutstropfen für die deutschen Zuschauer ist die Synchronstimme von Tom Hanks, der leider krankheitsbedingt nicht von Arne Elsholtz gesprochen, sondern durch Joachim Tennstedt vertreten wird.
Fazit:
Sieht man sich einen auf Tatsachen basierenden Film an, dessen Handlung vor dreißig bis zwanzig Jahren stattfindet, würde man nicht erwarten, so Vieles vom aktuellen Weltgeschehen darin gespiegelt zu sehen. Der Krieg des Charlie Wilson ist diesbezüglich ein Lehrstück darüber, wie weitreichend Entscheidungen sein können, die damals mit zu wenig Weitblick getroffen wurden. Das mag angesichts der Welt, in der wir leben unbequem sein, aber nicht weniger wichtig.
Das Publikum sollte nicht nur interessiert sein, sondern auch aufmerksam genug, um den mitunter sprunghaft geführten Dialogen folgen zu können. Die Besetzung macht es leicht, ihnen zusehen zu wollen, und wenn einem kurz hintereinander ein Lachen herausrutscht angesichts der Absurdität des Gezeigten, ehe einem das Lachen urplötzlich wieder vergeht, dann ist das durchaus beabsichtigt und dem pointierten Drehbuch zu verdanken. All das macht Mike Nichols Film durchweg sehenswert und angenehm unterhaltsam anspruchsvoll.