Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (HFR 3D) [2012]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 31. Dezember 2012
Genre: Fantasy

Originaltitel: The Hobbit: An Unexpected Journey
Laufzeit: 169 min.
Produktionsland: USA / Neuseeland
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Peter Jackson
Musik: Howard Shore
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Ken Stott, Graham McTavish, William Kircher, James Nesbitt, Stephen Hunter, Dean O'Gorman, Aidan Turner, John Callen, Peter Hambleton, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, Andy Serkis, Hugo Weaving, Cate Blanchett, Christopher Lee, Sylvester McCoy, Manu Bennett


Kurzinhalt:
Bilbo Beutlin (Martin Freeman) aus Beutelsend ist ein achtbarer Hobbit, dem es nicht einfallen würde, etwas Unvernünftiges zu unternehmen. Erst recht nicht, als der Zauberer Gandalf (Ian McKellen) vor seiner Wohnhöhle auftaucht auf der Suche nach einem Hobbit, der sich auf ein Abenteuer einlassen würde. Doch obwohl er abgelehnt hat, findet sich Bilbo wenig später in der Gesellschaft von dreizehn Zwergen wieder, deren Anführer Thorin (Richard Armitage) in den Osten zum Berg Erebor aufbrechen möchte, um dort das Gold, das der Drache Smaug bewacht, und das rechtmäßig den Zwergen gehört, zurückzuholen.
Der Hobbit lässt sich auf die Unternehmung ein, nur um wenig später festzustellen, dass der Ork Azog (Manu Bennett), der an Thorin Rache nehmen will, einen Preis auf die Köpfe der Zwerge ausgesetzt hat. Währenddessen wird Gandalf auf das Erstarken einer dunklen Macht aufmerksam gemacht und bei allen wundersamen Wesen und Orten, die die Zwerge und Bilbo aufsuchen, trifft der Hobbit auf ein Wesen, dessen größter Schatz ein kleiner, goldener Ring darstellt – und für den Bilbo bestimmt ist ...


Kritik:
Was Filmemacher Peter Jackson mit seiner Filmtrilogie Der Herr der Ringe [2001-2003] gelang, hätte kaum jemand für möglich gehalten. Nicht nur, dass es ihn international als einen der anerkanntesten Regisseure etablierte, er setzte ein als unverfilmbar geltendes Romanepos derart für die Leinwand um, dass Fans der Vorlage und Neueinsteiger gleichermaßen begeistert waren. Schon kurz danach engagierten sich viele Anhänger der Reihe, dass Jackson auch Der kleine Hobbit [1937], J. R. R. Tolkiens Kinderbuch, welches das Universum von Der Herr der Ringe begründet und in gewissem Sinn die Vorgeschichte zu den Ereignissen der Trilogie bildet, verfilmen sollte. Doch Peter Jackson lehnte ab. Zehn Jahre mussten vergehen, ehe Der Hobbit – Eine unerwartete Reise auf die Leinwand kommen sollte, laut dem Filmemacher erneut der Auftakt einer Trilogie. Die Erwartungen könnten nicht höher sein und wenn man ehrlich ist, vermutlich sogar kaum zu erfüllen.

Was Peter Jackson in seinem ersten Hobbit-Film tadellos gelingt ist, die Welt von Mittelerde, bevölkert von Hobbits, Menschen, Zwergen, Zauberern, Orks und anderen Fabelwesen, erneut so darzustellen, als hätte sie schon immer existiert und als wäre das Publikum erst jetzt eingeladen worden, sie zu besuchen. Womit er sich übernimmt, ist einerseits mit der Erzählung einer kindgerechten Fantasy-Geschichte, die Tolkien nach Veröffentlichung der Ringe-Bücher zugegebenermaßen selbst erwachsener ausgestaltet überarbeitet hat und andererseits insbesondere mit einer von Jackson als revolutionär angepriesenen neuen Technik, die seine aufwändige Illusion über weite Strecken vollkommen zerstört.

Der unvorstellbare Erfolg von James Camerons Avatar - Aufbruch nach Pandora [2009] verdankt jener Film nicht unverdient der Tatsache, dass der Science Fiction-Film in 3D aufgenommen und gezeigt wurde. In gewissem Sinne etablierte er eine Technik neu, welche die aktuelle Generation Kinogänger davor nur selten zu sehen bekam. Peter Jackson wollte mit Der Hobbit diesen Erfolg nicht nur wiederholen, sondern die Technik auf die nächste Stufe heben. Darum ist der Film aktuell in vier verschiedenen Versionen in den Kinos zu sehen. Einerseits im klassischen 2D, in 3D, 3D HFR und im IMAX-Format. Die Weiterentwicklung des Kinoerlebnisses sollte durch das so genannte 3D HFR (High Frame Rate) gelingen, bei dem nicht 24 Bilder pro Sekunde gezeigt werden, sondern 48. Dadurch sollen flüssigere Bewegungen möglich sein und ein 3D-Effekt, der bei weniger Zuschauern für Übelkeit und Kopfschmerzen sorgt.
Was die Filmemacher allerdings unterschlagen ist die Tatsache, dass durch die doppelte Bildgeschwindigkeit Bewegungen auf der Leinwand ungewohnt und unnatürlich schnell erscheinen. Geht Bilbo Beutlin zu Beginn durch seine Höhle, hat man das Gefühl, ihn aufgeregt durch seine Gemächer zappeln zu sehen. Ebenso bei den Actionsequenzen, die allesamt "zu schnell" ablaufen. Bei Aufnahmen der grandiosen Landschaften fällt dies hingegen nicht auf, im Gegenteil, hier wirkt das Bild so plastisch, als stünde man selbst auf der Lichtung, oder als könnte man durch ein Fenster die Berge und Wälder sehen. Doch sobald sich im Bild etwas bewegt, entsteht eine Hektik, die durch die Schnittfolge nur noch unruhiger wirkt. Zu allem Überfluss sind dadurch die künstlichen Elemente eines Bildes, die computergenerierten Figuren oder Hintergründe beispielsweise, deutlich klarer zu erkennen. Streckenweise erscheint es, als würde man sich ein technisch brillantes Videospiel ansehen, bei dem jemand anders die Steuerung übernommen hat.
Und genau hier liegt das größte Problem von Der Hobbit – Eine unerwartete Reise in HFR 3D: Wenn man sich als Zuseher ständig dabei ertappt, über die fahrig schnellen Bewegungen nachzudenken, einem die Spezialeffekte ins Auge springen oder die unnatürlichen Hintergründe die Figuren aus ihrer Welt reißen, ist die Illusion von Mittelerde dahin. So ambitioniert Peter Jacksons Aufbruch in eine neue Ära des Filmeschaffens sein mag, er ist ihm insbesondere dadurch, dass einem das Gefühl dieser Welt durch die Der Herr der Ringe-Filme so vertraut ist, gründlich misslungen.

Die Geschichte selbst ist, trotz der langen Laufzeit, schnell erzählt: Bilbo Beutlin schreibt sein größtes Abenteuer nieder, zu dem ihn der Zauberer Gandalf vor 60 Jahren geradezu gezwungen hat. Zusammen mit dreizehn Zwergen macht er sich auf vom Auenland zum Berg Erebor im Osten, wo die stolzen Zwerge vor vielen Jahren ihr Königreich hatten, bis ein Drache sie vertrieb und ihr geschürftes Gold als seinen Schatz hütet. Auf dem Weg durch Mittelerde gerät die Unternehmung ins Visier des Ork-Anführers Azog, dessen Schicksal mit dem des Zwerg Thorin Eichenschild eng verbunden ist. Gandalf wird hingegen auf eine neue Bedrohung für Mittelerde aufmerksam, während Bilbo in einer Höhle auf ein Geschöpf trifft, das einen unstillbaren Durst nach seinem goldenen Ring verspürt.

Gollums Auftritt ist für Kenner der Ringe-Trilogie zweifelsfrei der Höhepunkt des Films und begeistert nicht nur dank des Aufbaus, sondern auch dank jener Figur gleichermaßen. So beeindruckend sie vor 10 Jahren ausgesehen haben mag, wie weit die Tricktechnik fortgeschritten ist, sieht man hier erneut – Andy Serkis' Porträt des Wesens Gollum ist erneut atemberaubend und der gesamte Abschnitt packend. Es bleibt allenfalls die Frage, wie Peter Jackson dies in den kommenden beiden Filmen steigern möchte.
Bis die Expedition, bestehend aus den Zwergen, Gandalf und Bilbo aufbricht, vergeht allerdings viel Zeit, die das Publikum in der ersten Hälfte des beinahe dreistündigen Films auch zu spüren bekommt. Die lange Einführung ist dabei mehr ein Geschenk an die Fans, denn eine Notwendigkeit und auch in den zweiten eineinhalb Stunden gibt es Vieles, was man knapper hätte erzählen können. Die zweite Hälfte nimmt ab dem Besuch im Elbenreich Bruchtal deutlich Fahrt auf und spätestens dann stellt sich auch das Gefühl ein, dass man selbst wieder in Mittelerde angekommen ist. Hierzu tragen nicht nur die zahlreichen bekannten Gesichter und Figuren wie Elrond, Galadriel und Saruman bei, sondern auch die Tatsache, dass die bekannten Orte genauso erscheinen, wie man sie zuletzt vor einem Jahrzehnt gesehen hat. Selbst mit dem Prolog, mit dem Peter Jackson den Hobbit einleitet und der die Hintergrundgeschichte erklärt, scheint der Regisseur das Schema der vorigen Trilogie zu kopieren. Dass diesem auf Grund des HFR-Aussehens nur schwer zu folgen ist, ist bedauerlich. Ebenso, dass sämtliche Anführer der bösen Orks nicht mehr plastisch und greifbar sind, sondern alle offensichtlich aus dem Computer stammen.

Der kleine Hobbit war seinerzeit als Buch für ein junges Publikum gedacht, dies spiegelt sich auch im Humor wider, der im Vergleich zu Der Herr der Ringe mehr auf die Situation bezogen ist. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, allerdings verschiebt Jackson die Gewichtung bereits zu Beginn und in der zweiten Hälfte hin zu düsteren Elementen, die an seine vorhergehende Trilogie erinnern. Weder die gezeigte Bedrohung durch mordende Orks, noch abgetrennte Gliedmaßen lassen sich mit einem kindlichen Humor vereinen, so dass der Brutalitätsgrad hierzu bisweilen schlicht unpassend ist.
Zudem ist die sehr lang ausgebreitete Flucht der Zwerge aus der Ork-Höhle für Erwachsene eine Herausforderung mit sich ständig wiederholenden Einstellungen, die Kinder im Publikum werden hiervon vermutlich kaum etwas behalten können.

Eine Anmerkung an dieser Stelle dem Studio, beziehungsweise den Kinobetreibern:
Bei einer Lauflänge von knapp drei Stunden ist es durchaus nachvollziehbar, dass ein Film mit einer Pause unterbrochen wird. Wie man so etwas stilvoll und vernünftig erreicht, sieht man an Klassikern wie Ben Hur [1959]. Hier wird nicht mitten in einer Szene die Vorführung angehalten, um den Hinweis auf Snacks und Getränke auf der Leinwand einzublenden, sondern stilecht mit dem Hinweis "Pause" in Farben und Schriften des Films dieser angehalten und während der Pause eine Musik-Suite im Hintergrund gespielt, um das Publikum nicht gänzlich aus dem filmischen Ambiente zu reißen.
Doch es scheint, als ginge es Kinos und Studios kaum mehr um die Präsentation eines solchen Films, sondern um die Zusatzverkäufe. Sonst hätten diese auf eine vernünftig eingebettete Pause bereits selbst kommen können.


Fazit:
Es ist zweifelsfrei erkennbar, wie viel Zeit und Aufwand in die Entstehung von Der Hobbit – Eine unerwartete Reise geflossen ist. Es mag von Regisseur Peter Jackson ein Herzensanliegen gewesen sein, den Film durch das HFR 3D-Format lebensechter zu gestalten und ein unvergleichliches Filmerlebnis zu bieten. Letzteres ist ihm gelungen, aber nicht im positiven Sinn. Die von ihm gewünschte technische Präsentation macht seine Illusion von Mittelerde zunichte und reißt den Film aus dem bekannten Der Herr der Ringe-Universum durch zu zappelige, schnelle Bewegungen, eine Heimvideokameraoptik und Spezialeffekte, die allzu offensichtlich sind.
Der Film selbst überzeugt durch eine hervorragende Besetzung, bei der die bekannten Darsteller wie Ian McKellen mühelos zu ihren Figuren zurückfinden und sich Martin Freeman als junger Bilbo Beutlin als herausragender Glücksgriff offenbart. Die Geschichte selbst ist hingegen unnötig lang gezogen, aber charmant, das bekannte Flair von Mittelerde stellt sich erst ab dem Besuch in Bruchtal wirklich ein.
Zusammen ergibt dies ein aufwändiges, sehr unterhaltsames Fantasyabenteuer im Stile von Der Herr der Ringe, dessen Humor nicht immer zu den wenig zimperlichen Actionszenen passt, das aber letztlich abgesehen von der vorangegangenen Trilogie ohnehin beispiellos in diesem Genre ist. Nicht nur dank des Highlights in Form des Gastauftritts des Ringträgers für Fans ohnehin sehenswert.