On Swift Horses [2024]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. April 2025
Genre: Drama / Liebesfilm

Originaltitel: On Swift Horses
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Daniel Minahan
Musik: Mark Orton
Besetzung: Daisy Edgar-Jones, Jacob Elordi, Will Poulter, Diego Calva, Sasha Calle, Kat Cunning, Don Swayze


Kurzinhalt:

Nachdem sein Militärdienst im Koreakrieg zu Beginn der 1950er-Jahre beendet ist, zieht Lee (Will Poulter) zusammen mit seiner Frau Muriel (Daisy Edgar-Jones) vom ländlichen Kansas nach Kalifornien, wie sie es mit Lees jüngerem Bruder Julius (Jacob Elordi) abgesprochen hatten. Aber während Lee und Muriel schnell Arbeit gefunden haben und für ein Eigenheim sparen, ist Julius beim Kartenspielen hängen geblieben, von dem er sich leicht verdientes Geld erhofft. In Las Vegas trifft Julius auf Henry (Diego Calva), der große Träume hat, die er glaubt, mit Betrügereien schnell umsetzen zu können. Auch wenn er damit das Glück gefährdet, das er mit Henry gefunden hat, geht Julius darauf ein. Muriel, die sich seit jeher zu Julius und dessen Freiheitsdrang hingezogen fühlt, kommt durch Pferdewetten zu Geld und entdeckt dank ihrer Nachbarin Sandra (Sasha Calle) eine Seite an sich, von der sie nicht einmal etwas ahnte. Dadurch stellt sie sich zunehmend die Frage, ob sie mit Lee ihre eigenen Träume verwirklichen will oder nicht nur seine …


Kritik:
Daniel Minahans Verfilmung von Shannon Pufahls gleichnamigem Roman aus dem Jahr 2019 erzählt von unerfüllter Sehnsucht und der fortwährenden Suche herauszufinden, was man überhaupt begehrt. Getragen von vier starken Darbietungen, ist dies atmosphärisch umgesetzt und tadellos zum Leben erweckt, doch gelingt es dem Liebesdrama selbst kaum, aufzudecken, was die Figuren letztlich tatsächlich wollen. Dementsprechend mäandriert On Swift Horses merklich vor sich hin, auf der Suche nach einer Auflösung und einem Sinn darin.

Zu Beginn der 1950er-Jahre hält der junge Lee in Kansas um die Hand von Muriel an, ehe er wieder an die Front im Koreakrieg ziehen muss. Muriel antwortet auf seinen Antrag anfangs nicht, doch als Lees Bruder Julius, unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen, bei ihnen erscheint, sagt sie schließlich zu. Die drei beabsichtigen, wenn Lee zurückkehrt, sich ein neues Leben in Kalifornien aufzubauen. Dort sind Muriel und Lee einige Zeit später auch angekommen, Julius allerdings versucht, sich selbst durchzuschlagen mit Kartenspielen und anderen Gelegenheitsjobs. Als er in Las Vegas ankommt, trifft Julius auf Henry und sie verlieben sich. Aber während Julius um das Leben froh ist, das er sich so aufbauen könnte, will Henry mit Betrügereien in Kasinos viel Geld verdienen, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Muriel, für die Lee ihre erste Liebe war, fühlt sich nicht nur zu Julius hingezogen, den sie seit Jahren nicht gesehen hat, sondern entdeckt eine ganz andere Seite an sich, als sie mit Lee ein Haus kauft und ihrer allein lebenden Nachbarin Sandra begegnet.

Dass zwischen Muriel und Julius eine besondere Verbindung besteht, bemerken beide bereits bei ihrer ersten Begegnung, selbst wenn nichts daraus erwächst. Lee, der um die sexuellen Neigungen seines Bruders weiß, selbst wenn er sie nie laut ausspricht, kann ihn jedoch insofern besser einschätzen, als dass er Julius als jemanden sieht, der nie sesshaft werden will. Ihre Mutter haben beide Brüder früh verloren und die Kindheit mit ihrem Vater war alles andere als einfach. Womöglich scheut Julius deshalb eine dauerhafte Bindung, auch an einem festen Ort, während es Lees Traum ist, ein Heim und eine Familie zu erschaffen, die er nie hatte. Muriel ihrerseits beharrt auf ihrer Unabhängigkeit und scheut sich lange, als sie mit Lee in Kalifornien angekommen ist, das Haus ihrer Mutter in Kansas zu verkaufen, sodass sie und Lee sich ein eigenes Heim aufbauen können. Sie erzählt ihrem Mann auch nicht, dass das Geld, mit dem sie ihr Eigenheim letztlich anzahlen, nicht aus dem Verkauf ihres Elternhauses stammt, sondern dass sie es bei Wetten auf Pferderennen gewonnen hat. Sowohl Muriel als auch Lee arbeiten hart für ihr Leben, aber während Lee überzeugt ist, sich etwas aufzubauen, weiß Muriel allenfalls, dass sie ihren Mann damit unterstützt. Was sie selbst möchte, weiß sie nicht.

Dementsprechend schön ist es, sie aufblühen zu sehen, als sie auf ihre Nachbarin Sandra trifft und eine Anziehung entdeckt, die sie zuvor allenfalls Julius gegenüber empfunden zu haben glaubt. Aber während diese Begegnung dazu führen könnte, dass Muriel als Figur wächst, sie sich darüber klar wird, was sie vom Leben tatsächlich erwartet und was sie erreichen möchte, zeigt On Swift Horses nur, dass sie diese Erfahrungen macht, nicht aber, zu welchem Schluss sie kommt. Muriel und Julius sind sich ähnlicher, als vor allem Erstere glaubt, aber während Julius sich während der Erzählung darüber klar wird, was er will, setzt dieser Prozess bei Muriel gar nicht ein. Der Einzige, der bei alledem verliert, ist Lee. Er hat eine klare Vorstellung davon, wohin er sich entwickeln möchte und ist Muriel gegenüber diesbezüglich offen und ehrlich. Sie allerdings macht nicht nur sich selbst, sondern vor allem ihm etwas vor. Entsprechend schwer fällt es daher, Partei für sie zu ergreifen. Zu ruhig und verschlossen, bricht es nie aus ihr heraus, was sie tatsächlich begehrt und während Julius in den gemeinsamen Momenten mit Henry glücklich erscheint, bleibt bei Muriel immer der Gedanke bestehen, dass sie sich im Grunde stets zu einer anderen Person hingezogen fühlt, als zu der, bei der sie ist. Würde Regisseur Minahan herausarbeiten, dass sie sich ausprobieren muss, dass sie nach etwas sehnt, von dem sie gar nicht weiß, was es ist, wäre dies eines. Doch dafür bleibt die Erzählung zu distanziert und Muriels Handlungen zu wenig nachvollziehbar.

Das bedeutet nicht, dass die Figuren nicht entsprechend gelungen zum Leben erweckt wären, im Gegenteil. Als Julius zeigt Jacob Elordi eine sehenswert starke Darbietung und wenn Will Poulter zum Ende hin endlich aussprechen darf, was ihn bewegt, überzeugt auch der Moment. Daisy Edgar-Jones’ Muriel wirkt hin- und hergerissen, während Diego Calva stets ein noch größeres Glück sucht, anstatt das zu akzeptieren, das er vor sich hat. Die Ausstattung ist fabelhaft und auch die Optik trägt maßgeblich zur stimmigen Atmosphäre bei. Aber während man sich lange Zeit fragt, wohin sich On Swift Horses entwickeln wird, muss man im Nachhinein feststellen, dass die Verantwortlichen dies selbst nicht zu wissen scheinen. Als Drama, das persönliche Sehnsüchte gesellschaftlichen Konventionen gegenüberstellt, funktioniert es schon deshalb kaum, da wonach sich die zentralen Figuren sehnen zu spät oder zu diffus herausgearbeitet wird. Sieht man den Film als Liebesgeschichte, bleibt die Frage, ob sich die Figuren ineinander oder in das Gefühl verlieben, das die andere Person in ihnen weckt. Das zu erörtern, wäre durchaus interessant, doch auch darauf will die Erzählung nicht hinaus.


Fazit:
Muriel, Lee und Julius haben viele Pläne, gemeinsam und jeder für sich. Doch keiner davon kann sich erfüllen. Dafür, dass Lee letztlich die tragischste Figur von allen ist, fokussiert sich Filmemacher Daniel Minahan zu wenig auf ihn. Muriel und Julius stehen dafür gleichermaßen im Mittelpunkt, von denen letzterer sich zumindest darüber klar wird, was und wen er will, während sich Muriel auf eine Suche begibt, die sie schließlich aber nirgendwo hinzuführen scheint. So schade das ist, es ist durchweg gut gespielt und mit einigen sinnlichen Momenten ansprechend in Szene gesetzt. Doch das Liebesdrama vermag nie zu packen, da die Schicksale der Figuren nicht ergreifen und zudem große Konflikte zwischen ihnen ausbleiben. Es ist, als würde das Drehbuch jedes Streitgespräch umgehen, anstatt die Charaktere darin offenzulegen, sodass sie danach wachsen können. Stark ausgestattet, bleibt On Swift Horses damit merklich zu kühl, als dass man emotional mitgenommen würde.