Black Bag – Doppeltes Spiel [2025]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. April 2025
Genre: Thriller

Originaltitel: Black Bag
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Steven Soderbergh
Musik: David Holmes
Besetzung: Michael Fassbender, Cate Blanchett, Marisa Abela, Tom Burke, Naomie Harris, Regé-Jean Page, Pierce Brosnan, Gustaf Skarsgård, Kae Alexander, Ambika Mod


Kurzinhalt:

George Woodhouse (Michael Fassbender) ist Agent des britischen Geheimdienstes „National Cyber Security Centre“ und gilt als Experte, wenn es darum geht, Lügner zu entlarven. Aus dem Grund beauftragt ihn sein Vorgesetzter Meacham (Gustaf Skarsgård) mit einer heiklen Mission. Das Projekt „Severus“ droht, in die falschen Hände zu kommen. Wenn das der Fall ist, könnten zehntausende Menschen sterben. George soll den Verräter in den eigenen Reihen finden und hat dafür nur eine Woche Zeit. Es gibt fünf Verdächtige innerhalb der Agency: Die junge Clarissa Dubose (Marisa Abela), den erfahrenen Freddie Smalls (Tom Burke), den George bei einer Beförderung übergehen musste, James Stokes (Regé-Jean Page), der stattdessen seinen Platz bekam, die Psychologin der Abteilung Dr. Zoe Vaughan (Naomie Harris) und Kathryn St. Jean (Cate Blanchett) – Georges Ehefrau. Auch wenn George Meacham versichert, dass er alles tun würde, den Verräter zur Strecke zu bringen, seiner Frau gegenüber ist er absolut loyal. Sollte sie es sein, die das Projekt verrät, könnte er tun, was nötig ist? Während er zu ermitteln beginnt, muss er sich dabei auch eine weitere Frage stellen. Ahnt Kathryn womöglich, was seine Aufgabe ist und manipuliert George für ihre Zwecke?


Kritik:
Steven Soderberghs Black Bag – Doppeltes Spiel ist eine Art Film, wie man sie in mehrerlei Hinsicht selten findet. Der dialoggetriebene Spionagethriller lebt von seiner Besetzung, die sichtlich engagiert eine Geschichte zum Leben erweckt, deren eigentlicher Kern ebenso lange im Dunkeln bleibt, wie die Auflösung ein Rätsel. Erst ganz am Ende fällt das letzte Puzzleteil an Ort und Stelle. Das Ergebnis ist weit weniger packend, als man vermuten würde, aber teils so böse und verschmitzt, dass ein erwachsenes Publikum hier ganz auf seine Kosten kommen kann.

Es klingt nach einer Routinemission wie der introvertierte, britische Geheimagent George Woodhouse sie bereits zig Mal ausgeführt hat. Sein Vorgesetzter Meacham beauftragt ihn, einen Verräter zu finden. Fünf Personen kommen in Frage, die in Verdacht stehen, das Projekt „Severus“ entwendet zu haben. Doch unter den fünf Verdächtigen befindet sich auch Georges Frau Kathryn, selbst eine Agentin. Die Mission stellt ihn daher vor die unmögliche Wahl, wem seine Loyalität gilt: seiner Frau oder seinem Land. Der methodische George gilt als Legende, wenn es darum geht, Lügner zu entlarven, weshalb er Kathryn zumindest teilweise einweiht. Laut Meacham bleibt ihm nur eine Woche, die undichte Stelle zu finden, ehe zehntausende Menschen sterben werden. Während George durch seine gezielte Ermittlung immer neue Erkenntnisse gewinnt, was sich herauskristallisiert, lässt seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Wobei er als Agent nie sicher sein kann, ob er nur der ist, der beobachtet, oder gleichzeitig beobachtet wird.

Was sich hinter „Severus“ verbirgt, gilt es dabei ebenso herauszufinden, wie wer die undichte Stelle ist – oder Stellen. In Frage kommen neben Georges Frau Kathryn ein langjähriger Freund des Paares, Freddie, den George kürzlich bei einer Beförderung übergehen musste. Aber auch die junge Technikspezialistin Clarissa, James, der Freddies Posten erhalten hat, oder die Psychologin der Abteilung, Zoe. Zwischen ihnen allen gibt es Verbandelungen, die Stück für Stück aufgedeckt werden. Die meisten davon während eines Abendessens, das der leidenschaftliche Koch George für sie alle ausrichtet. Die Gäste selbst wissen nicht, weshalb sie zum Essen geladen wurden, oder dass George sie dabei unter Drogen setzt. Es ist eine Sequenz zu Beginn, die toll auf den Punkt bringt, was das Publikum in Black Bag erwartet. Die Dialoge sind nicht nur flott, sondern inhaltlich derart pointiert, dass man aufmerksam bleiben muss, um die vielen Sticheleien und bohrenden Hintergedanken derjenigen, die sie aussprechen, nicht zu übersehen. Im ersten Moment scheint der Erkenntnisgewinn überschaubar, doch George, mit einer geradezu ansteckend distanzierten Pedanterie von Michael Fassbender erstklassig verkörpert, hat erste Hinweise gesammelt und beginnt, ein Puzzle zusammenzusetzen, bei dem sich seine eigene Frau als Schlüsselteil herauszustellen scheint.

Die ist ebenso subtil und unterkühlt von Cate Blanchett zum Leben erweckt, dass man einerseits in Georges zurückgehaltener Mimik seinen Konflikt erkennen kann, der aus Liebe zu seiner Frau (fast) alles tun würde, während man andererseits glaubt, Kathryn in der Art lesen zu können, dass sie ihn für ihre Zwecke manipuliert. Wie in vielen Whodunit-Thrillern spielt Black Bag mit den Vermutungen der Zuschauerinnen und Zuschauer, wer hinter dem Verrat stecken könnte. Das aber weniger dadurch, dass sie alle ein Motiv erhalten, wie dadurch, dass ihre Charaktere offengelegt werden. Die Dialoge, die nicht selten anzüglich geraten, entlarven die Eigenschaften der Figuren auf seine so gelungene Weise, dass die Feststellungen, die darin liegen, geradezu schneidend böse Züge annehmen. George selbst wirkt meist distanziert, beinahe unbeteiligt, selbst wenn man durch seine akribische Herangehensweise weiß, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Regisseur Steven Soderbergh inszeniert Black Bag wie einen Genrefilm aus den 1970er-Jahren. Lange Kamerafahrten und -einstellungen versetzen das Publikum an die Stelle der Beobachtenden, sämtliche Lichtquellen überstrahlen die Szenerie und tauchen das Geschehen in eine traumähnliche Stimmung. Beinahe so, als wollte er visuell unterstreichen, was seine Figuren hier zum Ausdruck bringen: wenn man über alles lügen kann, wie weiß man dann bei irgendetwas, ob es die Wahrheit ist? Betrug und Loyalität vermischen sich, es gibt keine klaren Grenzen und alles scheint ineinander zu fließen. Doch so passend die Optik sein mag, sie macht es stellenweise tatsächlich schwer, sich auf das Gezeigte zu konzentrieren. Dass dies dennoch lohnt, liegt gleichermaßen am Drehbuch von David Koepp (Jurassic Park [1993], Panic Room [2002]), wie an der Besetzung, die merklich Gefallen an den komplizierten, fehlerbehafteten Figuren findet. George beizuwohnen, wie er das Rätsel versucht zu lösen und gleichzeitig seinen inneren Konflikt bekämpft, was er tatsächlich tun würde, wäre seine Frau die Verräterin, ist womöglich nicht mitreißend packend, aber immens unterhaltsam. Es ist eine Art Erzählung, die Aufmerksamkeit fordert, und dafür mit vielen Momenten belohnt, bei denen man bereits angesichts der mitschwingenden Frechheit schmunzeln muss. Toll!


Fazit:
Anstatt sich mit vielen Erklärungen aufzuhalten, wirft Regisseur Steven Soderbergh sein Publikum in ein Metier, das man angesichts zahlreicher Bücher und Filme zu kennen glaubt, ohne aber die genaue Mechanik hier zu verstehen. Welche Aufgaben George oder Kathryn im Geheimdienst genau übernehmen, ist ebenso unklar, wie es ihnen gelingt, in dieser Art Beruf, der auf Verschwiegenheit und Lügen basiert, ihre Ehe zu bewahren. Zug um Zug deckt das Drehbuch die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Charakteren auf und nähert sich gleichzeitig dem Kern der Geschichte. Mitzurätseln lohnt dabei im Grunde nicht, da man selbst viel zu wenige Informationen erhält, wer jedoch beobachtet, den belohnt das Drehbuch mit vielen Erkenntnissen, die am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Zurückhaltend und doch unterschwellig brodelnd von allen Beteiligten gespielt, sind die Dialoge so geschliffen wie stellenweise witzig, sofern man den bösen Humor zu schätzen weiß. Black Bag – Doppeltes Spiel mutet wie ein überlanges Kammerspiel an, das für ein aufmerksames Publikum einen enormen Unterhaltungswert bietet. Das mag am Ende nicht emotional mitreißen, aber als cleverer Thriller lohnt das allemal – nicht nur, weil die heute so selten sind.