Blood & Sinners [2025]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. April 2025
Genre: Fantasy / Horror / Drama

Originaltitel: Sinners
Laufzeit: 137 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ryan Coogler
Musik: Ludwig Göransson
Besetzung: Michael B. Jordan, Miles Caton, Hailee Steinfeld, Jack O’Connell, Wunmi Mosaku, Jayme Lawson, Omar Benson Miller, Li Jun Li, Delroy Lindo, Yao, Helena Hu, Lola Kirke, Peter Dreimanis, Saul Williams, Andrene Ward-Hammond, David Maldonado, Buddy Guy


Kurzinhalt:

Oktober im Jahr 1932. Als die Zwillinge Smoke (Michael B. Jordan) und Stack (Michael B. Jordan) in ihre Heimat in Mississippi zurückkehren, haben die Menschen dort bereits Geschichten von den beiden Afroamerikanern gehört, die in der großen Stadt zu viel Geld gekommen sein sollen. Tatsächlich kaufen sie das Grundstück der alten Sägemühle und wollen darin noch am selben Abend eine Kneipe für die afroamerikanische Bevölkerung eröffnen. Den Alkohol haben sie selbst mitgebracht, für die Musik soll neben Delta Slim (Delroy Lindo) auch der Sohn des Pastors, Sammie (Miles Caton), sorgen. Aber nicht alle sind froh, dass die Zwillinge zurück sind. Sowohl bei Mary (Hailee Steinfeld) als auch bei Annie (Wunmi Mosaku) haben sie verbrannte Erde hinterlassen. Dies droht, am Abend der Eröffnung der Kneipe zum Vorschein zu kommen, aber Sammies Musik beschwört etwas Böses herauf, das ihrer aller Vorstellung übertrifft …


Kritik:
Selbst diejenigen, die am Ende von Ryan Cooglers ungewöhnlichem Blood & Sinners nicht wissen, was sie von der Erzählung halten sollen, werden sich auf ein paar Feststellungen dennoch einigen können. Sei es, dass der Filmemacher sie mit einer handwerklich eindrucksvollen Finesse zum Leben erweckt, oder dass die Geschichte mit Leben und Kultur förmlich pulsiert. In jedem Fall aber, dass sie sich derart unerwartet entwickelt, dass man den Mut der Verantwortlichen hinter dem Projekt durchaus bewundern muss.

Nach einem kurzen Prolog, der beinahe alles an Mythologie vorstellt, was die Verantwortlichen im Laufe der zwei Stunden erklären werden, springt die Geschichte einen Tag zurück und erzählt von den Zwillingsbrüdern Smoke und Stack, die im Herbst 1932 in ihre Heimatstadt in Mississippi zurückkehren, um dort dem täglichen Rassismus gleichermaßen zu trotzen, wie ihr Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen. Die Zwillinge sind weithin bekannt und um das, was sie erlebt haben, erzählt man sich viel. Sieben Jahre waren sie in Chicago und sollen dort für Gangsterboss Al Capone gearbeitet haben. Mit einer großen Tasche Geld kaufen sie einem örtlichen Großgrundbesitzer, der keinen Hehl aus seinen rassistischen Ressentiments macht, das Grundstück mit dem alten Sägewerk darauf ab. Das bauen sie mit Hilfe der ansässigen Bevölkerung zu einem „Juke Joint“ um, einer Kneipe für die afroamerikanische Bevölkerung. Sie soll am selben Abend eröffnen, mit Musik des stadtbekannten Delta Slim und dem begnadeten Gitarrenspieler Sammie „Preacherboy“ Moore. Den Alkohol haben Smoke und Stack selbst aus Chicago mitgebracht und treffen in ihrer Heimat auf ebenso viele Menschen, die sie bewundernd empfangen angesichts der Legenden, die sich um die Zwillinge ranken, wie auf solche, die die vielen Wunden nicht vergessen haben, die sie hinterließen. Doch all das tritt in den Hintergrund, wenn sie auf etwas Böses treffen, das ihre schlimmsten Alpträume übersteigt.

Was das ist, sei an dieser Stelle nicht verraten und Interessenten, die sich auf eine kühne Erzählung einlassen wollen, sollten tunlichst sämtliche Informationen darüber meiden, wozu auch die Filmvorschau zählt. Selbst wenn man einen bei Genrefans bekannten Neoklassiker des Horror erwähnt, wäre dies bereits zu viel. Es soll genügen zu sagen, dass die oben genannte Genrebeschreibung durchaus erfüllt wird und im Grunde noch erweitert werden könnte. Denn es gibt nicht wenige Elemente bei Blood & Sinners, die überaus amüsant sind und Action bietet Regisseur Ryan Coogler ebenfalls überraschend viel. All das verbindet eine Story, die tief in die kulturelle Geschichte der afroamerikanischen Bevölkerung eintaucht und dabei den Zeitrahmen, in dem sie spielt, in beide Richtungen sprengt. Dies gipfelt in einer Sequenz, in der Einflüsse der afroamerikanischen Geschichte in die Kultur allgemein und die Musik im Speziellen auf eine visuelle wie musikalische Art und Weise ausgedrückt und zusammengeführt werden, so dass einem tatsächlich ein Schauer über den Rücken läuft. Bluesmusik ist ein entscheidender Bestandteil der Erzählung und wie sie darin verwoben ist, lässt einen nicht nur die Südstaatenhitze spüren, sondern bringt den Schmerz und die Verletzung der Afroamerikanerinnen wie Afroamerikaner ebenso zur Geltung, wie die Hoffnung, die Musik transportieren, den Mut, den sie entfachen und die Freiheit, die sie vermitteln kann. Von der Trauerbewältigung, die sich darin verbirgt, ganz zu schweigen.

Die Stimmung in Blood & Sinners ist beinahe mit Händen zu greifen, noch bevor in der letzten Stunde die Geschichte eine Wendung nimmt, die anfangs zwar bereits angekündigt wurde, die man aber dennoch inhaltlich kaum kommen sieht. Ob das Publikum bereit ist, dem zu folgen, hängt von einer und einem jeden einzelnen ab. So absurd die Situation sein mag, die Verantwortlichen erwecken sie einerseits mit genügend Augenzwinkern zum Leben, dass man sich darauf dennoch einlässt, gleichzeitig beweisen sie so viel Ernsthaftigkeit, dass nicht nur das Schicksal der Figuren interessiert, die sich hier urplötzlich in einer lebensbedrohenden Situation wiederfinden (die sinnbildlich gleichzeitig ihr kulturelles Erbe auszulöschen droht). Vor allem ist dies auf eine handwerklich derart umwerfende Art zum Leben erweckt, dass es umso mutiger erscheint, mit welch sichtbar großem Budget Filmemacher Coogler seine Vision eines Fantasyhorrors umsetzen darf. Ob es dafür letztlich ein genügend großes Publikum geben wird, bleibt abzuwarten, dem zuzusehen lohnt jedoch allemal.

Die Bilderauswahl ist überragend, angefangen von den Aufnahmen, die rund um New Orleans entstanden sind, über die natürlich ausgeleuchteten Sequenzen im Juke Joint. Die Perspektiven, die flache Tiefenschärfe, die die Figuren beinahe in der Szenerie isoliert, all dies wirkt zusammen mit den dezenten Zeitlupen beinahe komponiert. Für mehrere Bildformate optimiert, von leinwandfüllend bis hin zu enormem Breitbild, ist Blood & Sinners ein visuelles Fest, das auf der größtmöglichen Leinwand am besten zur Geltung kommt. Doch über all diesem Lob steht die grundsätzliche Frage, ob die Geschichte dadurch, wie sie erzählt wird, am besten zur Geltung kommt. Der atmosphärische Knick, der sich ab der Hälfte vollzieht, wird ein Publikum, das auf ein Crimedrama gehofft hat, ebenso enttäuschen, wie diejenigen, die so lange auf die zweite Filmhälfte warten müssen. Sieht man beide als Einheit, was folgt als Interpretation dessen, was die Verantwortlichen zu Beginn vorstellen, wenn die Kultur der afroamerikanischen Bevölkerung verloren zu gehen droht, da sie von äußeren Einflüssen ausgehöhlt wird, ergibt das inhaltlich durchaus Sinn. Ohne hinter die Intention der Erzählung zu blicken, ist sie dennoch frech und mutig, aber der Mix erfordert einen Glaubenssprung, den vermutlich kein großes Publikum bereit ist, zu vollziehen.


Fazit:
Anstatt eine Horrorstory zur erzählen, wie man sie bereits unzählige Male gesehen hat, entscheidet sich Regisseur Ryan Coogler, sie nicht nur in einen kulturellen Kontext einzubetten, sondern die afroamerikanische Kultur als essentiellen Bestandteil mit einzubinden. Angefangen vom historischen Hintergrund, dem allgegenwärtigen Rassismus, dem Leid, das die unterschiedlichen Figuren erlitten haben, und der Musik. Das sorgt dafür, dass sich die Geschichte lange Zeit so anfühlt, als wäre sie etwas ganz anderes, atmosphärisch dicht und mit ebenso treffenden wie eindringlichen Charakterzeichnungen, ehe sie in der zweiten Hälfte zu dem wird, was die Filmvorschau verspricht. Sich darauf einzulassen, erfordert ein offenes Publikum, das bereit ist, den Genresprung mit zu vollziehen. Wer es wagt, den erwartet in Blood & Sinners ein originelles, mitunter blutiges Spektakel, aber auch leise Momente und feine gesellschaftliche Beobachtungen, wie stellenweise sinnliche Augenblicke, vor religiösen und mythischen Aspekten. Das lässt sich kaum in eine Schublade stecken, was es umso erfrischender macht. Selbst dann, wenn die erstklassige Stimmung, die tolle Ausstattung und die handwerkliche fantastische Umsetzung nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die Story weniger mitreißt, als sie möchte. Dafür entschädigt eine starke, auszeichnenswerte Besetzung.