Das Bourne Ultimatum [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 09. September 2007
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: The Bourne Ultimatum
Laufzeit: 111 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Paul Greengrass
Musik: John Powell
Darsteller: Matt Damon, Julia Stiles, David Strathairn, Scott Glenn, Paddy Considine, Edgar Ramirez, Albert Finney, Joan Allen, Tom Gallop, Colin Stinton


Kurzinhalt:
Auch nach seiner Flucht aus Moskau, kann Jason Bourne (Matt Damon) nicht zur Ruhe kommen. Der britische Journalist Simon Ross (Paddy Considine) zitiert in einem Artikel eine Quelle, die auf ihn, Jason, Bezug nimmt. Doch nicht nur Bourne will den Namen von Ross Quelle erfahren, auch der CIA Deputy Director Noah Vosen (David Strathairn) muss das Leck finden – und abdichten.
Die Spur führt Bourne zu Neal Daniels (Colin Stinton), der in die Ursprünge des Projekts "Treadstone" verwickelt war. Ehe die Hintergrüne zu jener Operation aufgedeckt werden, befiehlt Vosen die Exekution Bournes, gegen den Rat von Pamela Landy (Joan Allen), die selbst erst die Verstrickungen durchschaut. Auf der Flucht mit Nicky Parsons (Julia Stiles), die Bourne ebenfalls schon vor seinem Gedächtnisverlust zu kennen scheint, sucht Bourne die Antworten bei Vosen selbst.
Der hat aber zusammen mit CIA Director Ezra Kramer (Scott Glenn) zu viel zu verlieren und setzt jedes Mittel ein, um die Angelegenheit zu vertuschen – und Bourne aufzuhalten ...


Kritik:
Wer hätte gedacht, dass sich Matt Damon, etabliert durch ruhige Filme wie Good Will Hunting [1997] oder Dogma [1999] nur wenig später als ein internationaler Actionstar entpuppen würde, dem von Film zu Film mehr Zuschauer in die Kinos folgen würden? Die Leinwand-Adaption des Agenten-Bestsellers Die Bourne Identität [2002] sicherte Damon vor einigen Jahren eine der ungewöhnlichsten, ernstesten und zwiespältigsten Rollen. Statt auf High-Tech und Spezialeffekte zu setzen, erzählten die Macher einen glaubhaften Thriller für Erwachsene, der durch eine ebenso verworrene wie düstere Story überzeugte und auch die Darsteller entsprechend forderte.
Selbiges wurde mit Die Bourne Verschwörung [2004] sogar noch gesteigert. Auch wenn der zweite Teil mit der gleichnamigen Romanvorlage nicht mehr viel gemein hatte, die Weiterentwicklung von Jason Bourne zog noch mehr Publikum in seinen Bann. Und das, obwohl sich am verwackelten, halb-dokumentarischen, deshalb aber nicht minder Übelkeit erregenden Inszenierungsstil nicht viel geändert hatte. Paul Greengrass, Regisseur des zweiten Teils, läutet nun das Finale der Reihe ein, in dem endlich die brennendsten Fragen beantwortet werden. Der Weg dahin ist aber ebenfalls vielschichtig und verwirrend, komplex und – leider – erneut verwackelt.

Ob Drehbuchautor Tony Gilroy, der bereits für die beiden Vorgänger verantwortlich war, von Anfang an die Story für die Trilogie ausgelegt hatte, sei dahingestellt, bereits in Die Bourne Verschwörung war es überraschend und erfreulich zugleich, wie eng er die Geschichte mit der des ersten Teils verknüpfte. Auch in Das Bourne Ultimatum setzt sich dieser Trend fort, und so setzt das Skript nicht nur in derselben Nacht an, in der der zweite Film endete, er spinnt die Geschichte um das geheime CIA-Projekt "Treadstone" weiter, entlarvt die Hintermänner und bindet beinahe alle Figuren erneut mit ein, die bereist in den letzten Teilen zu sehen waren.
Einmal mehr scheint die Grundgeschichte gar nicht so kompliziert zu sein, hat man sie erst einmal durchschaut, und doch ist es die Art und Weise, wie Jason Bourne dem Komplott und den Drahtziehern auf die Schliche kommt, durch die die Drehbuchvorlage so fasziniert. Nicht nur, dass die Geschehnisse den halben Globus umspannen mit parallelen Storysträngen in New York und Europa, das Katz-und-Maus-Spiel zu beobachten, Bourne beim Demontieren der Machenschaften zuzusehen, fesselt in den Kinosessel. Pointierte Dialoge, ein immens hohes Erzähltempo und die packende Schilderung der Arbeitsweisen der Geheimdienste überzeugen ebenso, wie die gut aufgebauten Actionszenen, bei denen einem als Zuschauer schon vom Zusehen die Luft weg bleibt.
Den Autoren gelingt hier ein würdiger Abschluss der Trilogie, der auch Bezug auf die ersten Filme nimmt und sie gewissermaßen als Basiswissen voraus setzt. Einzig das eigentliche Finale enttäuscht auf Grund des Settings ein wenig – angesichts der Schweiß treibenden Szenen in Marokko konnte das aber auch nicht anders sein, und besser als viele Kinofilme dieses Jahr ist das letzte Drittel ohnehin.

Die Schauspieler scheinen sich angesichts des fordernden Drehbuchs geschmeichelt und präsentieren sich durchweg in bester Spiellaune. Allen voran einmal mehr Matt Damon, dessen Wandlung von Jason Bourne zu seinem Alter Ego David Webb endgültig vollzogen wird. Auch wenn er auf Grund seiner Vergangenheit und seiner Taten nach wie vor nicht wirklich zum Helden wird (etwas, worum sich das Drehbuch auch bemüht), er bleibt grundsätzlich sympathisch und doch mysteriös. Das weniger, weil er das ist, was er ist, als vielmehr, weil er von seinen Fähigkeiten ebenso schockiert wirkt, wie die Zuschauer. Man leidet mit ihm, wenn ihm die Information aus den Händen gerissen wird, fiebert mit, wenn er um sein Leben und das von Nicky Parsons kämpft. Er verleiht Jason Bourne menschliche Züge und fesselt wie kaum eine andere Figur in letzter Zeit.
Julia Stiles bekommt endlich mehr zu tun, und entpuppt sich an Bournes Seite als ebenbürtige Kämpferin, wohingegen der charismatische, skrupellose Noah Vosen – erstklassig verkörpert von David Strathairn – beinahe schon beiläufig als Widersacher eingeführt wird. Zu sehen, wie sich Strathairn und Joan Allen zu Höchstleistungen anspornen und Allen die taktische Überlegenheit ihrer Filmfigur Pamela Landy auszuspielen vermag, sorgt auch in den weniger actionreichen Szenen für dauerhafte Spannung.
Dahingegen ist Scott Glenn nur selten zu sehen, und wenn überhaupt, kann man dem Drehbuch vorwerfen, dass dem Publikum eine längere Konfrontation Ezra Kramers und Noah Vosens am Ende vorenthalten blieb.
Auch Paddy Considine macht seine Sache ausgesprochen gut, wenn gleich er nur kurz zu sehen ist – dahingegen ist der Auftritt Tom Gallops, der bereits in Die Bourne Verschwörung zu sehen war, für Fans interessant.
Durchweg gibt es am Cast nichts zu bemängeln, alle scheinen überaus motiviert und verleihen ihren Figuren die notwendige Glaubwürdigkeit, durch die auch die Geschichte um Jason Bourne an Authentizität gewinnt.

Handwerklich präsentiert sich Das Bourne Ultimatum ebenso unausgeglichen wie noch der zweite Teil der Trilogie (und der erste in Grundzügen). Durch den wackeligen Handkamerastil kommt es insbesondere in der ersten Filmhälfte vor, dass man als Zuseher den Blick von der großen Leinwand nimmt, um nicht seekrank zu werden. Dass auch in Gesprächen die Kamera ständig bewegt wird, wackelt und zittert, hilft nicht unbedingt.
Und doch wirkt es bei Regisseur Paul Greengrass und Kameramann Oliver Wood, als würden sie sich mit diesem Stilmittel nicht nur von den übrigen Genrefilmen abheben, sondern ihn tatsächlich als Element der Geschichte mit einbringen. Nicht zuletzt auf Grund der Inszenierung erhält Das Bourne Ultimatum ein kaum vorstellbares Erzähltempo, und das, obwohl auch die Actionszenen nicht immer so rasend schnell erzählt werden müssten.
Hier kommt die mangelnde Übersicht auch am meisten zum Tragen, und man könnte als Zuschauer gerade die Verfolgungsjagd durch Marokko oder aber die Autoverfolgung durch New York eher genießen, würde man sich auf einen neuen, visuellen Reiz überhaupt erst einstellen können.
Dennoch, wer sich mit der Optik in Die Bourne Verschwörung arrangieren konnte, wird auch hier keine Probleme haben und sich nach einiger Zeit auf die zitterigen Bilder einstellen können. Immerhin gönnt Filmemacher Greengrass seinem Publikum wenigstens ab und an eine Ruhepause bei den Übersichtsaufnahmen der Städte.

Es ist durchaus von Vorteil, wenn man bei einer Filmreihe von Anfang an einen Komponisten ausgewählt hat, der auch für die weiteren Filme engagiert wird; hat dieser außerdem ein einprägsames und passendes Thema geschrieben, kann er dieses auch problemlos in den Fortsetzungen einbringen und abwandeln.
So geschehen bei John Powell, dessen Stücke für Die Bourne Identität schon stilbildend waren und der an den Kernelementen der Melodien auch festhält. So bekommt man viele bekannte Motive zu hören, die aber erfreulicherweise entsprechend der Schauplätze und der Handlung auch erweitert werden. Dennoch bleibt die Musik packend und Powells Kompositionen für den Trilogie-Abschluss können ebenso wie diejenigen der ersten beiden Filme zu den besten Action-Scores der letzten Jahre gezählt werden.

Wie groß der Aufwand hinter dem Bourne Ultimatum war, sieht man schon daran, dass überwiegend an Originalschauplätzen gedreht wurde. Entsprechend glaubhaft wirken die einzelnen Szenen auch; als eigenständiger Agenten-Thriller funktioniert der dritte Teil der Reihe dabei ebenso, wie als nahtlose Fortsetzung, wobei zum Verständnis die ersten Filme vorausgesetzt werden.
Auch wenn man auf die stellenweise grauenhaften Kameraauswüchse hätte verzichten können, es ist offensichtlich, in welchem Maße Regisseur Greengrass dies als Stilelement für die Handlung selbst einbaut. Dank der gut aufgelegten Darsteller, der erstklassigen Actionmomente und der ebenso fordernden wie interessanten Story, setzt sich das Finale der Reihe an die Spitze. Mag sein, dass Die Bourne Verschwörung grundsätzlich komplexer war, und auch ein wenig düsterer – Das Bourne Ultimatum scheint aber ein wenig leichter zugänglich und auch mehr Spaß zu machen.


Fazit:
Fünf Jahre dauerte es, ehe die Produzenten die Geschichte um Jason Bourne zum Abschluss bringen – eine Wartezeit, die sich gelohnt hat. Auch wenn sich am Inszenierungsstil der Filme mit der wackeligen Kamera und den schnellen Schnitten die Geister scheiden, in Das Bourne Ultimatum scheinen diese Aspekte nicht mehr ganz so stark ins Gewicht zu fallen.
Dafür unterhält der Film durch ein irrsinnig hohes Erzähltempo, eine komplexe Geschichte mit vielschichtigen Figuren, einer nahtlosen Verstrickung in die Hintergrundgeschichte von Teil eins und zwei, sowie erstklassig aufgelegte Darsteller, zu denen man als Zuseher sofort Zugang findet.
Dank Regisseur Paul Greengrass, dem einige der besten Actionszenen der letzten Jahre gelingen, wirkt die Odyssee durch halb Europa nie konfus, sondern immer durchdacht. Und wer schon immer eine zwei Stunden lange Verfolgungsjagd zu Fuß und auf mehreren Rädern sehen wollte, darf sich diesen erwachsenen Thriller nicht entgehen lassen.