American Gangster [2007]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 18. Dezember 2007
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: American Gangster
Laufzeit: 157 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Ridley Scott
Musik: Marc Streitenfeld
Darsteller: Denzel Washington, Russell Crowe, Chiwetel Ejiofor, Josh Brolin, Lymari Nadal, Ted Levine, Roger Guenveur Smith, John Hawkes, RZA, Ruby Dee, Carla Gugino, John Ortiz, Cuba Gooding Jr., Armand Assante, Joe Morton
Kurzinhalt:
Nachdem Frank Lucas (Denzel Washington) die Geschäfte seines verstorbenen Mentors übernimmt, floriert in Harlem wie in ganz New York der Drogenhandel. Erreicht hat Lucas dies durch eine neue Taktik; statt von einheimischen Vertreibern einzukaufen und dann erneut an die Dealer weiter zu geben, kauft er direkt beim Hersteller in Asien ein und nutzt das Chaos und die Bestechlichkeit der Militärs, das Heroin direkt aus Vietnam mittels Militärmaschinen einzufliegen.
Doch die höhere Reinheit zum niedrigeren Preis bringen den Drogenboss schnell ins Visier seiner Konkurrenz und auch die korrupten Polizisten wollen ihren Anteil haben. Währenddessen erhält der Polizist Richie Roberts (Russell Crowe), der auch schon Kollegen wegen Bestechlichkeit anschwärzte, die Aufgabe, eine neue Anti-Drogen-Einheit zu gründen, um den Hintermännern den Garaus zu machen.
Er ermittelt Jahre, ehe er dahinter kommt, dass der unauffällige Frank Lucas Drahtzieher des größten Kartells ist. Doch Lucas auffliegen zu lassen ist schwer; nicht nur, dass der nach außen renommierte Gangster sich selten etwas zu Schulden kommen lässt. Bei Kollegen wie dem korrupten Detective Trupo (Josh Brolin) steht Lucas vermeintlich unter Schutz – und Roberts kämpft schon bald ebenso sehr in den eigenen Reihen ...
Kritik:
Vor wenigen Wochen erst wurde Regisseur Ridley Scott 70 Jahre alt. Ein zweifellos schönes Geburtstagsgeschenk für ihn war die Tatsache, dass sein jüngster Film, American Gangster nicht nur bei den Kritikern Anklang fand, sondern auch beim Publikum. Zwar hätte man ein höheres Einspielergebnis angesichts der hochkarätigen Besetzung erwarten können, doch ist es insbesondere der Inhalt des Chronikdramas, der insbesondere in den USA viele Zuschauer außen vor lässt.
Nicht nur, dass der grundsätzlich sehr sympathische Darsteller Denzel Washington erneut in einer für ihn untypischen Rolle zu sehen ist. Vielmehr finden viele Amerikaner auch 30 Jahre nach den Ereignissen immer noch wenig Bezug zu auf Tatsachen beruhenden Geschichten, die verdeutlichen, dass während des Vietnamkrieges viele US-Soldaten entweder den Rauschmitteln im Fernen Osten erlegen waren, oder aber mithalfen, sie ins eigene Land zu schmuggeln. Zusammen mit den Korruptionsfällen in den Reihen der Polizei und weniger Figuren, zu denen man als Zuseher einen Bezug aufbauen kann, gestaltet sich das Drama um den ehrlichen Cop Richie Roberts anfangs nur schwer zugänglich. Dafür aber umso authentischer – und erschreckender.
Zu verdanken ist dies Drehbuchautor Steven Zaillian, der für seine Arbeit bei Schindlers Liste [1993] sogar den Oscar bekam – und seither erneut nominiert wurde. Er wirft den Zuseher vom ersten Moment an in das Leben des aufstrebenden Gangsters und Drogenkönigs Frank Lucas, der Ende der 1960er Jahre das Imperiums seines Mentors übernimmt und seine Weisungen befolgt – er umgeht die Mittelsmänner bei der Drogenbeschaffung und kauf selbst direkt beim Hersteller. So einfach der Plan, so weit reichend sind die Folgen, die Lucas gesamte Familie in Beschlag nehmen und unzählige Menschen (darunter Drogensüchtige wie Konkurrenten auf dem Gebiet) das Leben kosten.
In den Schwarzen-Stadtteil Harlem trauten sich damals ohnehin nur wenige Polizisten und wenn, dann endete dies nicht selten in gewalttätigen Konfrontationen. Ebenso schwierig wie die Machenschaften der Drogenbosse sind allerdings auch die korrupten Polizisten, die sich durch alle Reihen ziehen – bevorzugt durch das Drogendezernat. Die Charakterisierungen der Nebenfiguren, die in jenen Positionen vorgestellt werden, sind überaus gut gelungen, auch wenn die Hintergründe für die Figuren etwas blass ausfallen. Hier steht eindeutig Frank Lucas im Mittelpunkt, der sein Imperium aus dem Hintergrund regiert und den einen Fehler macht, für den er seinen Bruder tadelte: er zeigt sich bei einer Boxveranstaltung zu auffällig und kommt dann erst ins Visier der Ermittler.
Eben jene Arbeit mitzuverfolgen, wie Roberts' Team die Puzzlestücke zusammensetzt und sich so immer weiter Lucas nähert, ohne ihn bislang entdeckt zu haben, machen die Faszination der gezeigten Polizeiarbeit aus. Die Verknüpfungen, Hintergründe und Zusammenhänge werden aufgezeigt, die letztliche Interpretation aber dem Zuschauer selbst überlassen – wie jene unauffällige Szene, in der Lucas wortlos seinen Pelzmantel verbrennt. Auch als Zuseher ist man häufig gefordert, die Lücken zu füllen, die Dialoge, Mimik und Gestik zu interpretieren. Und vor allem Schritt zu halten, bei den immer weiter reichenden Verstrickungen der verschiedenen Drogenkartelle.
Die Dialoge unterstützen das authentische Flair ebenso wie die Szenenabfolge und die Charakterisierungen der vielen verschiedenen Figuren. Zaillian gelingt ein erstklassiges Skript, das sich trotz epischen Ausmaßes nicht in Nebensächlichkeiten verliert, sondern jeder Szene eine Bedeutung zumisst. Die Spannung zieht es damit aus der Ermittlungsarbeit – und einigen erstklassigen Sequenzen. Entsprechend einer richtigen Chronik ist die Vorlage aber nicht Schweiß treibend spannend geraten.
Die Darsteller, allen voran die beiden Protagonisten, spornen sich angesichts der Momente und Dialoge gegenseitig zu Höchstleistungen an. Allen voran Russell Crowe, dem es nicht nur gelingt, die unter der Oberfläche liegende Unsicherheit seiner Figur bei manchen Entscheidungen zum Ausdruck zu bringen, sondern auch die Hilflosigkeit angesichts der Zuständigkeiten und der nach wie vor nicht greifbaren Hintermänner – an deren Schuld es aber nichts zu rütteln gibt.
Dem steht Denzel Washington in kaum etwas nach, auch wenn der charismatische Darsteller über weite Strecken zu sympathisch erscheint, ehe eine eiskalt ausgeführte, unerwartete und geradezu erschreckende Tat seinerseits dieses Bild wieder zerstört. Washington bringt in wenigen Bewegungen zum Ausdruck, wie der Verlust der Kontrolle über sein Leben im letzten Drittel des Films, seine Figur innerlich zerreißt – auch wenn er nach außen hin nach wie vor selbstsicher und unerschütterlich erscheinen muss.
Ergänzt werden beide Hauptdarsteller durch einen ebenso namhaften wie talentierten Cast; angefangen von Chiwetel Ejiofor als Lucas Bruder, oder Josh Brolin als korrupter Polizist. Auch die unbekannte Lymari Nadal überrascht durch ein ebenso gelungenes wie unaufdringliches Spiel. Von Ted Levine ist leider nur wenig zu sehen, ebenso von Carla Gugino, die allerdings ebenso wie Armand Assante, Joe Morton und Cuba Gooding Jr. eine gute Arbeit leistet.
Durchweg sehr gut besetzt wurde auch der gesamte Lucas-Clan, bis hin zu Ruby Dee, die Lucas Mutter verkörpert. Bis in die Nebenrollen gibt es niemanden, der nicht den hohen Erwartungen durch die Hauptfiguren gerecht werden würde.
Handwerklich kleidet Ridley Scott seinen Film zumindest farblich in die unterkühlten Blautöne der 1970er Jahre und gibt sich sonst wie gewohnt keine Blöße. Von der Eingangssequenz über die klaustrophobisch beklemmende Befreiung des abhängigen Polizisten durch Roberts zu Beginn im Armenviertel, bis hin zum Sturm auf die Drogenhöhle beim Finale gibt es nichts zu bemängeln. Die Handkameraeinstellungen werden sehr sorgfältig ausgewählt, ebenso wie die wenigen eingesetzten Zeitlupen.
Man bekommt als Zuschauer auch nicht das Gefühl, als würde Scott die Brutalität, die stellenweise sehr offen gezeigt wird, auswalzen wollen. Die schonungslose Art, wie American Gangster allerdings mit dem Thema umgeht, ist nichts für Kinder oder Jugendliche. Kamera und Schnitt harmonieren gekonnt und erwecken ebenso wie die Kulissen, Automobile und technischen Neuerungen, die nur beiläufig gezeigt werden, ein sehr glaubhaftes Flair der 70er Jahre.
Auch die musikalische Begleitung durch den in München geborenen Marc Streitenfeld, der schon seit einiger Zeit an Scotts Filmen mitgearbeitet hatte und auch für die Musik bei Ein gutes Jahr [2006] verantwortlich war, passt sich hervorragend in die Atmosphäre ein. Stellenweise erinnern die Klänge an James Newton Howard, wirken jedoch minimalistischer und ergeben zusammen mit den vielen gesungenen Songs ein sehr plastisches Bild jener Ära.
Auch Streitenfeld gelingt es gut, die Dramaturgie des Films zu unterstützen und hält sich bei vielen Momenten durch sphärische Klänge zurück, anstatt den Zuschauer mit Bombast zu überladen.
In der Vor-Produktionsphase durchlief der Film viele verschiedene Prozesse; zuerst sollte er unter der Regie von Antoine Fuqua entstehen – Washington war für die Rolle schon fest vorgesehen. Doch dann stoppte Universal das Projekt. Es wurde an Hotel Rwanda [2004]-Regisseur Terry George übergeben, der Don Cheadle für die Hauptrolle vorsah. Erneut wurde das Projekt angehalten und schließlich ein neuer Drehbuchautor, Steven Zaillian, verpflichtet. Mit ihm zusammen entwickelte Ridley Scott die Vorlage, die er mit Crowe umsetzen wollte – zusammen mit den wahren Ermittlern und Frank Lucas wurde der Film schließlich auch realisiert.
Vielleicht liegt ja daran der enorme Grad and Realismus, den American Gangster versprüht. Die Handlungen der Figuren sind dabei so unberechenbar wie erschreckend. Aber nichts desto weniger glaubwürdig. Dank der exzellenten Darsteller, des sehr guten Drehbuchs und der tadellosen Umsetzung verbirgt sich hinter Ridley Scotts Drama ebenso eine Charakter- wie eine Milieustudie der 70er Jahre.
Tragisch ist nur, wie wenig das heutige Bild vermutlich abweichen wird.
Fazit:
Dass der britische Regisseur Ridley Scott zu den besten seines Fachs gehört, ist unbestritten. Dies zeigen unter anderem seine vielen preisgekrönten Filme, bei denen nicht zwangsläufig er selbst geehrt wurde. Er versteht es, seine Schauspieler und Crew zu Höchstleistungen anzuspornen, ohne sie gegeneinander auszuspielen.
Selbiges gelingt ihm auch in American Gangster, der funktioniert, ohne dass sich Denzel Washington und Russell Crowe in den ersten zwei Stunden überhaupt zu sehen bekommen. Von den hervorragenden Leistungen der beiden Protagonisten abgesehen überzeugen auch die anderen Beteiligten, ebenso wie die einwandfreie Inszenierung und die vielen Kleinigkeit, die ein authentisches New York der 1970er Jahre erzeugen.
Inhaltlich ist die Chronik des Drogenbosses Frank Lucas mit Sicherheit nicht sehr einfach, zumal auch hier deutlich wird, wie wenig ein Menschenleben in jenem Milieu wert ist; doch bietet sie immerhin einen richtigen Abschluss. Dass dieser zu milde ausfällt, liegt allerdings an den Gerichten und nicht an dem sehr gut gelungenen Crime-Drama.