AIR - Der große Wurf [2023]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. März 2023
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Air
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Ben Affleck
Musik: Paul Haslinger
Besetzung: Matt Damon, Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Messina, Marlon Wayans, Chris Tucker, Viola Davis, Julius Tennon, Matthew Maher, Tom Papa, Joel Gretsch, Gustaf Skarsgård, Barbara Sukowa, Jessica Green, Dan Bucatinsky


Kurzinhalt:

Im Jahr 1984 sieht sich Sportartikelhersteller Nike unter Leitung des CEO Phil Knight (Ben Affleck) schweren Zeiten gegenüber. Der Absatz stagniert oder ist dank Konkurrenten wie Adidas und Converse sogar rückläufig. Insbesondere die Sparte der Basketballschuhe ist ein Verlustgeschäft und es gelingt auch dem Talent Scout Sonny Vaccaro (Matt Damon) nicht, junge Spieler für Nike-Schuhe zu gewinnen. Dabei hat Sonny einen ganz bestimmten Spieler im Auge: Den jungen Michael Jordan, der sowohl von Converse wie auch von Adidas für einen Vertrag umworben wird. Nicht nur bei Phil stößt Sonnys Vorschlag auf Ablehnung, auch Marketing-Spezialist Rob (Jason Bateman) und Howard White (Chris Tucker) sind dagegen. Immerhin war Jordan bereits ein Angebot unterbreitet worden, das er ablehnte. Doch Sonny will nicht nur einen Sportler mit einem Schuh ausstatten, er will, dass der Schuh vom Sportler inspiriert wird. So umgeht er Jordans Manager David Falk (Chris Messina) und wendet sich direkt an Michaels Familie, Mutter Deloris (Viola Davis) und Vater James Senior (Julius Tennon). Es ist eine Wette, die nicht nur Sonny den Job kosten kann, sondern die ganze Abteilung …


Kritik:
Inspirierende Sportfilme sind in Hollywood keine Seltenheit. Sowohl solche, die auf wahren Begebenheiten basieren als auch solche, die frei erzählt sind. Ben Afflecks AIR - Der große Wurf ist ein Sportfilm ohne Spielszenen und ein Sportlerporträt, ohne dass die den Titel prägende Basketballlegende überhaupt zu sehen wäre. Es ist eine Geschichte über einen Sportartikelhersteller und eine Zusammenarbeit, die beide Parteien groß gemacht hat. Das Ergebnis ist weniger inspirierend, als fantastisch atmosphärische Unterhaltung.

Das Jahr 1984 hat Sportschuhhersteller Nike stark zugesetzt. Die Milliarden schwere Firma hat Verlust eingefahren und musste ein Viertel der Belegschaft entlassen. Mitbewerber wie Converse und Adidas sind sowohl im Sportbereich wie auch bei den regulären Kundinnen und Kunden beliebter. Sonny Vaccaro ist einer von mehreren Talent Scouts der Firma, die junge Basketballspieler anwerben sollen, Nike-Schuhe zu tragen, um die Marke bei der Käuferschaft beliebter zu machen. Aufstrebende Talente können sich solche Werbeverträge aussuchen und das Budget im Basketballbereich bei Nike ist knapp, denn ein Großteil des Umsatzes wird mit Laufschuhen gemacht. Vaccaro sieht großes Potential in dem jungen und aufstrebenden Spieler Michael Jordan, der jedoch aus persönlichen Gründen Adidas verhaftet ist und mehr Geld verlangen würde, als Nike als Gesamtbudget für das Sponsoring in diesem Sportbereich vorhält und für das für gewöhnlich drei Spieler unter Vertrag genommen werden. Doch Sonny bleibt hartnäckig, geht sogar einen Schritt, der in dieser Branche verpönt ist und kontaktiert über den Kopf von Jordans Manager hinweg dessen Familie. Ihm schwebt eine neue Art der Zusammenarbeit vor, bei der nicht der Sportler den Schuh bewirbt, sondern Nike einen Schuh fertigt, der vom erst 21 Jahre jungen Michael Jordan inspiriert ist. Dafür setzt er seine Karriere und diejenigen der gesamten Basketball-Abteilung bei Nike aufs Spiel.

Es sollte noch lange dauern, ehe Michael Jordan mit den Chicago Bulls seinen ersten NBA-Titel gewinnen sollte, zu denen er in jenem Jahr stieß. Seine Karriere ist – ebenso wie seine Kooperation mit Sportartikelhersteller Nike – inzwischen Geschichte und Nike Air ebenso wie Nike Air Jordan aus der Mode- und Sportwelt kaum wegzudenken. AIR - Der große Wurf schildert die Entstehung dieser Zusammenarbeit als ein Weg voller Widrigkeiten, denen sich Sonny Vaccaro damals gegenübersah. Selbst ein Glücksspieler, der nicht rechtzeitig aufhört, setzt er alles auf eine Karte, darauf, dass es ihm gelingt, ein aufstrebendes Basketball-Talent, dessen Name noch nicht in dem Maße bekannt ist und der sich im Zweifel im nächsten Spiel bei einer Bewegung das Kniegelenk und die Karriere kaputt machen könnte, für Nike gewinnen zu können. Anstatt das mit einer Reihe gedämpfter Meetings und Gespräche zu erläutern, wirft sich Filmemacher Affleck vom ersten Moment an in jene Zeit mit einem Vorspann, der das Publikum unmittelbar in den Beginn der 1980er-Jahre katapultiert, während Dire Straits’ „Money for Nothing“ aus den Lautsprechern klingt (das an sich erst 1985 veröffentlicht wurde).

Doch während viele damals spielende Produktionen von heute bewusst und beinahe verkrampft den Charme jener Zeit heraufbeschwören wollen, geschieht das bei AIR - Der große Wurf nicht zum Selbstzweck, sondern als Hintergrund, als Leinwand auf der die Story erzählt wird. Denn die Geschichte selbst lebt von einer Leichtigkeit, die dem Publikum von den ersten Minuten an ein Lächeln ins Gesicht zaubert und zu Momenten wie denjenigen zwischen Matt Damon als Sonny und Viola Davis als Jordans Mutter Deloris führt, die von erstklassigen Dialogen getragen sind. Das Highlight ist das Treffen mit der Familie selbst, das insgesamt fantastisch geschrieben ist und mit einer Collage aufwartet, die andeutet, was Michael Jordan in seinem beruflichen wie privaten Leben erwarten und welche Bedeutung der Ausnahmesportler auch Jahre nach seinem Karriereende einnehmen wird. Diese Momente sind getragen, aber nicht schwermütig, inspirierend, aber nicht belehrend.

Dass es AIR - Der große Wurf vermeidet, die Ikone überhaupt zu zeigen, zeugt vom Respekt, den die Verantwortlichen vor ihr haben. Insoweit setzen sie hier allen ein gelungenes Denkmal, die damals beteiligt waren, eine Marke zu etablieren, die nicht nur heute noch relevant ist, sondern deren Auswirkungen der Beteiligung der Sportlerinnen und Sportler an den Erfolgen der Marken, die sie repräsentieren, die Geschäftslandschaft maßgeblich geprägt hat. Das ist nicht nur überaus unterhaltsam anzusehen, es ist auch einfach schön.


Fazit:
Da Basketball hierzulande als Sport nicht so beliebt oder relevant ist wie beispielsweise in den USA, haben es solche Filme bedauerlicherweise eher schwer, ein Publikum zu finden. Dabei gelingt Regisseur Ben Affleck ein Sportfilm, bei dem es nicht vorrangig um den Sport geht und dessen Geschichte doch die Sportwelt nachhaltig geprägt hat. Es ist eine inspirierende Story, die sich der überlebensgroßen Ikone Michael Jordan ein Stück weit nähert, ohne dass er allein im Zentrum steht. Nicht nur auf Grund des hervorragend getroffenen Zeitkolorits (auch durch einen grandiosen Soundtrack) zaubert einem das durchweg ein Lächeln ins Gesicht. AIR - Der große Wurf ist mit tollen Dialogen veredelt und teilweise extrem witzig. Die gleichermaßen erstklassige Besetzung um Matt Damon, Viola Davis und Ben Affleck selbst, neben einem zurückhaltenden Jason Bateman, der einen fantastischen Moment zugeschrieben bekommt, rundet einen Film ab, der durch seine Stimmung gleichermaßen überzeugt. Kaum ein Kinofilm hat zuletzt ein solch ansteckendes Gute-Laune-Gefühl erzeugt und erst dann merkt man, wie sehr einem das gefehlt hat.