7 Tage in Entebbe [2018]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 12. April 2018
Genre: Drama / Thriller / KrimiOriginaltitel: 7 Days in Entebbe
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: José Padilha
Musik: Rodrigo Amarante
Darsteller: Rosamund Pike, Daniel Brühl, Lior Ashkenazi, Eddie Marsan, Ben Schnetzer, Mark Ivanir, Denis Ménochet, Juan Pablo Raba, Angel Bonanni, Nonso Anozie, Brontis Jodorowsky, Peter Sullivan
Kurzinhalt:
Am 27. Juni 1976 entführen Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) und Wilfried „Boni“ Böse (Daniel Brühl) ein Air France-Flugzeug auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris mit mehr als 250 Passagieren an Bord. Zusammen mit zwei Terroristen einer Palästinensischen Befreiungsfront zwingen sie die Maschine zur Landung in Entebbe, Uganda und fordern von Israel neben Lösegeld die Freilassung von inhaftierten Palästinensern für die israelischen Geiseln. Dort sind Premier Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) schon deshalb die Hände gebunden, weil Israel generell Verhandlungen mit Terroristen verweigert. Während er selbst Gesprächen zumindest nicht abgeneigt ist, lässt Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) von General Motta Gur (Mark Ivanir) ein Sonderkommando eine Befreiungsaktion planen. Je näher das von den Entführern gesetzte Ultimatum rückt, umso auswegloser erscheint die Situation, wobei Böse zunehmend Zweifel an der Aktion kommen …
Kritik:
Gibt Filmemacher José Padilha bei seiner Nacherzählung der im Sommer 1976 stattgefundenen Entführung der Air France-Maschine 139 beim Flug von Tel Aviv nach Paris durch zwei deutsche sowie zwei Terroristen der Gruppe „Volksfront zur Befreiung Palästinas – Auswärtige Operationen“ (PFLP-EO) an, sie sei lediglich von den wahren Ereignissen inspiriert, dämpft das die Erwartungen. Es klingt, als hätte man sich viele Freiheiten genommen. Doch besitzt das hervorragend ausgestattete und packend gespielte Thriller-Drama 7 Tage in Entebbe eine Authentizität und Aktualität, die es sehenswerter macht als viele andere.
Der Flug, den die vier Entführer nach einer Zwischenlandung in Athen am 27. Juni 1976 kapern, ist einer wie jeder andere. An Bord sind mehr als 250 Passagiere und Crew unterschiedlichster Nationalitäten. Ziel der Entführer ist es, vor allem mit den israelischen Passagieren als Geiseln die Freilassung von 53 palästinensischen Gefangenen und fünf Millionen Dollar Lösegeld von Israel zu erzwingen. Dafür landen sie in Uganda und bringen die Passagiere im Terminal des Flughafens von Entebbe unter. Doch Israel weigert sich, auf Verhandlungen mit Terroristen einzugehen. Als sich nicht nur der internationale Druck auf die israelische Führung zuspitzt, steigen auch die Spannungen unter den Entführern.
Denn während die beiden deutschen Entführer der linksextremistischen Bewegung Revolutionäre Zellen im Flugzeug noch die Kontrolle hatten, übernehmen die Männer des PFLP-Anführers Haddad am Boden, mit Unterstützung von Truppen des ugandischen Präsidenten Idi Amin. Auf engstem Raum zusammengepfercht und mit der Aussicht, jüdische Passagiere exekutieren zu müssen, kommen Böse, der zunehmend Mitgefühl mit den Opfern der Entführung zeigt, Bedenken ob sie nicht als Nazis gesehen werden, wo sie doch an sich genau dem entgegengesetzten politischen Spektrum angehören.
Gleichzeitig bereitet der israelische Verteidigungsminister Shimon Peres entgegen der Bedenken von Premierminister Yitzhak Rabin eine militärische Befreiungsaktion vor. Dass dabei die staatliche Souveränität Ugandas verletzt würde, nimmt er in Kauf und fasst Rabins Offenheit, Gespräche mit den Palästinensern führen zu wollen, als Torheit und womöglich sogar Schwäche auf.
Die Szenen zwischen den beiden israelischen Staatsmännern zählen zu den Glanzlichtern des Dramas und sind ein Plädoyer für das Aufeinanderzugehen in einer Welt, in der Konflikte meist mit Waffen anstatt mit Worten gelöst werden. Auch wenn die politische Situation zwischen Israelis und Palästinensern heute bedauerlicherweise ebensowenig gelöst ist wie vor mehr als 40 Jahren, tut Regisseur Padilha gut daran, die Hintergründe eingangs zumindest in Kurzform darzustellen. Dabei stellt er die unterschiedlichen Fronten, sogar diejenige der deutschen Terroristen vor, ohne jedoch Position zu beziehen oder den Kampf für ihre jeweilige Sache zu verurteilen. 7 Tage in Entebbe bleibt neutral und wertfrei, was die Aussage am Ende umso wirkungsvoller macht.
Dabei sucht sich der Filmemacher für die zahlreichen Storystränge Figuren, die er im Laufe immer wieder zeigt. Sei es die Familie bei den entführten Passagieren oder Zeev Hirsch als Mitglied des Sonderkommandos „Operation Thunderbolt“, das die Erstürmung des Flughafens vorbereitet.
Beim Finale bringt er diese unterschiedlichen Blickwinkel, begleitet von der Choreografie einer Tanzgruppe, schließlich zusammen und erzeugt eine mitreißende und mit hervorragenden Perspektiven bebilderte Sequenz. Von der erstklassigen Besetzung bleiben sowohl Rosamund Pike mit einer großartigen Szene, in der sie die verzweifelte Überzeugung ihrer Figur bei einem Telefonat zum Ausdruck bringt, als auch Daniel Brühl mit Böses wachsenden Zweifeln in Erinnerung. Aber auch Eddie Marsan als Shimon Peres und Lior Ashkenazi als Yitzhak Rabin sind nicht minder beeindruckend. Ihr letztes kurzes Gespräch bringt als Schlussdialog im Film eine wichtige und so traurige Wahrheit auf den Punkt, dass es auch nach dem Ende des Films noch nachwirkt.
Fazit:
Obwohl der Ausgang der Entführung bekannt ist, schmälert das nicht die emotionale Wirkung, das Geschehen nochmals thematisiert zu sehen. Was der Film dabei großteils außer Acht lässt ist das offizielle politische Tauziehen der beteiligten Nationen während der siebentägigen Entführung. Stattdessen konzentriert sich 7 Tage in Entebbe auf die Situation im Terminal vor Ort und die Vorbereitung der militärischen Operation auf Seiten Israels. Das ist zwar ruhig, aber nicht weniger dicht oder packend erzählt, wozu neben der hervorragenden Besetzung auch der mitreißende Aufbau und die passenden Archivaufnahmen beitragen. Atmosphärisch und authentisch ist dies kein Action-Thriller, aber ein starker und wichtiger Film mit einer bedeutenden Botschaft, dem es gelingt, alle Seiten, ihre Überzeugungen und Zerwürfnisse vorzustellen, ohne Stellung zu beziehen oder zu verurteilen. So bleibt man Beobachter der Geschichte mit der Aufforderung, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Das sehenswerte Lehrstück über die Alternativlosigkeit des Dialogs verdient dabei das „Prädikat besonders wertvoll“ in der Tat. José Padilhas Thriller-Drama mag von den wahren Ereignissen nur inspiriert sein, aber es könnte sich wirklich zugetragen so haben. Und es wäre an der Zeit, dass wir endlich daraus lernen.