Dan Brown: "Origin" [2017]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Dezember 2017
Origin-Cover
Urheberrecht des Covers liegt bei
Bastei Lübbe AG
ISBN: 978-3-431-03999-3 (Hardcover); Preis € (D) 28,00
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Verwendet mit freundlicher Genehmigung.
Autor: Dan Brown

Genre: Thriller / Science Fiction

Originaltitel: Origin
Originalsprache:
Englisch
Gelesen in:
Englisch
Ausgabe:
Gebundene Ausgabe
Länge:
461 Seiten
Erstveröffentlichungsland:
USA
Erstveröffentlichungsjahr:
2017
Erstveröffentlichung in Deutschland:
2017
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe):
978-0-5930-7875-4


Kurzinhalt:

Bei einem geheimen Treffen mit dem katholischen Bischof Antonio Valdespino, Rabbi Yehuda Köves und dem Imam Syed al-Fadl informiert der milliardenschwere Erfinder, Atheist und Futurist Edmond Kirsch die Glaubensvertreter, was für bahnbrechende Entdeckungen er zum Ursprung des Lebens gemacht hat. Er plant, seine Erkenntnisse bei einer medienwirksamen Präsentation im Guggenheim-Museum in Bilbao mit der Welt zu teilen. Als der Termin näherrückt, werden zwei der gläubigen Männer ermordet und Harvard-Professor Robert Langdon, der eigens für die Präsentation seines einstigen Studenten nach Spanien gereist ist, muss mit ansehen, wie auch Kirsch einem Attentat zum Opfer fällt. Zusammen mit der Museumskuratorin Ambra Vidal macht er sich auf, Edmonds letzten Willen umzusetzen und für die Veröffentlichung der Präsentation zu sorgen. Aber nicht nur, dass sie hierfür ein spezielles Passwort benötigen, zu dem Edmond im besten Fall grobe Hinweise hinterlassen hat, der Attentäter ist darauf aus, mit allen Mitteln geheim zu halten, was Kirsch entdeckt hat. Darüber hinaus stellt sich Langdon und Vidal die Königliche Garde in den Weg, darauf aus, Ambra, die Verlobte des thronfolgenden Prinzen Julián, zu beschützen. Ihr einzig Verbündeter scheint Winston, ein von Edmond entwickeltes Computerprogramm …


Kritik:
In Origin begibt sich Autor Dan Brown mit seiner unter anderem aus Sakrileg [2003] bekannten Hauptfigur, dem Harvard-Professor und Symbologen Robert Langdon, auf die Suche nach dem Ursprung des Lebens. Dabei stellt er sich der Frage, ob es hierfür einer göttlichen Fügung bedarf und inwieweit eine negative Antwort die Religionen der Welt erschüttern könnte. Zwar rückt er letztendlich keine bahnbrechend neuen Theorien in den Mittelpunkt, verpackt sie jedoch wie gewohnt in eine Schnitzeljagd, während der man interessante Hintergründe und Details über Kunst, Architektur und moderne Technologie erfährt. Doch so unterhaltsam dies alles ist, es ist nur selten wirklich packend.

Angesiedelt in Spanien, spielt sich die gesamte Geschichte wie gewohnt innerhalb einer Nacht ab, in welcher der Futurist und enge Freund von Robert Langdon, Edmond Kirsch, eine Präsentation halten und mit dieser die Welt für immer verändern wollte. Doch Kirsch wird von einem Attentäter ermordet und während Langdon zusammen mit der Museumsleiterin Ambra Vidal verzweifelt versucht, Kirschs automatisierten Vortrag dennoch zu starten, werden sie von der spanischen Königlichen Garde gejagt, die darum bestrebt ist, die künftige Königin zu beschützen – Ambra ist mit Thronfolger Prinz Julián liiert. Abgesehen davon hat sich gleichzeitig der Attentäter an ihre Fersen geheftet.
Das klingt etwas erzwungen, deckt jedoch noch nicht einmal ab, was in Origin bei diversen Nebenhandlungen geschieht. Diese umfassen den Thronfolger selbst, der sich augenscheinlich in den Fängen des erzkonservativen Bischofs Valdespino befindet. Aber auch der Auftragsmörder erhält eine Hintergrundgeschichte, die ihn gleichermaßen als Opfer zeichnet, während Edmond Kirschs größte Errungenschaft, die fortschrittliche Künstliche Intelligenz Winston, den Aspekt des "Techno-Thrillers" übernimmt.

Es klingt beinahe, als würde Autor Dan Brown zu den Wurzeln seines Erstlings Diabolus [1998] zurückkehren, so dass die Möglichkeiten der Technik ebenso im Zentrum stehen, wie ihre Gefahren. Doch ist dies nur ein Aspekt von Origin. Im Kern folgt der Roman demselben Schema der übrigen Abenteuer um Robert Langdon. Die Tatsache, dass die Arbeits- und Erzählweise des Autors bereits bekannt sind, heißt jedoch nicht, dass es nicht funktionieren würde. Im Gegenteil. Die erste Hälfte des Buches vergeht nicht nur wie im Flug, die Informationen, die Brown über das spanische Königshaus und dessen Zukunft, die Franco-Diktatur und ihr Erbe in Spanien einstreut, verleihen der Geschichte ein überraschend aktuelles Gewicht. Weshalb Langdons ehemaliger Student und technologisches Wunderkind Edmond Kirsch einer posthumen Veröffentlichung seiner Präsentation solche Steine in den Weg legen sollte, wenn dies wie bei einem anderen Storyelement geschehen, mittels Zeitverzögerung automatisch geschehen könnte, erschließt sich jedoch nicht und lässt die gesamte Story bei zu naher Betrachtung in sich zusammenfallen.

Hierüber sollte man nicht allzu sehr nachdenken, sondern sich stattdessen darauf konzentrieren, was der Autor mit der die Weltreligionen erschütternden Veröffentlichung aussagen will. Dieser Aspekt ist erfreulich gelungen und hält am Ende – wie bereits in Das verlorene Symbol [2009] geschehen – eine positive Botschaft bereit. Allerdings fühlt sich die Art und Weise, wie die Präsentation veröffentlicht wird, schlicht unpassend an. 70 Seiten vor Ende des Romans endet die Hetzjagd für Symbologe Robert Langdon und Ambra Vidal. Es ist, als würde der Erzählfluss beinahe zum Erliegen kommen, während (minimaler Spoiler voraus) die Figuren ebenso wie die Leserschaft Kirschs Entdeckungen lauschen. Diese ziehen sich auch erstaunlich lange, ungeachtet der inhaltlichen Qualität. Wer allerdings auf eine letzte Konfrontation der beiden sympathischen Charaktere mit ihren Verfolgern hofft, der wird überrascht feststellen, dass diese bereits in einem Moment stattgefunden hatte, der sich im Grunde mehr wie ein Zwischenstopp statt ein Finale anfühlte.

Seine Leserschaft über die Seiten zu hetzen, ist Autor Dan Brown in seinen vergangenen Werken jedenfalls besser gelungen, sowohl über die gesamte Laufzeit als auch bis hin zu den letzten Kapiteln. Das liegt allerdings ebenso daran, dass er die Geschichte in Origin auf mehr Figuren als bislang aufteilt. Das erweckt stellenweise gar den Anschein, als wäre Robert Langdon nur ein Nebencharakter, statt die eigentliche Hauptfigur. Wie in seinen vergangenen Werken verpackt Brown sein Abenteuer in kurze, knackige Kapitel. Das erhöht zum einen den Lesefluss, sorgt andererseits mit den jeweils offenen Enden gleichzeitig dafür, dass man auch das nächste Kapitel noch liest. Es ist ein Markenzeichen, auf das der Bestsellerautor ebenso zurückgreift, wie auf viele Klischees seiner vorigen Bücher. Angefangen vom instrumentalisierten Attentäter, der von einer grauen Eminenz gelenkt wird und dessen Überzeugungen gegen ihn verwendet werden, über die im Fokus stehenden Glaubensgemeinschaften, bis hin zu den Rätseln, die es für Symbologe Robert Langdon zu lösen gilt. Ohne den gesamten Handlungsstrang um die spanische Thronfolge wäre der Roman allerdings nicht nur bedeutend kürzer, sondern auch packender ausgefallen.
In der vorliegenden Fassung bietet er nach wie vor gute Unterhaltung, die in manchen Momenten zum Nachdenken anregt. Aber er ist weder so mitreißend wie Langdons bisherige Abenteuer, noch wirkt er hinsichtlich der vorgestellten Architektur oder Kunst auf so komplexe Weise aufwendig. Vor allem verrät er keine neuen Aspekte über die Hauptfigur selbst. Angesichts der interessanten und hörenswerten Aussage sowohl in Bezug auf den immer noch verbreiteten Kreationismus als auch die Möglichkeiten modernster Computerforschung ist das Buch schließlich auch eines: Eine verpasste Chance.


Fazit:
Es gibt zahlreiche Momente bei Robert Langdons fünftem Romanauftritt, die mir überaus gut gefallen haben und auch die geführte Tour durch Barcelona oder die Vorstellung von Werken Antoni Gaudís wie die Casa Milà oder die Sagrada Família, sind im besten Sinne inspirierend. Nur erscheint die Schnitzeljagd, die es zu bewältigen gilt, um den letzten Willen des fortschrittlichen Edmond Kirsch zu erfüllen, im Aufbau beinahe zu einfach und gleichermaßen erzwungen. So interessant es ist, Langdon und Ambra Vidal auf ihrem Weg zu folgen, ihre Verfolger sind Ihnen nur selten dicht auf Fersen, woraufhin sie nie wirklich außer Puste kommen. Sieht man sich zusätzlich noch den Umstand an, dass Brown seiner Leserschaft gewissermaßen ein mitreißendes Finale vorenthält und stattdessen einen Epilog bietet, der 15 % des gesamten Romans umspannt, dann erfüllt dies ungeachtet der inhaltlichen Aussagen nicht die gehegten Erwartungen. Origin ist ein Roman, bei dem Kenner und Fans des Harvard-Professors Vieles wiederentdecken werden, was die bisherigen Bücher so erfolgreich gemacht hat. Nur gelingt es Dan Brown nie, an diese Momente in letzter Konsequenz heranzureichen, geschweige denn, sie zu übertreffen. Die Botschaft am Ende veredelt die Geschichte durchaus, selbst wenn die nachgeschobene Auflösung um den ominösen Strippenzieher weit absehbar ist, nur rückt hier wie auch zuvor durch die vielen Storytränge die eigentliche Hauptfigur sehr stark in den Hintergrund. All das schmälert nicht den Unterhaltungswert, aber es sorgt dafür, dass dieses Abenteuer nicht nur Robert Langdons bisher schwächstes ist, es ist am Ende auch etwas enttäuschend.