Dan Brown: "Illuminati" [2000]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Juli 2004
Autor: Dan Brown

Genre: Thriller / Science Fiction

Originaltitel: Angels & Demons
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Paperback
Länge: 569 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2000
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2003
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-671-02736-0


Kurzinhalt:
Der Physiker Leonardo Vetra wird in seinem Labor der Forschungseinrichtung CERN in der Schweiz brutal ermordet; der Leiter der Einrichtung, Maximilian Kohler, holt den amerikanischen Harvard-Professor und Symbolisten Professor Robert Langdon in die Schweiz, um das Opfer zu untersuchen, denn auf Vetras Brust wurde ein Emblem eingebrannt, zu dessen Klärung Kohler die Hilfe des Professors benötigt.
Als er in der Schweiz eintrifft, findet Langdon verstörende Hinweise darauf, dass eine Jahrhunderte alte Bruderschaft, die Illuminati, wieder aktiv geworden ist. Zusammen mit Vetras Tochter Vittoria reist Langdon nach Rom, denn ein Behälter mit einer neuen Waffe, die aus dem CERN-Laboratorium entwendet wurde, scheint sich in einem der unerwartetsten Orte zu befinden, den man sich vorstellen kann.
Vittoria und Robert bleiben weniger als 24 Stunden, um die scharfe Bombe zu finden; und überdies müssen sie einen Mörder ausfindig machen, der ihnen immer einen Schritt voraus scheint ...


Kritik:
Mit Illuminati gelang Autor Dan Brown ein Phänomen: Er selbst wurde auf die Story aufmerksam, als er in Rom an einer Tour teilnahm, die durch einen geheimen Gang unterhalb von Vatikanstadt führte. Daraus schuf Brown einen Science-Fiction-Thriller mit einer dichten, unheimlich spannenden Story und sympathischen Charakteren.
Drei Jahre später, 2003 veröffentlichte er einen zweiten Roman mit Hauptcharakter Robert Langdon – The Da Vinci Code wurde sogar noch erfolgreicher als sein Vorgänger, stand Monate lang auf Platz 1 der New York Bestseller-Liste und war das meistgelesene Buch des Jahres.

Im Vorgänger Illuminati widmet sich Brown einem Thema, das brisanter nicht sein könnte, er verbindet dabei Elemente einer längst vergangenen Zeit mit aktuellem und futuristischem Bezug. Maßgeblich beeinflußt von spirituellen Inhalten wirft Brown auch einen Blick hinter die Vorhänge des Vatikan und zeigt die Machenschaften in Vatikanstadt auf eine Art und Weise, wie sie sich viele Menschen in ihren schlimmsten Träumen vorstellen, aber kaum jemand offen auszusprechen gedenkt. Hier übertreibt er in vielerlei Hinsicht zweifelsohne, auch wenn die katholische Kirche in der Vergangenheit bewiesen hat, dass sie für die Erhaltung ihrer Macht über Leichen geht und alles daran setzt, ihre Geheimnisse zu bewahren.
Aber während es für den interessierten Leser einfach faszinierend ist, den Personen durch verborgene Gänge in die Archive des Vatikan zu folgen, ja die Paläste und Räume einmal von innen zu "sehen", so beeindruckt in gleichem Maße auch die akkurate Beschreibung Browns was viele Traditionen und Personen des Vatikan angeht. So wird im Roman ein neuer Papst gewählt, ein Vorgang, den viele Katholiken nur wenige Male in ihrem Leben miterleben dürfen – und selbst wenn, dann ist den wenigsten bekannt, wer den Papst eigentlich wählt, in welchen Räumen das geschieht, und dass der Vorgang an uralte Bräuche geknüpft ist, die selbst heute noch eingehalten werden. Der Blick, den der Autor hinter die Türen des Oberhaupts der Katholischen Kirche wirft, ist schlichtweg fesselnd; von vielen Figuren innerhalb des kleinsten Staates der Welt haben viele Gläubige sicher noch nie gehört, und auch von der Schweizer Garde, die den Papst und seine Untergebenen bewacht, sieht man – abgesehen von ihren Auftritten bei den Oster- und Weihnachtsgrüßen – sonst nicht viel.
Der Detailgrad, mit dem Brown hier zu Werke geht, ist beeindruckend, noch überraschender aber, mit welch genauen Beschreibungen er den Leser direkt nach Rom in die verschiedensten Kathedralen, Kirchen und Gewölbe lockt. Seine Beschreibung der Architektur und der Wege ist so präzise, dass man gar nicht anders kann, als sich die Gegebenheiten bildlich vorzustellen.
Die Hintergrundbeschreibungen zu der Geschichte der einzelnen Bauwerke, ihre Veränderungen während der Zeit und der Herrschaft der verschiedenen Päpste sind nicht weniger interessant und sorgen häufig für unverständiges Kopfschütteln – wobei letzteres einzig und allein an der Richtigkeit von Browns Recherchen liegt.
Dass seine Verschmelzung der "alten Welt" mit der neuartigen Technik, die in CERN tatsächlich entwickelt wird, so gut funktioniert, mag auf den ersten Blick verwundern, spiegelt aber gleichzeitig genau die Kernaussage seines Romans wieder.
Inhaltlich gelingt ihm eine innovative Ausgangslage, die er mit zahlreichen überraschenden Wendungen versieht – wenngleich es zum Schluss hin vielleicht ein oder zwei zu viel sind – und damit den Leser immer zum Umblättern und Weiterlesen animiert. Dass der Roman bisweilen recht brutal geraten ist, liegt in der Natur der Thematik, allerdings scheint der Autor diese Sequenzen nicht in dem Maß auszukosten, wie man es von manch anderen Schreibern gewohnt ist.
Wer den Ammenmärchen Glauben schenkt, dass sich hinter Illuminati eine Hetzkampagne gegen die Katholische Kirche verbirgt, irrt gewaltig. Nicht nur, dass der Autor selbst bekennender Katholik ist, er stellt im Roman außerdem eindeutig klar, dass die Kirche ansich etwas Wichtiges und Wertvolles ist; sie gibt den Gläubigen Halt und ist gerade in unserer Zeit unverzichtbar – und doch sollte sie sich nicht anmaßen, die Wissenschaft zu denunzieren, sondern versuchen, in Einklang mit ihr zu existieren. Und die historischen Fakten, die Dan Brown in Bezug auf die unrühmlichen Taten der Katholischen Kirche in der Vergangenheit erwähnt, sind eben das: Historische Fakten, an denen sich nichts drehen lässt. Dazu sollte man auch in Rom stehen, anstatt Wissenschaftler wie Galileo Galilei erst nach Jahrhunderten nur in einer Fußnote rehabilitieren zu wollen.

Die Figuren, mit denen Brown seinen Leser konfrontiert, könnten dabei unterschiedlicher kaum sein; mit Robert Langdon schuf er einen sympathischen Hauptcharakter, bei dem Zurückhaltung und Skeptik ebenso überzeugen, wie seine fast schon kindliche Begeisterung, je näher er sich der Lösung des Rätsels begibt. Einen Vergleich mit Indiana Jones muss er dabei nicht scheuen, obgleich er grundsätzlich etwas anders angelegt ist.
Vittoria Vetra hat glücklicherweise eine weitaus größeren Anteil, als den des beschützenswerten kleinen "Frauchens" und hinterlässt einen ebenso positiven Eindruck.
Was den Leser insbesondere hinsichtlich der Nebencharaktere beeindruckt, ist die Tatsache, dass beinahe allen letztlich eine Motivation mitgegeben wird, auch wenn ihre Entscheidungen auf den ersten Blick noch so unverständlich erscheinen mögen. Ihre Handlungen sind niemals willkürlich, sondern entspringen immer einem eindeutigen Beweggrund.

Der Aufbau von Angels & Demons – so der deutlich passendere Original-Titel, immerhin wird die eigentliche Rolle der Illuminati in den letzten 100 Seiten deutlich – ist sehr gelungen; bereits zu Beginn weckt der Autor das Interesse des Lesers und bedient sich während des gesamten Romans der ansich recht einfachen, aber effektiven Technik, mit einem letzten Twist in den letzten Zeilen des Kapitels gleich zum Weiterlesen des nächsten zu animieren.
Je näher die Stunde Null rückt, desto schneller wird das Erzähltempo; dennoch nimmt sich Dan Brown immer die Zeit, die Umgebung zu beschreiben, um dem Leser ein genaues Bild der Szenerie zu geben. Man mag im ersten Moment denken, dass der Roman fast 100 Seiten zu lang geraten ist, immerhin scheint die Hauptstory bereits zu Ende – doch dahingehend sollte man den Autor nicht unterschätzen: Bis zur letzten Seite bleibt Illuminati spannend und lesenswert.
Auch das Finale enttäuscht nicht im Geringsten, sondern erwächst in gewissem Sinne auf natürliche Weise der Story, ohne aufgesetzt zu wirken. Gleichwohl deutlich actionreicher als man es erwartet hätte, sind es gerade die Storytwists nach dem vermeintlichen Finale, die einen nochmals "wachrütteln".

Speziell herausgestellt seien bei Illuminati darüber hinaus die im Buch beschriebenen und auch abgedruckten Ambigramme. Hinter einem Ambigram verbirgt sich ein Wort, das man auf den Kopf gedreht ebenso lesen kann, wie in der normalen Lage. Insgesamt fünf Zeichnungen dieser Art erschuf der Zeichner John Langdon für den Roman und kreierte damit die zweifelsohne faszinierendste und malerischste Schrift, die man sich überhaupt vorstellen kann. Allein diese Ambigramme sind ansich schon den Kauf des Buches wert.

Während sich Angels & Demons auch auf Englisch sehr schnell liest, ist der Roman zweifellos nicht für jedes Alter gedacht. Gerade um der komplexen Story und den Verstrickungen innerhalb des Vatikans folgen zu können, sollte man sich nicht nur mit der Thematik bereits beschäftigt, oder zumindest Interesse daran gezeigt haben, man könnte sogar sagen, dass der geneigte Leser mindestens 15 Jahre alt sein sollte, wenn nicht älter. Dies ist schon aufgrund der bisweilen nicht gerade zimperlichen Gewaltdarstellungen zu empfehlen.
Anspruchsvoll ist der Roman gerade insofern, als dass die örtlichen Beschreibungen der Kathedralen und Straßen Roms sehr viel Phantasie verlangen, um in der Vorstellung lebendig zu werden. Und nach der zigten Wendung in der Geschichte, könnte man als unaufmerksamer Leser schon mal den Faden verloren haben.


Fazit:
Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass Illuminati mich überrascht hat, denn auch wenn ich von dem Titel selbst bereits gehört hatte, konnte ich mir nichts Genaues darunter vorstellen. Umso erstaunter war ich also, dass ich den Roman trotz einer ereignisreichen Woche in (die Stunden zusammengenommen) weniger als einem Tag durchgelesen hatte. Der Begriff "Pageturner", also ein Buch, bei dem man immer weiterblättert, ohne es niederlegen zu können, trifft hier voll und ganz zu.
Dank der intelligenten und überraschungsreichen Geschichte, der interessanten Charaktere, der faszinierenden Orte und der intrigenreichen Portraitierung von Vatikanstadt erweist sich Angels & Demons als einer der unterhaltsamsten und mitreißendsten Thriller, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Rasant, komplex – ein Muss für Thriller-Fans!