Eric Nylund: "Halo: Geister von Onyx" [2006]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Oktober 2007
Autor: Eric NylundGenre: Science Fiction / Action
Originaltitel: Ghosts of Onyx
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Taschenbuch
Länge: 383 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2006
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2007
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-765-35470-5
Kurzinhalt:
Der Großangriff der außerirdischen Allianz auf die Erde hat begonnen. Das planetare Militär, die UNSC, ist der Übermacht nicht gewachsen. Auch die Zahl der übermenschlichen Spartan-II-Soldaten ist stark geschrumpft, der Kampf scheint hoffnungslos.
Dies hat auch Dr. Halsey erkannt, die mit einer ganz anderen Absicht und der entführten Soldatin Kelly zum geheimen Planeten Onyx reist. Hier haben vor vielen Jahren Ausgrabungen außerirdische Artefakte enthüllt, die jenen ähneln, die Halsey auf Reach in den unterirdischen Katakomben entdeckte. Es scheint, als sei Onyx ebenso wie Reach mit den Erbauern der zerstörerischen Ringwelt Halo verbunden. Doch Onyx beherbergt noch weitaus mehr; eine geheime Militär-Organisation hat dort unter der Leitung des als vermisst geltenden Spartan-II Kurt eine neue Generation von Supersoldaten entwickelt, die Spartan-III.
Noch bevor Halsey auf Onyx eintrifft, wird tief im Innern des Planeten etwas ausgelöst – hervorgerufen durch die Zerstörung des ersten Halo-Rings und die verbleibenden Menschen sehen sich einer ungeahnten Gefahr gegenüber ... und der Möglichkeit, die Technologie der Halo-Erbauer zu studieren, um den Krieg zugunsten der Menschheit zu entscheiden.
Kritik:
Auf das Videospiel Halo 3 [2007] haben Millionen Fans weltweit drei Jahre gewartet; so viele in der Tat, dass das nur auf einer Plattform für Erwachsene erschienene Spiel innerhalb einer Woche weltweit über 300 Millionen Dollar eingenommen hat. Das sind Zahlen, auf die manche Hollywood-Produktionen nur hoffen können. Das Merchandising ist dabei noch gar nicht eingerechnet. Begonnen hat die Reihe 2001 mit dem Roman Die Schlacht um Reach, welche die Ereignisse unmittelbar vor dem ersten Videospiel Halo: Kampf um die Zukunft [2001] schilderte. Verantwortlich hierfür war Autor Eric Nylund, der drei der vier bislang erschienenen Romane des Universums verfasste und dementsprechend viel an der Mythologie feilte.
So setzt Geister von Onyx Elemente fort, die Nylund in Halo: Erstschlag [2003] bereits ankündigte, präsentiert bekannte Figuren, gleichzeitig zum Spielverlauf statt findende Handlungen und entfaltet das Halo-Universum in bislang unbekannte Regionen. Gleichzeitig wird die Hintergrundgeschichte vertieft, neue Zusammenhänge erklärt ... und als Bonus für die Fans Ereignisse von Halo 3 eingeleitet. Herausgekommen ist ein solider, wenn auch im Endeffekt etwas unbefriedigender Roman.
Beinahe schon charakteristisch für Nylunds Romane sind die verschiedenen Zeitsprünge, die der Autor während der Erzählung vollzieht, so setzt der Roman auf einer Skala in der Mitte an, springt dann zurück und schließlich nach vorn. Dazwischen wird immer wieder Bezug auf alle möglichen Handlungsebenen genommen, was die Geschichte im Endeffekt komplexer erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Beeindruckend ist dabei allerdings nur für Kenner der Reihe, wie unbeschwert, beinahe schon beiläufig der Autor alle möglichen Elemente, Orte und Figuren aus den anderen Romanen und Spielen mit einwebt, und so einen stimmigen Gesamtbezug zum übrigen Handlungsraum herzustellen. Sei es nun eine Trainingsmission mit dem aus Halo bekannten Master Chief, oder aber die Hintergründe zu den Allianz-Kasten und ihrer Hierarchie.
Ebenso faszinierend ist der Ansatz, die Technologie der Ringwelt "Halo"-Erbauer auf Onyx von einem ganz anderen Blickwinkel vorzustellen und so auch neue Theorien und Facetten der Mythologie mit einzubringen. Wie eng Nylund diesbezüglich mit den Entwicklern der Spiele zusammen gearbeitet hat, lässt sich nur erahnen. Es ist für Fans der Reihe schlichtweg fesselnd, die scheinbar so offensichtliche Welt der Halo-Spiele so vielschichtig und hintergrundreich präsentiert zu bekommen.
Die Geschichte selbst benötigt dabei trotz einer Actionmomente einige Zeit, um wirklich in Fahrt zu kommen, ehe die Bedrohung für die übrig gebliebenen Spartan-III-Soldaten spürbar wird und man absehen kann, in welche Richtung sich der Roman entwickelt. Kaum vorstellbar ist zur Hälfte des Buches auch, wie die verschiedenen Storyelemente um eine Flotte Allianz-Schiffe und ein geheimes Aufklärungsschiff der UNSC mit den Ereignissen bei Onyx zusammen passen sollen. Doch auch hier enthüllt Nylund weit mehr Kreativität, als man einem Auftragsautor zumuten würde und überrascht mit einigen Wendungen, die man nicht hätte kommen sehen. Dass er in einem Nebensatz außerdem ein Spartan-II-Team erwähnt, dessen Geschichte er (wenn es nach ihm geht) in einem eigenständigen Roman erzählen möchte, ist nur ein weiteres Bonbon für die Fans.
Dass bei einem actiongeladenen Science-Fiction-Roman die Charaktere nicht unbedingt an erster Stelle stehen, ist verständlich, auch wenn sich der Autor mit Kurt Ambrose eine neue Hauptfigur vorgenommen hat, die es zu entwickeln und vorzustellen gilt. Auch das gelingt Eric Nylund erfreulicherweise sehr gut, schildert es doch die guten Absichten des Elitesoldaten, der eine neue Generation trainieren soll, die allerdings einen anderen Sinn und Zweck erfüllen, als er und seine Kameraden.
Die übrigen Figuren sind zwar gut getroffen, werden aber nicht wirklich intensiv vorgestellt oder ausgearbeitet, allen voran leider Dr. Halsey, bei der man eine größere Einbeziehung angesichts ihrer Auftritte in den bisherigen Büchern merklich gewünscht hätte. So lässt der Autor die Figuren außen vor, zeichnet sie zwar ordentlich und auch mit einem weit reichenden Hintergrund, ohne dass sich ihre Einstellung oder ihre Verhaltensweisen im Lauf des Buches aber ändern würden. Diesen Vorzug genießt einzig und allein Protagonist Kurt, dem diesbezüglich Gesellschaft sicherlich nicht geschadet hätte.
An der Dramaturgie gibt es indes nichts zu bemängeln; mussten sich die bisherigen Romane Nylunds im Halo-Universum noch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie (wie das Spiel selbst) von einem Schlachtgetümmel zum nächsten hetzten, dabei zwar dem Leser keine Zeit zum Durchatmen ließen, aber auch keinen rechten Spannungsbogen boten, sieht die Situation bei Geister von Onyx anders aus.
Auch wenn der Autor erneut ein sehr hohes Erzähltempo vorlegt, innerhalb des Romans findet sich eine stetig ansteigende, zum Finale hin erfreulicherweise immer noch kulminierende Dramaturgie, die durch zahlreiche Handlungsebenen, eine wachsende und immer größer werdende Bedrohung der Hauptfiguren durch die Widersacher durchweg packt und den Roman zum wahren "Page-Turner" macht.
Auch sprachlich gibt es nichts zu beanstanden, Nylunds Stil liest sich sehr schnell, ohne dass sich manche Formulierungen endlos wiederholen. Dabei richtet sich das Buch sowohl an Erwachsene, wie auch Jugendliche, pendelt zwischen anspruchsloser Unterhaltung und fesselndem Science Fiction-Kracher.
Ärgerlich ist allerdings, und dies empfinden viele Leser ähnlich, die Geister von Onyx nach den nur 380 Seiten wieder zugeklappt haben, dass der Roman sehr viele Fragen unbeantwortet lässt. Überraschenderweise stört es nicht, dass der Master Chief einmal nicht im Mittelpunkt steht und sich die Erzählung auf eine Geschichte konzentriert, die parallel zur Spielehandlung stattfindet. Doch da nach wie vor unklar ist, ob nach den geplanten beiden Büchern, von denen eines wieder aus der Feder von Eric Nylund stammen könnte, weitere Romane im Halo-Universum folgen werden, hätte der seinem Buch einen richtigen Abschluss spendieren können.
Dies außer Acht gelassen enthält die Story um den geheimnisvollen Planeten Onyx und die Erlebnisse der Spartan-III-Soldaten alle Elemente, die die übrigen Romane so unterhaltsam gemacht haben. Kein Wunder also, dass es das Buch erneut auf die Liste der "New York Times Bestseller" geschafft hat.
Fazit:
Nach wie vor sicht man sich unschlüssigen Blicken gegenüber, wenn man zugibt, (hin und wieder) Videospiele zu spielen. Obwohl, oder gerade weil, man sich als erwachsene Person einer Erwartungshaltung gegenüber sieht, "über solchen Dingen" zu stehen, können viele Menschen nicht verstehe, was an einer solchen Freizeitbeschäftigung unterhaltsam sein soll. Dabei gibt es viele verschiedene Motive, die Videospieler in ihren virtuellen Alter-Egos suchen und finden. Mitunter ist es auch einfach die Motivation, die faszinierende Welt hinter dem Videospiel zu erkunden.
Hierzu leisten die Romane der Halo-Reihe einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Während man sich im Spiel selbst im Körper der Hauptfigur fühlt, die Welt selbst mit eigenen Händen zu retten vermag, erfährt man als Leser mehr über die Hintergründe und Zusammenhänge. Ist all das auch noch so gekonnt im selben Flair eingefangen, wie dies bei Eric Nylunds Romanen der Fall ist, fällt es auch den Lesern nicht schwer, sich genau in jene Stimmung zu versetzen, die man spürte, als man zuletzt den Controller in der Hand hielt.
Mit Geister von Onyx setzt Nylund weniger das Spiel selbst, als vielmehr Handlungsstränge fort, die er im vorhergehenden Roman begonnen hat. Der Leser verlässt also vorgefertigte Bahnen und widmet sich einem neuen Abenteuer, das ebenso sehr Entdeckung wie Bedrohung enthält. Dank des spannenden Schreibstils, der komplex erscheinenden und fesselnden Geschichte und den Bezügen, die der Autor zu seinen eigenen Vorlagen und dem jüngst veröffentlichten Halo 3 aufbaut, ist der Roman Fans der Reihe auf jeden Fall zu empfehlen.
Wer – wie ich – mit dieser Erwartung an eine Weitererzählung der erfolgreichen Videospielreihe herangeht, wird nicht enttäuscht ... und gleichzeitig auf eine Auflösung der Ereignisse auf Onyx hoffen.