Tana French: "Grabesgrün" [2008]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. September 2017
Grabesgruen-Cover
Urheberrecht des Covers liegt bei der S. FISCHER Verlag GmbH
ISBN: 978-3-596-17542-0 (Taschenbuch ); Preis € (D) 9,99
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Verwendet mit freundlicher Genehmigung.
Autorin: Tana French

Genre: Krimi / Drama

Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Deutsch
Ausführung: Hörbuch
Laufzeit: 7 Std. 28 Min.
Erstveröffentlichungsland: Irland
Erstveröffentlichungsjahr: 2008
ISBN (gelesene Ausgaben): 978-3-86610-615-4

Sprecher: David Nathan


Kurzinhalt:
Mehr als 20 Jahre, nachdem Rob Ryan seinem Heimatort in Irland den Rücken gekehrt hat, wird der Polizist zusammen mit seiner Partnerin Cassie Maddox zu einem Mordfall dorthin beordert. Die 12-jährige Katy Devlin wurde getötet, drapiert auf dem Altar einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Während die Medien einen Kult vermuten, orientieren sich die Ermittler an den Bemühungen von Katys Vater, der ein Bauprojekt, auf Grund dessen das Areal einer Schnellstraße weichen soll, mit einer Bürgerinitiative verhindern möchte. Diesbezüglich hatte er schon mehrere Drohungen erhalten. Während Katys Zwillingsschwester in sich gekehrt ist, versucht ihre ältere Schwester Rosalind, von Rob merklich angetan, die Ermittlungen zu unterstützen. Doch je tiefer Rob und Cassie sich in dem Fall vergraben, umso undurchschaubarer wird er. Dabei fürchtet Rob, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem, was ihm selbst vor mehr als zwei Jahrzehnten widerfahren ist, geben könnte …


Kritik:
Der Debütroman Grabesgrün der Kriminalautorin Tana French bringt alles mit sich, was man von fesselnden Krimigeschichten aus Großbritannien gewohnt ist: Interessante Figuren mit abgründigen Vergangenheiten, ein Mordfall, der mehr vermuten lässt, als auf den ersten Blick offensichtlich ist und viele falsche Fährten, die die Leserschaft lange im Dunkeln lassen. Doch was ihr Buch vor allem auszeichnet ist die Sprache selbst, die jedoch nur bedingt für ein Ende entschädigt, das etwas Zerbrechliches kaputt zu machen scheint, noch bevor es überhaupt sein Potential entfalten konnte.

Erzählt wird der Roman vom Dubliner Polizisten Rob Ryan, der zusammen mit seiner Partnerin Cassie Maddox den Mord an einem Mädchen aufklären soll. Das Opfer wurde auf dem Altar einer Ausgrabungsstätte gefunden und es dauert nicht lange, ehe die Presse einen Ritualmord unterstellt. Da sich der Vater des Mädchens jedoch gegen ein Bauvorhaben an eben vorgenannter Ausgrabungsstätte einsetzt, könnten auch geschäftliche Interessen hinter dem Mord stehen.
Es gibt einige falsche Fährten, die die Autorin hier legt, zumal Erzähler Rob etwas ganz Persönliches mit dem Ort des Verbrechens verbindet.

Mehr sei über die Handlung selbst an dieser Stelle nicht verraten. Die Auflösung wird Krimifans vermutlich nicht überraschen, zumal French erstaunlich wenige Figuren präsentiert und den Täterkreis damit selbst bereits stark einschränkt. Es sei allerdings angemerkt, dass die vorliegende Fassung eine gekürzte Ausgabe darstellt und dies in der ungekürzten Fassung nicht zutreffen kann. Dafür überzeugt das Duo Ryan/Maddox von Anfang an. Nicht nur, dass beide Figuren auf eine unverkrampft natürliche Art und Weise miteinander umgehen, ihre Ermittlung folgt ebenfalls einem nachvollziehbaren Pfad.
Eine wirkliche Überraschung und der gelungenste Aspekt des Erstlingsromans ist allerdings die Sprache, mit der die Autorin ihn erzählt.

Die Beschreibungen besitzen eine verschwenderische Eleganz, die hilft, ein detailreicheres Bild vor dem geistigen Auge der Leser- bzw. Hörerschaft zu erzeugen, ohne vom tatsächlichen Geschehen abzulenken. Sie erzeugt dadurch eine facettenreiche Atmosphäre, die – da sie aus Sicht von Rob Ryan geschildert wird – ebenso viel über seine Persönlichkeit aussagt.
Sprachlich ist Grabesgrün über jeden Zweifel erhaben und wirkt in keiner Weise so ungeschliffen wie manch anderes Debüt. Umso verwunderlicher ist die Entscheidung der Autorin, das Erreichte am Ende nicht zu erhalten. Dass sie gleichzeitig einen Ausblick gibt, macht ihre Entscheidung nur umso endgültiger.

Gelesen wird die Hörbuchfassung von David Nathan (am bekanntesten vermutlich als deutsche Synchronstimme von Hollywoodstar Johnny Depp). Anstatt die verschiedenen Figuren durch unterschiedliche Akzente oder Imitationen zum Leben zu erwecken, verleiht er ihnen auf sehr subtile Art und Weise eine unterschiedlich weiche oder harte Betonung. Das ist überaus gelungen mit dem einzigen Wermutstropfen, dass Nathans Stimmlage generell auf eine so angenehme Art beruhigend ist, dass es der Spannung beinahe abträglich ist. Das mögen andere Zuhörer bzw. Zuhörerinnen jedoch anders sehen.


Fazit:
Als Krimi bietet Grabesgrün insbesondere für Fans des Genres gute Unterhaltung, die von einem starken Team getragen wird. Die Geschichte nimmt einige Wendungen auf ihrem Weg zu einer zwar nicht vollkommen überraschenden und etwas konstruiert wirkenden Auflösung. Die zwei stärksten Argumente sind einerseits die Figuren, bei denen es sich die Autorin ohne Not selbst schwer macht, sie in dieser Konstellation erneut zu besuchen, und die sprachliche Umsetzung. Letztere ist schlicht bemerkenswert. Schade ist hingegen, dass am Ende sehr viele Fragen unbeantwortet bleiben und dass der Fall kein wirkliches Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Die wenigen Figuren, die als Täter/innen in Frage kommen, machen es für Tana French schwer, das Rätselraten über die tatsächlichen Hintergründe, offen zu halten. So wirkt das Team interessanter als der Fall, was am Ende die Frage aufwirft, wie gut eine Fortsetzung hier funktionieren kann.
Hörbuchfans kommen dank der gelungenen und ansprechenden Darbietung von David Nathan dabei ebenso auf ihre Kosten.