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Geiz ist trügerisch | von Jens am 15.04.2006, um 19:23 Uhr. |
Was den Menschen während der derzeitigen Feiertage überflutet, lässt sich eigentlich kaum in Worte fassen. Man wird mit Reizen – Gerüchen, Bildern, Emotionen und Geräuschen – geradezu überrollt, die Menschenmassen sind in ihrem schieren Ausmaß sowohl Furcht einflößend, wie auch abstoßend, und wenn man der Meinung ist, man hat den Ansturm überstanden, lauert die nächste Welle nur wenige Sekunden entfernt. Dass sich die vermeintlich besinnlichen und zur Regeneration gedachten Feiertage aber vorzüglich zur Steigerung des Konsums nutzen lassen, ist ein offenes Geheimnis. So gibt sich die Industrie alle Mühe, die Menschen zum kaufen zu animieren, sie anzulocken und zu verführen und sie zu Anschaffungen zu animieren, die sie an sich so gar nicht tätigen wollten. Wer dabei auf die grellste Reklame und den am lautesten geschrieenen Slogan hereinfällt, handelt meist, ohne alle Informationen zu kennen und im Endeffekt nur, um sich schwarz zu ärgern. |
Dabei ist gegen die lauten Rufe "Superpreis" und "Mega-Billig" ja nichts einzuwenden, immerhin steht es jedem frei, ob er/sie auf den Slogan hereinfällt, oder sich doch lieber weiter informiert (und so meist ein deutlich günstigeres Angebot findet). Etwas anders sieht es hingegen dann aus, wenn sich urplötzlich Ausnahmen in die Angebotsliste einschleichen, die dem bekannten Apotheker-Hinweis bei Medikamenten in einem Tempo vorgelesen werden, dem man selbst als Hyperaktiver kaum folgen kann. In Anzeigen mag das noch nachvollziehbar sein, immerhin kann man die Ausnahmen hier sorgfältig nachlesen, in der gerade bei Möbelhäusern aber beliebten Radiowerbung, mutet es etwas seltsam an, wenn ein inzwischen 80jähriger Möbelmarkt (und in diesem Jahr scheinen die meisten jene runde Zahl erreicht zu haben) nach seine Jubelschrei auf 20 % Rabatt mit einer ganzen Liste von einem Dutzend Markenhersteller daher kommt, die von dem Angebot nicht betroffen sind. Diese werden dann zur Hälfte noch verschluckt, teilweise in dialektischen Namen genannt, und perfekt ist der Informationsgau beim Zuhörer. Ungemein dreist ist es außerdem, wenn eine Werbung im Dialog abgespielt, der da in etwa lautet, dass ja "bekannt ist, mit den Angeboten, aber dann gibt's Ausnahmen", woraufhin der Werber erneut meint, "nein, auf alles 20 % Rabatt, gar alles, ausnahmslos" und nachdem die Werbung weitere 20 Sekunden hat verstreichen lassen, kommt der obligatorische Zusatz "ausgenommen Werbewaren, Waren von den Marken XYZ und ohnehin preisreduzierte Ware". Die einzige Konsequenz, die man als Käufer daraus ziehen kann, ist es, nicht auf die lautstarke Werbung herein zu fallen, sondern sich lieber über schriftliche Angebote zu informieren, mit deren Hilfe man die Anbieter auch festnageln kann – nur steht in jenen Prospekten meistens der sehr frei zu deutende Zusatz "Änderungen vorbehalten" und "Angaben ohne Gewähr", die den Käufer auf das reduzieren, was er in den Augen der Industrie letztlich ist: ein Konsument, ein zahlender Kunde, eine Einnahmequelle, der man mit allen Mitteln das Geld aus der Tasche zu ziehen gedenkt.
Und das geht bekanntermaßen am besten mit dem rotbeletterten Aufdruck "Angebot" in der Überschrift, bei der die Käufer meist im Rausch stärker zuschlagen, als bei normalen Produkten. Wahre Größe definiert sich dabei aber auch dadurch, dass man sich selbst freiwillig zur "Opfergruppe" bekennt, und ja, ich muss gestehen, auch ich bin auf den altbekannten Trick herein gefallen, habe mir nach eineinhalb Jahren Wartezeit endlich eine DVD im Angebot gekauft, auf die ich mich wirklich gefreut hatte, um zwei Tage später festzustellen, dass es sie bei einem anderen Anbieter noch für zwei Drittel des Preises gab. Wem es so ergeht, der kann sich trotz alledem noch glücklich schätzen, denn wer im ersten Moment verwundert die Augenbrauen hebt, angesichts der Tatsache, dass vor wenigen Wochen noch aktuelle Kinohits nun schon auf der Silberscheibe zum Preis einer Kinokarte erhältlich sind, und kurzum zuschlägt, bekommt für gewöhnlich nur abgespeckte Versionen serviert, denen es entweder grundsätzlich schon an Material mangelt, oder aber die im Gegensatz zu den Special Editions um Tonspuren und Bonusmaterial beschnitten sind – wer sich nur für den Film interessiert, den dürfte das nicht stören, auch wenn die Bildqualität dieser mageren Versionen trotz des Mehr an Platzes auf der Disc meist nicht besser ist, als bei der mit Material aufgebohrten Version, aber wahre Filmfans müssen bei den meisten Angeboten dadurch erst mehrmals hinsehen, um im nächsten Moment den Kopf wieder hängen zu lassen.
Woran man aber denken sollte: solange die Eindisc-Varianten auf dem Markt sind und zum Spottpreis verschleudert werden, besteht für die Anbieter gar kein Anlass, die Doppel-DVD-Edition nach einiger Zeit im Preis zu senken, und wenn es dann nach mehreren Jahren doch geschieht, kann man es als Käufer kaum erwarten und schlägt mitunter bei einem etwas teureren Angebot zu.
Fällt man auf den erstbesten Geiz herein, kann es also durchaus vorkommen, dass man am Schluss mehr auf dem Tresen liegen lässt, als eigentlich notwendig, und auch wenn man meinen sollte, dass es im Informationszeitalter keine Schwierigkeiten bereiten sollte, sich auch tatsächlich zu informieren, sollte man als Konsument seine Quellen weiter streuen, anstatt sich auf die Anbieter selbst als Informationsquelle zu stützen, denn worauf die aus sind, ist hinlänglich bekannt. Und welche Tarnung würde sich dafür besser eignen, als ein friedliches Familienfest, das zeitgleich auch dringend benötigtes Benzin in den Konjunkturmotor gießen kann und soll?
Frohe und weitsichtige Ostern.
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