Yes, God, Yes [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 16. Januar 2021
Genre: Komödie / DramaOriginaltitel: Yes, God, Yes
Laufzeit: 78 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Karen Maine
Musik: Ian Hultquist
Besetzung: Natalia Dyer, Timothy Simons, Wolfgang Novogratz, Francesca Reale, Susan Blackwell, Parker Wierling, Alisha Boe, Donna Lynne Champlin, Allison Shrum, Matt Lewis, John Henry Ward
Kurzinhalt:
Teenagerin Alice (Natalia Dyer) hat ein Problem: Während ihr in der katholischen High School beigebracht wird, dass Sex außerhalb der Ehe eine Sünde ist, und sie dafür in die Hölle kommen würde, spürt sie doch, wie ihr Körper sich verändert. Als das Gerücht aufkommt, sie wäre auf eine spezielle Weise mit einem Mitschüler intim gewesen, begibt sie sich im Internet auf die Suche, was genau sie getan haben soll – und wird nur mit noch mehr Sex konfrontiert. Um auf den rechten Weg zurück zu finden, meldet sie sich für ein Wochenendlager an, bei dem Priester Murphy (Timothy Simons) die Teilnehmenden lehrt, auf Jesus, anstatt auf ihren Körper zu hören. Doch der attraktive Chris (Wolfgang Novogratz) weckt in Alice andere Gefühle. Gleichzeitig bemerkt sie, dass die übrigen Schülerinnen und Schüler nicht so enthaltsam sind, wie sie sich nach außen geben …
Kritik:
Mit Yes, God, Yes erzählt Filmemacherin Karen Maine ihren gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2017 in Spielfilmlänge, erneut mit Natalia Dyer in der Hauptrolle. Sie spielt die Teenagerin Alice, die Schwierigkeiten hat, die Entwicklungen, die ihrem Körper widerfahren und die Begierde, diesen zu entdecken, mit den Lehren ihrer streng katholischen High School unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis ist ein persönlicher und im übertragenen Sinn entblätternder Blick auf ein System, das nicht den Menschen im Zentrum sieht und an das sich selbst diejenigen, die ihm angehören, nicht halten.
Im Herbst des Jahres 2000 hat die High School Schülerin Alice eine schwere Zeit. Ihr Körper macht viele Veränderungen durch und von der katholisch geprägten Schule kann sie keine Hilfe erwarten. Dort wird sexuelle Abstinenz gelehrt, rigoros werden zu kurze Röcke abgemessen, zu aufreizende oder „moralisch verwerfliche“ Outfits geahndet. Im Moralkundeunterricht propagiert der Priester Murphy, dass Männer wie Mikrowellen sind und von einem Moment auf den anderen angetörnt werden. Frauen hingegen seien wie ein normaler Ofen und müssten meist länger „vorheizen“. Sex außerhalb der Ehe, ohne das Ziel, Kinder zu bekommen, sei gegen den Willen Gottes und man würde dafür mit Verdammung für alle Ewigkeiten bestraft. Um seine Worte zu untermauern, erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Warnung: „Gott sieht immer alles“.
Der Zusatz des Priesters klingt wie eine Furcht einflößende Vorstellung, die zusammen mit den ebenso prüden wie realitätsfernen Ansichten den Eindruck erweckt, um ein gläubiges Leben zu führen, müsste man den freien Willen bei der Garderobe abgeben und sich bis zum Lebensende kasteien. Selbstverwirklichung geschieht nur in vorgegebenen Bahnen, sich selbst, seinen Körper anzunehmen, wären kein Teil der Gleichung. Da ist Alice also, an der Schwelle, ihre Sexualität zu entdecken, auf sich allein gestellt, und wendet sie sich an den einzigen Ort, an dem sie eine andere Meinung einzuholen hofft: Das Internet. Da wird sie in einem Online-Chat nur erneut mit Sex konfrontiert. Gleichzeitig macht ihr das Gerücht zu schaffen, das in der Schule gestreut wurde, sie wäre mit einem Mitschüler intim gewesen. Etwas, das sie nicht nur bei den übrigen Mitschülerinnen und -schülern an den Pranger stellt, sondern sogar bei den Lehrkräften. Um wieder auf die rechte Bahn und ihrem Schwarm nahe zu kommen, meldet sie sich für ein den Glauben stärkendes Wochenendcamp der Schule, „KIRKOS“. Dass dort der gutgebaute Star des Football-Teams, Chris, zugegen ist, entspannt Alices Lage nicht wirklich.
Yes, God, Yes ist keine ausgesprochene Komödie. Es gibt keine Pointen, die von der Besetzung vorgetragen werden, keine absurd konstruierte Situationskomik. Karen Maine schildert in glaubhaften Szenarien einen Abschnitt, der zum Erwachsenwerden dazugehört. Dass Hauptfigur Alice in dieser Umgebung immer wieder aufs Neue eingeengt wird, anstatt Hilfe und Antworten zu erhalten, macht sie nur sympathischer. In einer Zeit, in der noch nicht sämtliche Antworten nur eine Internetsuche entfernt waren (wie diese oftmals überspitzte Darstellung von Sexualität im Internet junge Menschen prägt, steht auf einem anderen Blatt), wirkt Alice regelrecht verloren. Selbst wenn sie es versucht, kann sie sich in diese Gemeinschaft nicht einfügen, gerade weil sie zunehmend erkennt, dass sich die ach so keuschen und trieblosen Teilnehmenden, bis hin zum Leiter des Camps, nach außen anders geben, als sie eigentlich sind. Diese Erkenntnis, dass man selbst nicht alleine ist, es keine Patentlösung für Alices komplexe Fragen gibt, ist für ein Publikum in ihrem Alter geradezu befreiend.
Insofern ist der deutsche Beititel des Films, Böse Mädchen beichten nicht, nicht nur irreführend, sondern schlicht am Thema vorbei. Geht es doch gerade darum, dass Alice erkennen kann, dass ihre Gefühle und ihr Körper weder etwas Böses sind, noch dass es entsprechend etwas zu beichten gibt. Am allerwenigsten gegenüber Menschen, die selbst Wasser predigen und Wein trinken.
In der Rolle der Alice ist Natalia Dyer toll besetzt. Zurückhaltend, aber nicht schüchtern, neugierig, aber nicht rücksichtslos und zunehmend selbstsicher, aber nie forsch, findet sie die perfekte Balance für eine Figur, die nach der kurzen Laufzeit nicht am Ende ihrer Reise angekommen ist, sondern vielmehr gelernt hat, dass nur sie allein ihre Reise antreten kann und niemand anderes die richtigen Antworten bereithält, die genau auf sie zutreffen. Das ist so natürlich, so ungezwungen, dass es eine Freude ist, zuzusehen.
Fazit:
Der Filmtitel allein trifft die Dualität der Thematik besser, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Befreiend auf eine Weise, unterwürfig und als Zeichen der Selbstaufgabe, in einer anderen Weise interpretiert. Trifft Alice hier auf eine Frau, der es einst erging, wie ihr selbst, die als Jugendliche Angst hatte, für ihre Gedanken, für alles, was sie tat oder nicht tat, in der Hölle zu schmoren, lernt sie die vielleicht wichtigste Lektion des Films. Dass auch wenn alle anderen so klingen, als hätten sie sämtliche Antworten, als wüssten sie, wie die Welt und alles darin funktioniert, sie im Grunde an demselben Punkt sind, wie Alice selbst. Unsicher, fehlerbehaftet nach Standards, an die diejenigen, die sie aufgestellt haben, sich selbst nicht halten. Yes, God, Yes erscheint wie ein persönlicher Blick, den Filmemacherin Karen Maine hier gewährt. Inhaltlich nicht neu, aber greifbar authentisch und mit einer gelungenen Darbietung im Zentrum, erzählt der kurzweilige Film eine Episode über das Erwachsenwerden, mit deren feinen Beobachtungen sich ein Großteil des älteren Publikums identifizieren kann. Vielleicht kann er auch dabei helfen, dass junge Menschen in Alices Situation heute einen Weg finden, sich selbst anzunehmen. Jede Hilfestellung erscheint besser, als eine Reihe von Verboten und Verteufelungen, wenn es im Grunde um eines der menschlichsten Bedürfnisse überhaupt geht. Dass die Geschichte mit der streng katholischen Gemeinschaft einen speziellen Hintergrund aufweist, stört dabei nicht. Die Aussagen sind und bleiben universell.
Nahbar, greifbar und mit einem ansteckenden Charme – schön!
Yes, God, Yes ist seit 5. Februar 2021 als Blu-ray und DVD und bereits seit 29. Januar 2021 digital von capelight pictures erhältlich! |
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