Without a Trace – Spurlos verschwunden: "Pakt mit dem Teufel" [2004]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. April 2005
Genre: Thriller

Originaltitel: Without a Trace: "Nickel and Dimed"
Laufzeit: 81 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Martha Mitchell, John F. Showalter
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Peter Manning Robinson
Darsteller: Anthony LaPaglia, Poppy Montgomery, Marianne Jean-Baptiste, Enrique Murciano, Eric Close, Audrey Anderson, Carol Locatell, Tim Kelleher, Ben Bode, Geoff Meed, Cathryn de Prume, Lilli Birdsell


Kurzinhalt:
Als Colleen McGrath (Audrey Anderson) ihren kleinen Sohn bei der Babysitterin absetzt, scheint sie aufgelöst und verängstigt – das krasse Gegenteil zu ihrem letzten Besuch. Wenig später fehlt von Colleen jede Spur.
Das FBI-Team um Jack Malone (Anthony LaPaglia), bestehend aus Samantha Spade (Poppy Montgomery), Vivian Johnson (Marianne Jean-Baptiste), Danny Taylor (Enrique Murciano) und Martin Fitzgerald (Eric Close) macht sich rasch an die Aufklärung des Falles und hat zunächst damit zu kämpfen, dass über die im Supermarkt für einen Hungerlohn arbeitende junge Mutter kaum etwas zu erfahren ist. Doch je tiefer das Team gräbt, umso offenkundiger werden Verstrickungen, in die Colleen durch ihren Chef Duane Burdick (Tim Kelleher) geraten ist, und als sich eine Verbindung zu dem Kriminellen John Burns (Geoff Meed) ergibt, stehen die Chancen, Colleen lebend zu finden, immer schlechter.
So entschließt sich Samantha, die der Fall persönlich berührt – da sie dadurch an ihr Leben vor der Arbeit beim FBI erinnert wird –, sich selbst als Köder anzubieten, um so die verschwundene Frau ausfindig zu machen ...


Kritik:
Mit "Der lange Abschied" beendete Without a Trace – Spurlos verschwunden die erste Staffel – der Zweiteiler thematisierte dabei die Nachwirkungen des 11. September 2001 und in wie weit die schrecklichen Ereignisse die Bevölkerung von New York traumatisiert hatte. Autor Hank Steinberg gelang damit eine herausragende Episode, die die Spielfilmlänge gekonnt ausnutzte und den Zuschauer an die Seite des Teams setzte, das hilflos mit ansehen musste, wie ein zerbrochener Mensch verzweifelt versuchte, einen Sinn in der für ihn grotesk gewordenen Welt zu finden.
Seither gab es in Without a Trace keinen Mehrteiler mehr, und wenn man "Pakt mit dem Teufel" mit dem Auftakt der vierten Staffel von C.S.I. - Tatort Las Vegas [seit 2000], "Ein sauberer Schnitt" [2003], vergleicht, teilen beide Produktionen ein Problem, das bei Without a Trace allerdings nicht so sehr ins Gewicht fällt. Denn obgleich sich die Geschichte des zweiten Teils von "Pakt mit dem Teufel" logisch aus derjenigen des ersten ergibt, hat sie ansich ein völlig anderes Grundthema, und die zu Beginn verschwundene Person interessiert nur noch am Rande.
Dennoch macht die Story einen durchdachten und reifen Eindruck, überrascht mit einigen Wendungen und lässt allenfalls im etwas zu schnell geratenen Finale der zweiten Episode ein wenig nach. Bis dahin jedoch präsentieren die Macher den tragischen, weil nicht unrealistischen Fall einer Mutter, die trotz (oder aufgrund) des amerikanischen Gesundheitssystems, und der dort wie hier verheerenden Arbeitssituation mit allen Mitteln versucht, über die Runden zu kommen.

Zu verdanken ist der Spagat den beiden Drehbuch-Autoren David Amann und Jan Nash, die nicht nur die Geschichte der vermissten Mutter gelungen darbringen, sondern gleichzeitig wieder die Hintergründe der inzwischen beinahe traumatisiertesten Hauptfigur der Serie, Samantha Spade, weiter ausarbeiten.
So gerät der spannende Fall rasch zur persönlichen Angelegenheit für Spade, deren Motivation man aber erst in der zweiten Hälfte der insgesamt rund 80 Minuten erläutert bekommt. Davor gewinnt die Ermittlung mit jeder neu aufgedeckten Tatsache mehr an Brisanz, während die Zeit schwindet und weitere Stunden der vergeblichen Suche nach Colleen McGrath vergehen.
Auch wenn die Dramaturgie der einzelnen Teile sichtlich auf jeweils 40 Minuten ausgelegt ist, setzen die Autoren die Messlatte in der zweiten Folge sichtlich höher an und verleihen den Hintergründen um die Entführung mehr Komplexität und Tiefe. Dabei sind es vor allem die Milieu-Studien, die die Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Ereignisse so glaubhaft und erschreckend machen. Dank der intensiven Charakterzeichnungen und den lebendigen Dialogen zählen die beiden Skripts zu den besten, die die Serie bislang für sich beanspruchen konnte. Einzig, dass das Finale in der zweiten Episode derart abrupt vorbei ist, hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Doch selbst hier wird weder heroisiert, noch verharmlost; stattdessen bekommt man die nachvollziehbaren Auswirkungen der Handlungen zu sehen.
Amann und Nash gelang eine hervorragende Vorlage, die dank der gut ausgearbeiteten Figuren schon Kino-Niveau erreicht hätte – dass die übrigen Team-Mitglieder mehr oder weniger zu kurz kommen, ist wohl auf die Lauflänge zurückzuführen; es bekommen jedoch trotzdem alle etwas zu tun.

Die Darsteller würdigen die Arbeit der Autoren mit einem engagierten Spiel, das von Poppy Montgomery solide angeführt wird.
Obwohl Montgomery insbesondere in der letzten Hälfte der zweiten Staffel nicht übermäßig in Aktion treten durfte, hat sie bereits in "Der lange Abschied" bewiesen, dass sie eine wirklich sehr gute Schauspielerin ist. Auch in "Pakt mit dem Teufel" wächst sie über ihre gewohnte Darbietung weit hinaus, präsentiert sich in den 80 Minuten kämpferisch, verletzlich, verzweifelt und entschlossen – in jeder Einstellung überzeugend; und sie legt damit den Maßstab für ihre Kollegen hoch an.
Eric Close und seine Mitstreiter werden diesem zweifelsohne gerecht, doch bleibt er, ebenso wie Marianne Jean-Baptiste und Enrique Murciano, eher im Hintergrund.
Am häufigsten zu sehen ist noch Anthony LaPaglia, der seine Sache gewohnt gut macht und mit seiner zurückhaltenden, aber intensiven Mimik verdeutlicht, weswegen die gesamte Besetzung im letzten Jahr für den Screen Actors Guild Award nominiert war – LaPaglia selbst hat für seine Rolle im vergangenen Jahr zudem den Golden Globe gewonnen.
Wie gewohnt geben sich die Gastdarsteller ebenfalls Mühe, von denen in erster Linie Audrey Anderson in den Rückblenden heraussticht. Bislang konnte sie unter anderem als wiederkehrende Figur in Nochmal mit Gefühl [1999-2002] von sich reden machen; darüber hinaus wird sie in der kommenden Drama-Serie Still Life [2004] eine Rolle spielen. Ihre ergreifende Darbietung lässt den Zuschauer vergessen, dass man es "nur" mit einer TV-Serie zu tun hat; für ihren Auftritt hätte sie ansich eine Auszeichnung verdient.
Auch der übrige Cast überzeugt – gleichwohl nicht in vollem Maße gefordert – restlos und trägt zur stimmigen, bedrückenden Atmosphäre des TV-Films, der dem Sozialsystem der USA bisweilen kritisch gegenüber eingestellt ist, gekonnt bei.

Inszenatorisch unterscheiden sich Martha Mitchells und John F. Showalters Ansätze kaum.
Beide gefallen mit ruhigen, bedachten und gut zusammengestellten Einstellungen, wobei Mitchell in der ersten Hälfte noch etwas mehr optische Finesse miteinfließen lässt. Gerade zum Schluss der zweiten Episode hin hätte man sich von Showalter vielleicht eine einfallsreichere und eventuell sogar eine – im Hinblick auf den Spannungsaufbau beim Finale – ruhigere Inszenierung gewünscht.
Dennoch gibt es bei beiden eigentlich nichts zu bemängeln; verwackelte oder unpassende Bild-Kompositionen gibt es nicht und beide Regisseure lassen den Zuschauer bereits nach wenigen Minuten mit den Figuren mitfiebern.

Musikalisch geben sich die drei Komponisten Reinhold Heil, Johnny Klimek und Peter Manning Robinson erneut etwas ungewohnter, als man zunächst vermuten würde.
So fehlt eine Neuinterpretation des bekannten Without a Trace-Themas beinahe völlig, geübte Ohren werden trotzdem die ersten Takte in der Hauptmelodie von "Pakt mit dem Teufel" erkennen können. Dahinter versteckt sich auch eine interessante und eingängige, aber – der Stimmung der Episode angemessen – traurige Melodie, die durch ein melancholisch-schweres Thema (das seinerseits ein wenig an Marty Davichs Stücke für Emergency Room [seit 1994] erinnert) ergänzt wird.
Die Musik ist stets dezent und zurückhaltend eingespielt, unterstützt die Szenen auf die bestmögliche Weise und hinterlässt einen sehr guten Eindruck.

Wenn von einer DVD-Veröffentlichung die Rede ist, ist das Interesse der Fans schnell geweckt. Zumindest in den USA wurde der Zweiteiler "Der lange Abschied" auf DVD als Film zusammengefasst und mit neuen, zusätzlichen Szenen versehen. Dies scheint bei der deutschen DVD-Veröffentlichung leider nicht so zu sein. Zwar gibt es wohl separat auswählbare nicht-verwendete Szenen, die Episoden selbst sind dagegen offensichtlich einzeln anzuschauen. Möglich, dass irgendwann auch "Pakt mit dem Teufel" mit ein paar Szenen mehr auf die Silberscheibe gepresst wird, und angesichts des gehetzten Finales wäre das durchaus wünschenswert.
Doch auch so erweist sich die Episode als ausgezeichnete Milieu-Studie, die dank der sehr gut ausgearbeiteten Figuren, der glaubhaft dargebrachten und lebensnahen Story und der starken Charakter-Momente der bekannten Hauptfiguren überzeugen kann. Die solide Inszenierung mag dabei noch der größte Schwachpunkt sein; und obwohl der zweite Teil der Doppel-Episode eine andere Richtung einschlägt, als man das von einem Mehrteiler eigentlich gewohnt ist, gelang den Autoren die Verbindung außerordentlich gut, so dass man sich als Zuschauer auf zwei der besten Folgen von Without a Trace - Spurlos verschwunden freuen darf.


Fazit:
Die Kritik am amerikanischen Gesundheitssystem mag nur verhalten sein, aber die verheerende Lage in den Vororten der Großstädte, in denen die gewöhnlichen, kaum beachteten Menschen mit aller Mühe versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Kinder durchzubringen, wird in "Pakt mit dem Teufel" sehr gut ausgearbeitet.
So dreht sich diese Ermittlung des FBI-Teams nicht um eine bekannte oder berühmte Persönlichkeit, sondern sinnbildlich um all diejenigen Menschen, deren Verschwinden – wie es eine Figur in dem Zweiteiler feststellt – "gar nicht auffallen würde, hätte[n] sie nicht ein Kind zurückgelassen". Dass dieses Thema nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt aktuell ist, macht die Situation nur noch bedrückender, und veranschaulicht, welch wichtigen Problematiken sich die Serie zusätzlich widmet.
Die Charakter-Studien sind den Autoren sehr gut gelungen und in einen brisanten, tragischen und erschreckend realistischen Fall eingewoben, der auf den 80 Minuten immer spannend und überraschend bleibt, und dessen Ausgang alles andere als unwahrscheinlich ist.
Mit dem beklemmenden, herausragend gespielten Film zeigt Without a Trace einmal mehr, dass es derzeit eine der besten Drama-Serien im Fernsehen ist, die selbst viele Kino-Filme an Qualität und Kritik-Bereitschaft weit übersteigt. Fans werden die ausgedehnte und komplexe Story zu schätzen wissen, alle anderen bereuen das Einschalten sicher ebenfalls nicht.