Godzilla Minus One [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. April 2025
Genre: Fantasy / Drama

Originaltitel: Gojira -1.0
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: Japan
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Takashi Yamazaki
Musik: Naoki Satō
Besetzung: Ryunosuke Kamiki, Minami Hamabe, Yuki Yamada, Munetaka Aoki, Hidetaka Yoshioka, Sakura Ando, Kuranosuke Sasaki, Sae Nagatani, Miou Tanaka, Kisuke Iida


Kurzinhalt:

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs landet Kamikaze-Pilot Kōichi Shikishima (Ryunosuke Kamiki) auf einer japanischen Insel, um den dort stationierten Mechanikern zu sagen, dass er seine Selbstmordmission aufgrund eines technischen Defekts nicht abschließen konnte. Doch Chefmechaniker Sōsaku Tachibana (Munetaka Aoki) durchschaut Shikishima, der Fahnenflucht begehen will. In der Nacht wird die Insel von einer riesigen Kreatur heimgesucht, die von den Menschen vor Ort „Godzilla“ genannt wird und beinahe alle Mechaniker tötet. Shikishima kehrt nach Tokio zurück und findet die Stadt in Trümmern wieder. Auch seine Nachbarin Sumiko (Sakura Ando) durchschaut ihn, doch wendet sich die geflohene Diebin Noriko (Minami Hamabe) an Shikishima, die das Waisenmädchen Akiko (Sae Nagatani) gerettet hat. Zusammen wohnen sie in Shikishimas Elternhaus, der sich seinen Unterhalt mit Minenräumung auf See verdient. Dort trifft er zusammen mit seinen Schiffskameraden Kenji Noda (Hidetaka Yoshioka) und Shirō Mizushima (Yuki Yamada) unter Kapitän Seiji Akitsu (Kuranosuke Sasaki) eines Tages auf Godzilla, der Kurs auf das japanische Festland genommen hat. Shikishima, der von seiner Schuld beinahe erdrückt wird, droht so erneut, alles zu verlieren …


Kritik:
Beinahe 70 Jahre nach dem einflussreichen ersten Teil der Reihe kehrt Takashi Yamazaki mit Godzilla Minus One in mehrerlei Hinsicht zu den Anfängen zurück. Angesiedelt nach dem Zweiten Weltkrieg, steht das titelgebende Monster hier für eine andere Art der Bedrohung, die heute so relevant ist wie damals. Sichtbar aufwändig, ist das bewusst mehr Drama als Action. Wer sich darauf einlässt, wird allerdings belohnt. Nicht trotz der ernsten Ausrichtung, sondern gerade deshalb.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs landet der Kamikaze-Pilot Kōichi Shikishima auf der Insel Odo, da sein Flugzeug einen Defekt haben soll. Tatsächlich ist mit damit alles in Ordnung, doch Shikishima sträubt sich, seine Selbstmordmission zu Ende zu bringen. In der Nacht wird die Insel von einem dinosaurierartigen Monster angegriffen, das die Einheimischen „Godzilla“ nennen. Shikishima hätte dabei vielleicht die Möglichkeit, das Monster aufzuhalten, doch aus Angst kann er nicht handeln und alle Mechaniker der Station bis auf einen kommen ums Leben. Zurück in Tokio steht Shikishima vor den Trümmern seines Elternhauses. Eine junge Frau, die ein Waisenbaby gerettet hat, kommt bei ihm unter und trotz der Schuld, die er auf sich geladen hat und an die seine Nachbarin ihn unentwegt erinnert, beginnt er, sich ein neues Leben aufzubauen – bis Godzilla dem japanischen Festland immer näher kommt und Tod wie Zerstörung mit sich bringt.

So verständlich Shikishimas Überlebenswunsch sein mag, in seinen eigenen Augen und denen seiner Landsleute hat er sich damit entehrt. Die Fahnenflucht mag ihm das Leben gerettet haben, aber er hat über sich und andere ein Unglück gebracht, das ihn förmlich heimsucht. Er ist von seinen Erfahrungen des Krieges derart gezeichnet, dass ihn die Seelen der Menschen, die vermutlich seinetwegen auf der Insel Odo gestorben sind, in Alpträumen heimsuchen. Gezeichnet von einer posttraumatischen Belastungsstörung meldet er sich für die Arbeit auf einem Minenräumboot, die auch deshalb so gut bezahlt wird, weil sie lebensgefährlich ist. Unentwegt, nachdem er nach Tokio zurückkehrt, ist Shikishima darauf aus, seine Schuld zu begleichen. Sei es durch seine Arbeit oder indem er Noriko und das Waisenmädchen Akiko bei sich aufnimmt. Godzilla Minus One stellt ihn nicht als Helden vor, sondern als gebrochene Figur, die nicht in der Lage ist, die Ideale zu erfüllen, die er seiner Meinung nach erfüllen soll. Das Monster, das Filmemacher Yamazaki zu einem so festen Bestandteil der Geschichte macht, kann dabei für mehrere Dinge stehen. Unter anderem für eben diese Schuld, die Shikishima auf sich geladen hat, und die ihn überall hin verfolgt. Sie steht gleichzeitig für den Horror des Krieges, der Japan einerseits dem Erdboden gleichmacht, andererseits letztendlich das Volk aber vereint, um das Trauma gemeinsam zu überwinden. Bedenkt man Godzillas Ursprung und seine Fähigkeiten, ist die Kreatur doch ein Ergebnis der Atombombentests im Pazifik, steht das Monster auch für die atomare Bedrohung, die Japan zum Ende des Zweiten Weltkriegs zweimal heimgesucht hat und deren Wunden nie heilen werden.

Diese Symbolik ist in Godzilla Minus One unübersehbar, selbst wenn vieles davon nicht direkt angesprochen wird. Das bedeutet nicht, dass der Pathos stellenweise nicht spürbar dick aufgetragen wäre, von einer Wendung am Ende ganz zu Schweigen, die so klischeehaft ist, dass man sie kaum glauben mag. Auch erscheint die Charakterzeichnung von Shikishima stellenweise geradezu ausladend sentimental, als würden die emotionalen Momente der Figur bewusst überzeichnet, während er zu Beginn in sich gekehrt auftritt. Von den übrigen Charakteren wird hingegen kaum jemand vertieft. Noriko bleibt eine Randfigur, der Ingenieur Noda bekommt keinen Hintergrund zugeschrieben, einzig der junge Mizushima steht für die junge Generation, die nicht ahnend, wovon sie spricht, sich wünschte, sie hätte im Krieg für ihr Land kämpfen können, während all diejenigen, die es mussten, ihm wiederholt begreiflich zu machen versuchen, dass er froh sein solle, es nicht getan zu haben.

So gelungen die inhaltlichen Aussagen sind, die Figuren werden dem kaum gerecht. Ein vermutlich nicht kleiner Teil des Publikums wird in Godzilla Minus One jedoch darauf warten, dass das titelgebende Monster darin für reichlich Zerstörung sorgen wird. Trotz des geringen Budgets bietet Yamazakis Kaiju-Film diesbezüglich genau das, was Fans erwarten. Zu Recht mit dem Oscar für die besten Trickeffekte ausgezeichnet, überraschen die Bilder nicht nur durch ihr Aussehen – selbst wenn die Spezialeffekte in einigen Momenten mehr als sichtbar sind – sondern insbesondere angesichts ihrer Masse bei dem geringen Budget der Produktion. Was die Verantwortlichen hier auf die Leinwand zaubern, ist mehr als nur eine Überraschung, auch wenn das Design Godzillas weniger elegant erscheinen mag, als in anderen Inkarnationen zuletzt. Nimmt man all dies zusammen, ist dies inhaltlich einer der, wenn nicht der beste Godzilla-Film seit langem. Die ernste Ausrichtung der Story zusammen mit den vielschichtigen Untertönen veredeln eine Geschichte, bei der man selbst dann mit den Figuren mitfiebert, wenn diese kaum ausgearbeitet sind oder auf eine Art und Weise zum Leben erweckt werden, die nicht immer stimmig erscheint. Das bedeutet nicht, dass hier nicht Potential ungenutzt bliebe, aber dass so viel davon überhaupt in der Story schlummert, hätte man kaum gedacht.


Fazit:
Eine der größten Überraschungen ist, wie viel Platz Godzilla trotz des geringen Budgets tatsächlich in Takashi Yamazakis Erzählung einnimmt. Zwar konzentriert sich der Filmemacher auf seine Figuren und stellt ihnen in Godzilla ein Monster gegenüber, das viele ihrer schlimmsten Befürchtungen verkörpert, doch die riesige Kreatur ist weit häufiger zu sehen, als man vermuten würde. Dabei stehen die Bilder großen Hollywood-Produktionen in nichts nach, ganz im Gegenteil. Was den Kaiju-Film allerdings auszeichnet, ist der Umstand, dass das Monster und die Zerstörung, die es bringt, kein reiner Selbstzweck sind, sondern in der Geschichte sinnbildlich für Traumata und Bedrohungen stehen, die die Bevölkerung Japans heimsuchten und immer noch beschäftigen. Godzilla Minus One ist deshalb inhaltlich relevanter und vielschichtiger, als die allermeisten Materialschlachten aus der Traumfabrik, und richtet sich dementsprechend an ein Publikum, das bereit ist, das auch erkennen zu wollen. Das wiegt nicht die Schwächen bei den Charakterzeichnungen auf oder einige Klischees, aber es zeigt, dass die Verantwortlichen ihre Geschichte mit einer Ernsthaftigkeit erzählen, die man ihr kaum zugetraut hätte und die sie deutlich bereichert.