The Accountant 2 [2025]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. April 2025
Genre: Thriller / Action

Originaltitel: The Accountant 2
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Gavin O’Connor
Musik: Bryce Dessner
Besetzung: Ben Affleck, Jon Bernthal, Cynthia Addai-Robinson, Daniella Pineda, Allison Robertson, J. K. Simmons, Robert Morgan, Grant Harvey, Andrew Howard


Kurzinhalt:

Es ist eine einfache Mitteilung, mit der sich der ehemalige Leiter der Finanzermittlungsbehörde Raymond King (J. K. Simmons) an seine Nachfolgerin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) wendet: Finde den Buchhalter. Sie weiß, wer gemeint ist, selbst wenn seit den letzten Berührungspunkten acht Jahre vergangen sind. Der hochbegabte Christian Wolff (Ben Affleck), der auf Grund seines Autismus nur schwer Kontakt mit anderen knüpfen kann, ist seit Langem als Buchhalter für die Unterwelt tätig und immer noch gut im Geschäft. Dabei spielt er den Ermittlungsbehörden auch immer wieder Hinweise zu, was zu Marybeths steiler Karriere beigetragen hat. Gemeinsam widmen sie sich Kings Fall, den er als Privatdetektiv übernommen hat und in dem er eine Familie finden sollte, die vor Jahren in Mexiko verschwand. Aber nicht nur, dass das Netzwerk, auf das sie stoßen, viel umfangreicher ist, als gedacht, die Verantwortlichen schrecken auch vor Anschlägen auf Bundesbehörden nicht zurück. Darum bittet Christian seinen Bruder Braxton (Jon Bernthal) um Hilfe. Sie kommen der so gefährlichen wie mysteriösen Anaïs (Daniella Pineda) auf die Spur, nicht ahnend, wen sie damit alles in Gefahr bringen …


Kritik:
Gavin O’Connors späte Fortsetzung seines ruhigen Thrillers The Accountant [2016] ist womöglich eine der größten Überraschungen des jungen Kinojahres. In jeder Hinsicht besser als der erste Teil, ist es vor allem die Hintergrundstory, die unerwartet aktuell und relevant emotional mitnimmt. Selbst wenn The Accountant 2 die bekannte Figur des hochbegabten, autistischen Buchhalters, der für die Unterwelt arbeitet und kampferfahren ist, kaum vertieft, wie sie zur Geltung kommt, ist ebenso gelungen, wie die Action packend umgesetzt.

Seit den Ereignissen des letzten Films, in denen der Buchhalter Christian Wolff am Ende seinem Bruder gegenüberstand, sind mehr als acht Jahre vergangen, in denen sie sich auch nicht gesehen haben. Der ehemalige Leiter des Financial Crimes Enforcement Network, der Finanzermittlungsbehörde, Raymond King, ist inzwischen im Ruhestand und übernimmt als Privatdetektiv Fälle, die ihm persönlich wichtig sind. Bei seinem letzten hat er sich mit einem einflussreichen Netzwerk angelegt, das vor nichts zurückschreckt. Deshalb bittet Kings Nachfolgerin, Deputy Director Marybeth Medina den Buchhalter um Hilfe. Sie kann sich keinen Reim darauf machen, in was King hineingeraten war. Dank seines analytischen Verstandes erkennt Wolff die Zusammenhänge, doch benötigt er Hilfe, wenn er der vor Jahren in Mexiko in Schwierigkeiten geratenen Familie helfen will, die King ausfindig machen sollte. Darum zieht Christian seinen Bruder Braxton hinzu. Sie sehen sich Verbrechern gegenüber, die über jahrelang aufgebaute Strukturen verfügen und auch nicht davor zurückschrecken, Bundesbehörden ins Visier zu nehmen.

Was im Zuge dessen für menschliche Schicksale im Kern beleuchtet werden, sollte das Publikum selbst entdecken. Nur so viel, es rückt Menschen ins Zentrum, die aus ihrer Heimat fliehen müssen und die heute von nicht wenigen politisch Verantwortlichen als Verhandlungsmasse betrachtet und mit entmenschlichenden Ausdrücken belegt werden, anstatt sie als das zu sehen, was sie sind: Opfer eines perfiden Systems. Obwohl The Accountant 2 insgesamt ein Unterhaltungsfilm ist, der brachiale Antworten auf viel zu einfache Fragen stellt, es gibt insbesondere im letzten Drittel Momente, die nicht nur betroffen machen, sondern regelrecht wütend in Anbetracht dessen, was den Schwächsten angetan wird. Statt dies billigerweise für sich zu nutzen, gibt sich O’Connor Mühe, die Auswirkung dessen auf seine zentralen Figuren zu zeigen. So mutig dies ist, ein derart ernstes Thema in diesem Rahmen anzusprechen, einfacher macht es das nicht, Manches mitanzusehen.

Dabei balanciert The Accountant 2 bis dahin einen Großteil des ernsten Hintergrunds und der nicht gerade zimperlich umgesetzten Gewalt mit leichten Momenten aus, an denen Christian Wolff ebenso beteiligt ist, wie später sein Bruder Braxton. Wolff, der Zeit seines erwachsenen Lebens allein gewesen ist, ist anfangs auf der Suche nach weiblicher Gesellschaft und nimmt daher an einem Dating-Abend teil. Braxton hingegen versucht seine Einsamkeit mit einem Haustier zu kompensieren. Beide Einführungen der Figuren setzen auf Humor, selbst wenn sie im Grunde ein urmenschliches Bedürfnis zum Ausdruck bringen. Aber beide Szenen sind für den weiteren Verlauf der Story auch nicht wirklich wichtig und nehmen unnötig Tempo aus einer Geschichte, die anfangs Zeit braucht, die unterschiedlichen Charaktere zusammen und auf die richtige Fährte zu bringen. Beginnen schließlich die Nachforschungen, kommen auch Christian Wolffs einzigartige Fähigkeiten zum Tragen. Sowohl seine körperliche Dominanz als auch seine Analysen, die nicht nur durchaus amüsant aufbereitet sind, sondern mit toll geschriebenen Dialogen überraschen.

Gerade seine lockeren Momente, wie wenn er in einer Country-Bar versucht, aus seiner Komfortzone zu treten, sorgen dabei für ein Lächeln beim Publikum, wie auch die Gespräche zwischen Braxton und Christian. Doch sind sie nicht der Kern der Story, die sich um Verbrechen dreht, die einen nicht kalt lassen können. Dabei scheint es beinahe, als wollte The Accountant 2 die Ermittlungsbehörden in gewisser Weise in Schutz nehmen, wenn Deputy Director Medina vor der schwierigen Entscheidung steht, auf Christian und seine Unterstützer zu setzen, die mit zweifelhaften Methoden Ergebnisse produzieren, sich dabei aber über Grundrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger hinwegsetzen, oder ihre Ermittlungen im Sande verlaufen würden. Wie Manches ebenso, ist dies ein Aspekt, der nur angerissen wird, aber vielleicht die Eine oder den Anderen zum Nachdenken bringen wird. Dass die Geschichte außerdem erneut Menschen mit speziellen Begabungen vorstellt, mag man als inhaltliche Wiederholung des ersten Films sehen, vielleicht gelingt es so aber auch, die Betroffenen aus der kaum beachteten Ecke zu holen, in die sie gesellschaftlich oft gestellt werden.

Nimmt man all dies zusammen, entwickelt sich auch The Accountant 2 langsam und arbeitet auf ein bleihaltiges Finale hin, auf das ein Großteil des Publikums vermutlich warten wird. Handwerklich tadellos in Szene gesetzt und von allen Beteiligten, insbesondere Ben Affleck, gut gespielt, liefert Regisseur Gavin O’Connor das, was Fans des Vorgängers erhoffen. Doch dank der inhaltlich relevanten Geschichte gelingt es ihm überdies, all diejenigen an sich zu binden, die einen oberflächlichen und einfach strukturierten Thriller erwartet haben, hier aber in eine so komplexe wie düstere Story geworfen werden. Das klingt, als würde es dem Unterhaltungswert schaden, doch genau das Gegenteil ist der Fall.


Fazit:
Dass Christian Wolff mit seinen analytisch-methodischen Antworten und unterkühlten Feststellungen beim Speed-Dating zu Beginn die möglichen Partnerinnen eher vor den Kopf stößt, als sie für sich gewinnt, ist keine Überraschung und für die Erzählung selbst nicht wichtig. Ebenso die Einführung seines Bruders Braxton, die sich noch merklicher hinzieht. Im Nachhinein wirken diese wenigen heiteren Momente jedoch, als wollten die Verantwortlichen dem Publikum die Möglichkeit geben, kurz durchzuatmen, denn wenn die Story ernst wird, wird sie todernst. Allein deshalb, weil sie tatsächliche Schicksale aufgreift, die einen betroffen machen. Wie diese aufbereitet werden, ist zu einfach, als dass damit ein gesellschaftliches Umdenken bewirkt werden könnte, aber Regisseur Gavin O’Connor ist sichtlich bemüht, seine Erzählung nicht nur inhaltlich relevant zu gestalten, sondern den Zuschauerinnen und Zuschauern einen Denkanstoß mitzugeben. Beides gelingt ihm nicht nur gut, sondern es sorgt dafür, dass The Accountant 2 mit der emotionalen Wucht aufwartet, die dem ersten Teil fehlte. Gut gespielt und in Szene gesetzt, ist das überraschend wichtig und nicht nur eine Verbesserung zum ersten Teil, sondern ein Thriller-Tipp für ein erwachsenes Publikum.